Es war ein ambitionierter Fragenkatalog, den sich Moderator Jochen Butz für den Neujahrsempfang der Region Krefeld/ Meerbusch im Pax-Christi-Gemeindezentrum Krefeld parat gelegt hatte. Wer monologisierende Talkgäste und nicht enden wollende Grundsatzreden befürchtet hatte, durfte aufatmen. Die Reaktionen der Empfangsbesucher auf die kurzweiligen und dennoch äußerst informativen Talkrunden zeigten, dass das neue Format die Premiere mit Bravour bestanden hat. Der gut aufgelegte Moderator verstand es, mit seinen Gästen einen Rück- und Ausblick zu wagen.
Den Einstieg machte nach der Begrüßung durch Lothar Zimmermann, Vorsitzender des Katholikenrates, ein von Jochen Butz moderierter verbaler Schlag- abtausch von Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer und Leo Jürgens, erstem stellvertretendem Bürgermeister von Meerbusch. Kurzum: Egal, wie die Vergangenheit aussah, auf dem Neujahrsempfang wurde große Bereitschaft signalisiert, die Zukunft gemeinsam und vertrauensvoll gestalten zu wollen. Auch wenn bei der ein oder anderen Frage noch Gesprächsbedarf abseits eines großen Auditoriums bestehen mag.
In Richtung Bistum Aachen wünschte sich Leo Jürgens einen „etwas frischeren Umgang mit Finanzmitteln“. Ein Wunsch, den der Krefelder Bürgermeister auch seinem Kämmerer übermitteln möchte, um beispielsweise nach der abgeschlossenen Haushaltssanierung auch ehrenamtlich tätige Frauen und Männer mehr bei ihrer für die Gesellschaft wertvollen Arbeit unterstützen zu können. Der Dank beider Bürgermeister richtete sich im Rückblick auf 2017 an alle Helfer, die sich nicht nur im Rahmen der Flüchtlingshilfe täglich ehrenamtlich einbringen. „Viele dieser Helfer kommen auch aus den kirchlichen Vereinigungen“, unterstrich Frank Meyer.
Zwei auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Talk-Gäste waren Anna Lardara, Mitarbeiterin im Café Oje, und Siegmund Ehrmann, langjähriges Mitglied des Deutschen Bundestages. Während Anna Lardara einen Einblick in die offene Jugendarbeit gewährte, schilderte Siegmund Ehrmann seine Beweggründe, nach 15 Jahren im Bundestag auf eine erneute Kandidatur verzichtet zu haben: „Ich wollte rechtzeitig meinen Platz für die nächste Generation freimachen.“ Auch wenn ihm die Entscheidungen nicht leichtgefallen sind, ist die „Agenda 2010“ für Ehrmann ein „richtiger und wichtiger“ Schritt gewesen. „Bei der Frage, wie wir unsere Entscheidungen erklären und erläutern, haben wir allerdings zu viel auf Hauruck gesetzt“, räumte er ein. Umso wichtiger sei die Jugendarbeit als Mittel der Demokratiebildung. Im Gespräch zeigte sich, dass der Politiker einst in der Jugendarbeit die Wurzeln für seine spätere politische Betätigung schlug. Er ist zudem überzeugt, dass auch Kirche politisch sein muss und auf der Seite der Schwachen stehend in die Gesellschaft hinein zu argumentieren habe.
Die Bedeutung des Ehrenamtes in allen Bereichen sozialer Arbeit unterstrichen Tanja Himer, Geschäftsführerin des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF), und Vorstandsmitglied Ursula Dömges-Kloth. Die Vorstandsfrau berichtete unter anderem von einem Projekt gegen Kinderarmut, bei dem mithilfe von Spendern Schülern, die mit leerem Magen und ohne Verpflegungsgeld morgens das Haus verlassen, Frühstück und/oder Mittagessen finanziert werden. Ein großes Projekt für das Jahr 2018 wird es sein, junge Flüchtlinge in Arbeit oder eine Ausbildungsstelle zu vermitteln.
Ans Eingemachte ging es beim Talk von Jochen Butz mit Lothar Zimmermann und Pfarrer Paul Jansen, Mitglied des Vorstands Regionalpastoralrat. „Laien müssen mehr Selbstbewusstsein haben“, ist Zimmermann als Vorsitzender des Katholikenrates überzeugt, dass Gemeinschaften und Gemeinden auch ohne Geistliche zu organisieren sind. Im Rahmen des synodalen Veränderungs- und Gesprächsprozesses müsste auch der Frage nachgegangen werden, warum immer mehr Christen der Kirche den Rücken kehren und ihren Austritt erklären. „Wir verkünden eine frohe Botschaft – und sollten uns zunächst selbst die Frage beantworten können, was uns Freude macht!“, regt Pfarrer Paul Jansen eine Diskussion an. Kirche habe sich lange Zeit vor allem mit Strukturen beschäftigt. Dies könne zu Verdruss führen. „Das versteht niemand mehr“, fordert er dazu auf, „in Größerem“ zu denken und die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Musikalisch wurde der Neujahrsempfang von Christoph von der Beek und seiner Band „Chansonrock“ begleitet. Viele der in den Talkrunden angestoßenen Gedanken wurden anschließend in der besonderen Atmosphäre des Pax-Christi-Gemeindezentrums noch vertiefend diskutiert.