Kirche prägt das Quartier

St. Mariä Empfängnis in Venn zeigt, wie Kirche eine Rolle bei der Stadtentwicklung spielen kann

Der Pfarrgarten wurde gerodet und wird neu angelegt: Wege schaffen eine Verbindung zwischen der Kirche und dem öffentlichen Markt- und Parkplatz. Das Kirchengebäude kommt besser zur Geltung. (c) Garnet Manecke
Der Pfarrgarten wurde gerodet und wird neu angelegt: Wege schaffen eine Verbindung zwischen der Kirche und dem öffentlichen Markt- und Parkplatz. Das Kirchengebäude kommt besser zur Geltung.
Datum:
14. Mai 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2019 | Garnet Manecke

Die Kirche war zu groß, das alte Pfarrhaus wurde nicht optimal genutzt, und im Pfarrgarten wucherte das Gestrüpp: Im Rahmen des Kirchlichen Immobilien-Managements stand auch die Mönchengladbacher Gemeinde St. Mariä Empfängnis vor der Frage, wie Kirche in der Gemeinde zukünftig aussehen soll. Bei den Überlegungen bezogen die Verantwortlichen auch die Quartiersentwicklung mit ein.

Eine Kirche aufzugeben, ist für jede Gemeinde ein schmerzhafter Prozess. Andererseits sind viele Kirchen mittlerweile zu groß, gemessen am Umfang ihrer Nutzung. Ein Problem, mit dem sich auch die Gemeinde St. Mariä Empfängnis in Mönchengladbach konfrontiert sah. Zwar stand die Aufgabe des 150 Jahre alten Bauwerks nicht im Raum. Aber wie sollte man diese große Kirche nutzen? Bis 2012 widmeten sich Kirchenvorstand und Förderverein der Sanierung der Außenwand. Die Kirche bekam ein neues Schieferdach, und auch die Giebelrosetten wurden erneuert. Nun stand die Innensanierung an. „Bevor wir damit begonnen haben, haben wir uns Fragen gestellt“, berichtet Bernd Hintzen, Leiter des kirchlichen Entwicklungskonzeptes im Bauausschuss des Kirchenvorstands und erster Vorsitzender des Fördervereins. „Wie sieht unsere Gemeinde in 20 Jahren aus? Wie wollen wir die Nutzungsfunktion gestalten, so dass auch nachfolgende Generationen die Räume spannend finden?“ Wofür sollen die Räume in Zukunft überhaupt genutzt werden? Was die Raumnutzung betrifft, war eine Antwort schnell gefunden: „Wir wollen uns auf unsere Kernscholle konzentrieren“, sagt Hintzen. Das bedeutet, dass die Kirche und die Räume, die unmittelbar drumherum liegen, weiter genutzt werden sollen. Erste Konsequenz: Für das zwei Straßen entfernte alte Jugendheim, in dem sich mit den Jahren auch ein Sanierungsstau gebildet hat, wurde ein Käufer gesucht. Der Erlös für Immobilie und Grundstück fließt in die Entwicklung des neuen Ensembles an der Kirche. 2013 begannen Kirchenvorstand und Förderverein im kleinen Kreis mit ersten grundsätzlichen Überlegungen zur Neugestaltung.

Aber beim Denken hinter verschlossenen Türen blieb es nicht. In den Jahren 2014 und 2015 führten die Verantwortlichen Bürgerbefragungen in ihrem Quartier durch. Dabei ging es nicht nur darum, wie sich die Befragten Kirche vorstellen und welche Angebote sie sich wünschen. Vielmehr nahmen die Planer das Quartier als Ganzes in den Blick und erfragten, was sich die Bürger für das Leben im Stadtteil wünschten. Auf den Antworten beruhen die weiteren Planungen. Der Kircheninnenraum wurde geteilt: Während das Oktogon weiter sakral genutzt werden sollte und daher geweiht bleibt, sollte das Langschiff in Zukunft dem Quartiersleben zur Verfügung gestellt werden. Damit war klar, dass die Kirche teilentwidmet würde. In einem ersten Bauabschnitt wurde das Oktogon saniert. Währenddessen wurden Gottesdienste im von der Baustelle räumlich abgetrennten Langschiff gehalten. „Das ging erstaunlich gut“, sagt Klaus Bungter, geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstands. Nach einem Jahr Bauzeit wurde das Oktogon im Dezember vergangenen Jahres der Öffentlichkeit präsentiert: in frischen Farben, die dunklen Kirchenbänke sind hell gebeizt, und über der Gemeinde hängt ein schlichter Kronleuchter, der an die Dornenkrone erinnert. Ein Bild, das selbst die letzten Kritiker überzeugte. „Spätestens nach Weihnachten war klar, dass die Kirche auch ohne den vorderen Teil als sakraler Raum funktioniert“, sagt Thomas Müting, Stellvertreter des geschäftsführenden Vorsitzenden des Kirchenvorstands.

 

Mit Glaswänden wird ein Übergang vom Quartiersraum zum Sakralraum gebildet

Das Langschiff wird in Abstimmung mit der Kommune zu einem multifunktionalen Quartierszentrum umgebaut. „Das Pfarrbüro zieht in die Marienkapelle“, erklärt Hintzen. Die Kapelle wird auf die andere Seite verlegt. Zum sakralen Teil des Kirchengebäudes wird das Quartierszentrum mit einer Glaswand und einem Raum abgetrennt, der wie ein Übergang wirkt. „Man wird dann von einer Balustrade im Turm bis auf den Altar schauen können“, freut sich Hintzen. Auch im Außenbereich öffnet sich die Kirchengemeinde mehr in den Stadtteil. Der alte Pfarrgarten wurde gerodet, ein Teil der Fläche dient nun als öffentliche Parkanlage. So wird eine Verbindung zum Mürriger Platz geschaffen, auf dem Wochenmarkt und Feste stattfinden. Für die Gemeinde bleibt ein abgetrennter Teil des Pfarrgartens erhalten. Das alte Pfarrhaus wird zum Jugendzentrum umgebaut. Mit einem neuen zweigeschossigen Gebäude wird der Platz am Kopfende eingefasst. Hier soll ein Kindergarten einziehen. Auf diese Weise werden junge Familien das Zentrum des Stadtteils beleben. Durch Geschäfte und ein Eiscafé rund um den Platz wird mit dieser Gestaltung auch die Kirche wieder mehr ins Zentrum des Geschehens gerückt. Bis alles wie geplant fertiggestellt ist, werden wohl noch zwei bis drei Jahre ins Land gehen. Der größte und vermutlich schwierigste Teil aber ist geschafft. Das will die Gemeinde feiern. Ende Mai soll der Garten fertig angelegt sein, dann lädt die Gemeinde alle Bürger ein, beim Pfarrfest das neue Quartiersbüro in der Kirche und das neu gestaltete Oktogon zu besuchen. Wenn am 26. Mai die Reden über das gelungene Projekt gehalten werden, freuen sich Kirchenvorstand, Förderverein und Pfarreirat besonders. „Zeitweise war die Belastung schon groß“, sagt Bernd Hintzen. „Der Druck ist jetzt ein bisschen von uns gewichen.“