Kein Verzicht, sondern eine Investition

Als 26-Jährige tritt Schwester Josua Maria in den Dürener Karmel ein. Platz für das Wesentliche geschaffen.

Der Weg ins Kloster war für Schwester Josua  Maria eine bewusste  Entscheidung für Gott. (c) Stephan Johnen
Der Weg ins Kloster war für Schwester Josua Maria eine bewusste Entscheidung für Gott.
Datum:
20. Feb. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 08/2024 | Stephan Johnen

Hätte Schwester Josua Maria (Bubenikova) einen Instagram-Account, könnte Sie mit Tipps für einen minimalistischen Lebensstil groß herauskommen. Montags gäbe es ein Tutorial für den strukturierten Tagesablauf, mittwochs würde aus wenigen Zutaten frisch und gesund gekocht, freitags böte sie Digital-Detox an, wo sie all jenen erklärt, die über das Mobiltelefon zuschauen, wieso sie auf selbiges lieber verzichtet sollten.

In der Welt des Überflusses scheint der Minimalismus als Lebensstil aktuell hoch im Kurs zu stehen. Die Entscheidung, bewusst auf Materielles zu verzichten, um Platz für das Wesentliche zu schaffen, hat  Schwester Josua Maria aber bereits als 26-Jährige für sich getroffen. Vor 30 Jahren öffneten sich für sie die Türen des Dürener Karmel.

1994 verließ die studierte Agrarwissenschaftlerin ihre tschechische Heimat ins Unbekannte, um wie alle anderen Schwestern in Düren als Mitglieder des Ordens der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel einer kontemplativen Berufung zu folgen. Von einem Verzicht jedoch möchte sie nicht sprechen. „Ein Verzicht ist wie bewusstes Fasten – dann gebe ich etwas auf, was für mich im Grunde unentbehrlich ist“, sagt sie.

 

In der Verborgenheit des Karmel wechseln Einsamkeit und Gemeinschaft, Gebet und Arbeit sowie Zeiten der Erholung einander ab. (c) Stephan Johnen
In der Verborgenheit des Karmel wechseln Einsamkeit und Gemeinschaft, Gebet und Arbeit sowie Zeiten der Erholung einander ab.

Sie habe aber mit dem Entschluss, sich der Ordensgemeinschaft anzuschließen, nicht auf Konsum oder Urlaubsreisen verzichtet, weil ihr dies ohnehin nicht viel bedeutet hat. Sie habe sich stattdessen bewusst für ihren Glauben entschieden und das Geschenk erhalten, in einer Gemeinschaft sein zu können, in der jeder tut, was er gerne macht. „Mir fehlt nichts“, betont Schwester Josua Maria. „Wenn ich irgendwo auf einer Hütte in der Hohen Tatra meine Schafherde begleiten soll, kann ich auch nicht jeden Tag ins Kino gehen. Wenn ich als Forscher monatelang im Labor hocke, dann verzichte ich für die Wissenschaft auch auf sehr vieles“, sagt sie.

Geboren wurde sie 1968 in Brünn. Da war der Prager Frühling noch im Gange. „Als ich ein paar Monate alt war, rollten russische Panzer durch die Städte“, berichtet sie vom Aufwachsen als jüngstes Kind in einer katholischen Familie. Die meisten Ordensgemeinschaften waren damals auf staatlichen Druck aufgelöst, Kirchengemeinden durften zwar existieren, aber vor allem die Priester wurden überwacht. „Die Vorstellung, dass ich in einen Orden eintrete, war bis 1989 keine Option“, blickt sie zurück. Dennoch traf sie eine „bewusste Entscheidung“ für ihren Glauben. „Ein Priester hat mich einmal gefragt, warum ich an Gott glaube“, berichtet sie. „Da habe ich mich mit meinem Glauben auseinandergesetzt und gemerkt: Ich will in den Gottesdienst. Da ist jemand, der sich auf mich freut, der mir Kraft und Licht gibt.“ Der Weg ins Kloster sei nicht vorgezeichnet, letztlich aber Fügung gewesen.

 

Über das „Westfernsehen“ über die Errungenschaften der Konsumgüterindustrie bestens informiert, reifte jedoch nicht das Verlangen nach all diesen Produkten in der jungen Frau, sondern vielmehr der Gedanke, dass es die Christen im Westen schwerer haben, sich bewusst für Gott zu entscheiden. „Wenn es so viele Möglichkeiten gibt, etwas zu machen, dann kann das Vertrauen auf Gott und das wirklich kernige Glaubensleben flöten gehen“, sagt Schwester Josua Maria, die weiß: Kein Mensch hat wirklich Bedarf für gewisse Produkte oder einen Lebenswandel, nur weil es täglich suggeriert wird.

„Wir leben in einem System, das Konsumenten braucht“, analysiert sie: „Sobald wir irgendetwas anderes sehen, meinen wir, dem anderen geht es besser. Dann wollen wir auch genau dieses Produkt haben. Das Gefühl, zu kurz zu kommen, was dann zu Neid und Angst führen kann, kommt aus dem direkten Vergleich mit anderen Menschen.“ Wer es nicht schafft, diesen Kreislauf zu durchbrechen, laufe Gefahr, viele Fähigkeiten zu verlieren, die uns ausmachen. „Es gibt immer mehr Menschen, die sagen, diesen Konsum-Zirkus mache ich nicht mehr mit“, empfiehlt Schwester Josua Maria, die gewonnenen Ressourcen beispielsweise in die Pflege und in den Ausbau positiver Eigenschaften zu investieren: Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gelassenheit und Achtsamkeit, die auch den Mitmenschen zugute kommt, könne es nicht im Überfluss geben.

Wie gesagt: Die bewusste Entscheidung für Gott sei keine leichte. Auch das Leben in der klösterlichen Gemeinschaft hat seine Herausforderungen. Schwester Josua Maria: „Die Gemeinschaft macht das Leben schön, aber die Gemeinschaft verlangt auch etwas von jedem Einzelnen.“ Augenblicke des Zweifels kann es nicht nur geben, es muss sie geben, findet Schwester Josua Maria. „Dann hängt es von mir ab, ob ich mir vergegenwärtige, was ich wirklich brauche und ob ich es hier finde.“ Nach 30 Jahren im Orden weiß sie, dass einen eine Investition in die Gemeinschaft sehr reich macht – und dass man umso mehr sehen und hören kann, wenn man sich auf die Stille einlässt. „In der Stille kann man viel klarer sehen, sowie es auf einer spiegelglatten Wasseroberfläche keine Verzerrungen gibt“, erklärt Schwester Josua Maria. Befreit von allen Ablenkungen richtet sich der Fokus auf die Kernthemen. „Wenn wir an einen Gott glauben, der uns wirklich liebt und sich für uns das Beste ausgedacht hat, findet man immer Grüße von ihm im Alltag“, empfiehlt Schwester Josua Maria, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, um die kleinen Schönheiten im Alltag zu entdecken.