Kinder stärken und schützen

Die Aachener Pfarrei St. Donatus geht mit ihrer Präventionsarbeit direkt in die Grundschulen und Kitas

Wer sich seiner Gefühle bewusst ist, spürt, wenn etwas nicht stimmt und kann sich Hilfe holen. (c) Andrea Thomas
Wer sich seiner Gefühle bewusst ist, spürt, wenn etwas nicht stimmt und kann sich Hilfe holen.
Datum:
25. Sep. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2019 | Andrea Thomas

 Kinder lieben Geheimnisse – und ein Geheimnis verrät man nicht. Das machen sich Täter, die Kinder missbrauchen, zunutze und setzen sie so unter Druck. Eine Taktik, die nicht mehr aufgeht, wenn Kinder gelernt haben, dass es gute und schlechte Gefühle, Berührungen und Geheimnisse gibt und dass sie schlechte Geheimnisse verraten dürfen, ja sogar müssen. Prävention heißt daher, nicht nur Erwachsene zu sensibilisieren, sondern vor allem Kinder stark zu machen.

Andrea Liebmann-Krott ist begeistert von der Kreativität, mit der die „Echte Schätze“-Kiste entwickelt wurde. (c) Andrea Thomas
Andrea Liebmann-Krott ist begeistert von der Kreativität, mit der die „Echte Schätze“-Kiste entwickelt wurde.

Da setzt auch die Pfarrei St. Donatus im Aachener Stadtteil Brand an. Nachdem sie sich bislang in ihrer Präventionsarbeit vor allem an Personen gerichtet hat, die in der Pfarrei Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, geht man hier nun einen Schritt weiter und wendet sich direkt an die Kinder. Dazu hat die Pfarrei aus Eigenmitteln und Spenden den Mitmach-Parcours „Echt klasse“ für Grundschulen sowie die „Echte Schätze“-Kiste für den Kindertagesstätten (Kita)-Bereich angeschafft. Beide wurden vom Petze-Institut in Kiel entwickelt, das sich seit vielen Jahren mit Prävention vor sexueller Gewalt an Kindern beschäftigt und damit, wie man Kinder stark macht, damit sie nicht so leicht zu Opfern werden. Die hier entwickelten Projekte und Mitmach-Ausstellungen setzen sich auf kind- und altersgerechte Weise mit den Themen auseinander.

Ursula Schele

Prävention ist für uns bei Petze eine Erziehungshaltung.

 

„Es geht darum, Kinder selbst zu stärken, ihnen Orientierung zu geben über ,gute‘ und ,schlechte‘ Gefühle, Berührungen und Geheimnisse. Und sie sollen lernen, sich Hilfe zu holen, wenn sie den Eindruck haben, dass bei den genannten Punkten etwas nicht stimmt“, fasst Michael Schürmann, Gemeindereferent und Präventionsbeauftragter an St. Donatus zusammen. Pfarrer Ralf Freyaldenhoven ergänzt: „Kinder, Jugendliche und Familien sind ein nicht wegzudenkender Teil unserer Gemeinden.“ Dafür täten sie bereits vieles. Die Arbeit mit dem Parcours sei ein weiterer Baustein in diesem pastoralen Bemühen, das nicht auf die Kinder, die eine katholische Einrichtung besuchen, beschränkt bleiben, sondern alle Kinder im Stadtteil (und darüber hinaus) einbeziehen soll. Das gelinge besonders gut über die Kindertagesstätten und Grundschulen, wie Michael Schürmann ausführt. Zum einen, weil sich über die Grundschulen nahezu flächendeckend alle Kinder erreichen ließen, zum anderen, weil sexuelle Gewalt gegen Kinder häufig schon in diesem Alter beginne und quer durch alle gesellschaftlichen Schichten gehe.

Kinder dagegen besser zu schützen, sei Anliegen und Auftrag gerade auch von Kirche. „Wir ziehen aus dem, was schlimm und falsch war, Konsequenzen. (…) Durch die vielen Initiativen und Schulungen entsteht eine Atmosphäre der Achtsamkeit und eines anderen Umgangs miteinander, auch in der Gesellschaft. Wir sind Teil der Kirche und nehmen unsere strukturelle Verantwortung für das, was geschehen ist, ernst. Vielleicht gelingt es so auch, dass unsere Kirche in diesem Kontext positiv ein Zeichen setzt“, erklärte Pfarrer Freyaldenhoven bereits zu Beginn des Jahres in einem Interview mit der KiZ. Wofür die Pfarrei auch Unterstützung und Rückendeckung des Bistums erhält. Weihbischof Johannes Bündgens ist Schirmherr des Mitmach-Parcours für die Grundschulen und betonte bei dessen Einweihung, wie sehr den Verantwortlichen und auch ihm persönlich dieses Thema am Herzen liegt. Die Initiative, Kindern unmittelbar Prävention anzubieten, sei vorbildlich und wegweisend und er wünschte sich, dass viele Kinder mit dem Projekt erreicht werden.

 

„Echte Schätze“-Kiste für die Kitas

In Andrea Liebmann-Krott hat die „Echte Schätze“-Kiste des Petze-Instituts (der Name ist übrigens Programm, soll er doch signalisieren, dass „petzen“ in bestimmten Fällen gut und richtig ist) schon einen echten Fan gefunden. Die Verbundleiterin der katholischen Kindertagesstätten in Trägerschaft von Profutura in der GdG Aachen-Forst-Brand ist begeistert vom Ansatz, der damit verfolgt wird. Toll seien auch Qualität und Kreativität, mit der der Inhalt dieser Schatz-Kiste entwickelt wurde. Da gibt es zum Beispiel eine kleine Katze als Handpuppe, mit der es den Kindern leichter fällt, über Dinge zu reden, oder bunte Bilder-Karten, die helfen sollen, zu benennen, was ein gutes und was ein schlechtes Geheimnis ist. Auf einer Tafel, auf der ein Kind abgebildet ist, können schon die Kleinsten mit roten und grünen Magneten zeigen, wo sie es mögen, berührt zu werden, und wo nicht. Darauf Rücksicht zu nehmen, sei wichtig, betont Andrea Liebmann-Krott, um Kindern von klein auf zu vermitteln: Ich bin wer und darf sagen, wenn ich etwas nicht mag oder mich damit nicht wohl fühle. So lernten Kinder, insgesamt anders miteinander umzugehen.

Das Thema ist nicht neu für die erfahrene Erzieherin. Es sei auch nicht mehr geworden, nur lauter und stärker ins Bewusstsein von Eltern und Öffentlichkeit gerückt. „Jede unserer Kitas hat ein sexualpädagogisches Konzept, in dem die Teams festlegen, was sie zulassen und was nicht.“ Auch für den Umgang mit ihren Wickelkindern gebe es ein eigens erarbeitetes Konzept. Das Projekt „Echte Schätze“ nicht nur über Impulse für die tägliche Arbeit sondern auch mit Fachbüchern und Materialien, um die Eltern einzubinden. Ein Elternabend zum Thema „sexueller Missbrauch“ und „Prävention“ gehört ebenfalls dazu. So würden auch die Erwachsenen – Erzieherinnen wie Eltern – angeregt, noch einmal zu hinterfragen: Wie höre ich hin und wie kann ich ein Kind schützen? Damit möglichst viele Kinder davon profitieren, hat die Pfarrei nicht nur eine Kiste für die katholischen Kitas in der GdG, sondern auch eine für alle anderen Kitas im Sozialraum angeschafft. Und auch Profutura will das Projekt aufgreifen und plant die Anschaffung solcher Kisten für alle ihre Einrichtungen.

 

„Echt klasse“-Mitmach-Parcours

Kinder stark machen, das ist auch das Ziel des Parcours für die Grundschulen. „Er orientiert sich an den Präventionsprinzipien und greift die Täter-Opfer-Dynamik an, um unwirksam zu machen“, erklärt Michael Schürmann. „Wenn Kinder gestärkt sind und wissen: ,Soweit darf jemand mit mir gehen.‘ und sich selbst Hilfe holen, dann sind sie weniger gefährdet“, bestätigt auch Doro Zwingmann. Sie ist Schulleiterin der Karl-Kuck-Schule in Brand, die den Präventions-Parcours nach seiner offiziellen Vorstellung als erste genutzt hat. Zwei Wochen lang haben die Kinder quer durch alle Klassen mit den verschiedenen Spielstationen gearbeitet. Die sind alle interaktiv gestaltet, sodass sich die Kinder die Inhalte einzeln oder zu mehreren durch Ausprobieren selbst erarbeiten können.

An den Stationen geht es um den eigenen Körper, um gute und schlechte Gefühle, Geheimnisse, Berührungen, darum, Nein zu sagen und sich selbst Hilfe zu holen. Positiv finden Doro Zwingmann und ihr Kollegium, dass alle Klassen, selbst die Erstklässler, mit dem Parcours oder Elementen daraus arbeiten können, so wie es für sie gerade passt. „Das Interesse war groß. Die Kinder sind sehr ruhig und konzentriert dabei und haben danach viele Fragen“, beschreibt Konrektorin Claudia Klein die Erfahrungen mit ihrer dritten Klasse. Sie hat den Parcours mit Mädchen und Jungen getrennt gemacht. Das habe es gerade bei den Stationen zum eigenen Körper und zu Gefühlen einfacher für die meisten Kinder gemacht. Sie hat „Echt klasse“ außerdem in den Unterricht eingebunden.

Die Stärke des Projektes sei, dass es direkt bei den Kindern ansetze, erklärt Doro Zwingmann. „Nur die Erwachsenen zu schulen, hat nicht ausgereicht.“ Die bleiben auch hier nicht außen vor, sind über Elternabende eingebunden und haben außerdem die Möglichkeit, den Parcours mit ihren Kindern gemeinsam zu machen. Auch hier ist das Interesse groß. Und dass eine solche Initiative gerade auch von Kirche kommt, bewerten alle Beteiligten als ein wichtiges Signal.

Infos unter: www.echt-klasse.st-donatus.de. Vom 2. bis 30. Oktober ist die Ausstellung „Echt klasse“ im Katechetischen Institut Aachen, Eupener Str. 132 zugänglich.