Kleine Schritte, die helfen bei uns anzukommen

Schwerpunkt des neuen Alsdorfer Freiwilligenzentrums des Caritasverbands ist die Flüchtlingsarbeit

Café Babbel (c) Andrea Thomas
Café Babbel
Datum:
11. Mai 2016
Von:
Andrea Thomas
„Wie können wir Flüchtlingen helfen?" Hilfsbereitschaft und ehrenamtliches Engagement sind nach wie vor groß in der Städteregion Aachen. Besonders aktiv als Vermittler und Begleiter der Ehrenamtlichen sowie mit eigenen Angeboten und Projekten ist der Regionalcaritasverband.

 Verzweifelt versucht Shokat der Runde mit dem wenigen Deutsch, dass er schon kann sowie per Zeichensprache zu erklären, was er gerne beruflich machen möchte. Wasser und tief, soviel haben die anderen verstanden. „U-Boot-Fahrer", lautet schließlich ein Vorschlag. Der junge Afghane guckt unsicher. Gemeinsam mit seinem Nachbarn sucht er im Übersetzungsprogramm seines Smartphones. „Brunnen bauen", radebrecht er schließlich und strahlt die anderen an. „Oh weh", sagt Kathrin Michels und lacht, „und wir wollten den armen Kerl in ein U-Boot stecken." Sie leitet das Alsdorfer Freiwilligenzentrum, eine Informations- und Beratungsstelle für bürgerschaftliches Engagemen. Bürgerinnen und Bürger, die sich gerne ehrenamtlich einbringen wollen, können sich dort über die Vielfalt an Tätigkeitsfeldern in den Bereichen Soziales, Kultur, Umwelt und Sport informieren und werden in konkrete Projekte vermittelt.

Virtuell, als Internetplattformen, gibt es das Alsdorfer Freiwilligenzentrum schon länger. Doch als zum Jahresbeginn immer mehr Ehrenamtliche nachgefragt haben, was sie konkret tun können für die Menschen, die auf der Flucht aus ihrer Heimat in unserer Region gestrandet sind, da sei klar gewesen, dass sie ein konkretes Angebot vor Ort brauchen, erläutert Kathrin Michels. Seit einigen Jahren betreut sie, neben dem Freiwilligenzentrum des Caritasverbands in Aachen, in Alsdorf bereits das Projekt „JutE" (Jugend trifft Erfahrung). Hierbei unterstützen ehrenamtliche Mentoren Grundschüler bei ihrem Start in die Schullaufbahn. Über „ABBBA e. V." (Alsdorfer Bildungs-, Beratungs- und Begleitungsangebote), einem Zusammenschluss verschiedener Träger sozialer Dienstleistungen und der Stadt Alsdorf, an dem auch der Caritasverband beteiligt ist, konnte ein weiterer Raum in der Luisenpassage bezogen werden. Mit Eigeninitiative der gut 30 Ehrenamtlichen und aus Spenden ist hier ein freundlicher Unterrichtsraum enstanden.

Es sieht ein bisschen aus wie in einer ersten Grundschulklasse. An den Wänden hängen bunte Plakate mit dem Alphabet und Zahlen sowie Tageszeiten auf deutsch. Was nicht von ungefähr kommt, wie Kathrin Michels berichtet. „Wir haben Bücher für die Teilnehmer angeschafft. Die Ehrenamtlichen organisieren sich darüber hinaus Lehrmaterial aus dem Internet oder aus Büchern für Erstklässler." Auch, was sie sonst noch brauchen, haben sie in Eigeninitiative organisiert. Zum Beispiel Stadtpläne und eine große Weltkarte, auf der die Flüchtlinge zeigen können, wo sie herkommen und welche Reise hinter ihnen liegt. Gestartet sind sie mit einem Kurs für all die Flüchtlinge, die keinen Anspruch auf einen offiziellen Sprachkurs haben. Inzwischen sind es vier Kurse für Anfänger und einer für Fortgeschrittene. „Das ist den meisten aber zu wenig, einmal pro Woche Deutsch zu lernen. Sie wollen das Gelernte auch anwenden", berichtet Kathrin Michels. Daraus ist die Idee zum „Babbel-Café" entstanden.

Die kleine Szene mit Shokat und dem U-Boot macht deutlich, wie wichtig das für das Miteinander und das Kennenlernen ist. Immer montags von 12 bis 14 Uhr treffen sich nun Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, Libanon, Guinea, Ghana, Nigeria und wo die meist jungen Leute sonst noch herkommen, zum Deutsch üben, aber vor allem auch, um soziale Kontakte zu knüpfen. Das Café betreuen Mutter und Tochter, Neve Gutic und Sani Sulja-Gutic. Bei Kaffee und anderen Getränken versuchen sie eine lockere und freundliche Atmosphäre zu schaffen. Für Sani ist es selbstverständlich zu helfen: „Wir sind, seitdem die ersten Flüchtlinge hier in Alsdorf angekommen sind, mit der ganzen Familie aktiv. Ich kenne das gar nicht anders. Meine Mutter engagiert sich schon seit dem Bosnienkrieg in den 90er Jahren für Flüchtlinge. Darüber habe ich mit zwölf Jahren auch angefangen."

Herbert Hoffmann, pensionierter Elektroingenieur, betreut gemeinsam mit einer weiteren Ehrenamtlichen eines der Sprachangebote. „Mich stört der wachsende Rassismus. Da reicht es dann aber nicht nur, zu diskutieren, dann muss man auch was tun", sagt er. Die jungen Flüchtlinge seien alle sehr wissbegierig und motiviert. Hofften auf eine gute Zukunft hier in Deutschland. Auch in der Stadt Aachen sind niedrigschwellige Sprachangebote und Angebote, die Flüchtlingen helfen, erste soziale Kontakte zu knüpfen, um in der Region anzukommen, nach wie vor gefragt. Hier habe sich jedoch bereits vieles in den einzelnen Stadtteilen etabliert, wie Heidi Baumsteiger vom Caritasverband für Aachen-Stadt und -Land erklärt. „Ich habe im März einmal rundgefragt, in Aachen engagieren sich in den unterschiedlichsten Bereichen rund 900 Ehrenamtliche für Flüchtlinge." Darunter sind auch viele junge Leute. So engagieren sich in einem Angebot, das seit April junge Flüchtlinge unterstützen soll, Kontakt zu anderen jungen Leuten in Aachen zu knüpfen, zahlreiche Studenten, wie Heidi Baumsteiger berichtet.

Ein weiteres aktuelles Projekt der Caritas mit der Stadt Aachen, sind Fahrradschulungen für Flüchtlinge, bei denen ihnen deutsche Verkehrsregeln vermittelt werden. Die Verkehrssituation in Aachen unterscheide sich zumeist deutlich von der in ihren Heimatländern. In den Blick rückt auch zunehmend die Unterstützung bei der Suche nach einer eigenen Wohnung, beispielsweise, wenn jugendliche Flüchtlinge volljährig werden oder wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist. Hier sind ebenfalls Ehrenamtliche aktiv. Ebenso wie bei der Betreuung in organisatorischen Fragen und der Begleitung, um sich im neuen Land zurechtzufinden. Ansonsten hat sich der Schwerpunkt der Arbeit des Caritasverbands in der Stadt etwas verlagert. Ziel ist Ehrenamtliche gut zu begleiten, ihnen bei ihren Fragen zur Verfügung zu stehen und sie zu motivieren, sich helfen zu lassen, um nicht über ihre eigenen Grenzen hinaus zu gehen. Einmal pro Woche, donnerstags von 14 bis 16 Uhr, gibt es dazu eine Sprechstunde für Ehrenamtliche in den Räumen der Aachener Caritas in der Scheibenstraße.

Weitere Informationen: www.caritas-aachen.de