Der Hausherr der größten Kirche des Bistums Aachen ist ein vielbeschäftigter Mann. „Es gibt Verbindendes und Unterschiedliches“, sagt er schmunzelnd. „In der Ruhe liegt die Kraft“, fällt einem spontan beim Blick auf das Gegenüber ein: Ruhe, Gelassenheit und Professionalität strahlt der Mittvierzieger aus. All diese Tätigkeiten seien Seelsorge am Menschen, sagt er. „Sie vollzieht sich im Offizialat nur nach anderen Regeln.“ Worüber sitzt Jan Nienkerke eigentlich zu Gericht? Die überwiegenden Fälle sind Eheauflösungsverfahren. Gläubige kommen auf das Gericht zu, weil sie eine Ehe mit kirchlichem Segen eingehen möchten, aber ein erstes Eheversprechen sie bindet. Nun prüft das Gericht, ob die erste Ehe für nichtig erklärt werden kann. Man nimmt einiges auf sich mit dem Verfahren, erzählt Kirchenrechtler Nienkerke. Man muss zu einer Zeugenaussage bereit sein, Zeugen benennen, Verfahren über mehrere Stationen „über sich ergehen lassen“ – das sei schon sehr privat, auch wenn nicht intimste Dinge abgefragt würden. Geklärt wird etwa, ob es einem der Ehepartner an der inneren Reife gemangelt hat, erkennen zu können, welche Tragweite das Sakrament hat. Ein Ehebandverteidiger trägt Sorge, dass keine vorschnelle Für-Nichtig-Erklärung erfolgt.
Tragen Jan Nienkerke und seine Kollegen dabei Robe? Wird das Urteil mit einem Hammerschlag bekräftigt? Das bringt den Schmunzler zum Lachen. „Nein, das läuft alles ganz unspektakulär!“ Das passt: unspektakulär. Eher nach reiflicher Abwägung der Alternativen entschloss sich Jan Nienkerke zum Studium der Theologie, zu dem er schon seit Messdiener- und Pfarrbriefausträger-Zeiten eine Neigung verspürte. „Es hat nicht das klassische Erweckungserlebnis gegeben, ich habe auch keine Stimmen gehört wie Paulus.“ Was er tut, tut er aber mit Konsequenz. Wenn Theologie, dann auch Priesteramt lautete die Entscheidung. Seine Leidenschaft gehörte schon im Studium der Vertiefung in die höheren theologischen Inhalte: der Dogmatik. Die Augen glänzen, wenn Jan Nienkerke erklärt: „Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ideen und Entwürfen von Kirche, Kirchenbildern und Kirche-sein und spekulative Theologie – das ist faszinierend.“ Gerne hätte er über dieses Thema promoviert, folgte aber dem Vorschlag des Bistums und sattelte ein Kirchenrechtsstudium in Münster oben drauf. Zu dieser Zeit hatte Nienkerke bereits das Jahrespraktikum in Krefeld, seine Diakonatszeit in Aachen, seine Weihe und erste Kaplanszeit in Süchteln absolviert und war in Rheindahlen im Einsatz. Seit drei Jahren ist Jan Nienkerke nun Pfarrer in Dülken und pendelt dienstags und freitags nach Aachen zum Offizialat. Und wie lebt es sich nun wirklich mit der Doppelaufgabe? „So lange ich mit der Einstellung nach Aachen fahre, dass es eine willkommene Horizont-Erweiterung ist, bei der ich über den Tellerrand sehen und das Hamsterrad der Gemeinden verlassen kann – umgekehrt aus Aachen wieder zurückfahre mit dem Gedanken ,Diese Akte kannst du schließen und beiseite legen und dich auf den Dienst in der Gemeinde freuen‘, so lange ist es gut.“