Kein Ort für Einsamkeit

Tagespflegen sind ein guter Ort für Senioren, um Gemeinschaft zu pflegen

Kegeln als bewegende Freizeitbeschäftigung. (c) Arne Schenk
Kegeln als bewegende Freizeitbeschäftigung.
Datum:
30. März 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2021 | Björn Honings

In geselliger Runde werden in dem alten Patrizierhaus an der Mahrstraße 67 in Linnich auf einer selbst gebauten Bahn Kegel aufgestellt, und die Frühlingsluft strömt durch die geöffneten Fenster und Türen herein. Auch wenn Motivation und Ehrgeiz bei den gemeinsamen Spielen nicht bei allen gleich sind, freuen sich doch alle über das Beisammensein in der St.-Gereon-Tagespflege. 

„Man hört immer viel über die Vereinsamung der älteren Menschen“, berichtet Manuela Gabrecht, Leiterin des St.-Gereon-Pflegestützpunktes Hückelhoven-Ratheim, im Gespräch. Doch gebe es dafür eigentlich keinen Grund, da die Tagespflegeeinrichtungen ihre Türen schon seit Langem wieder geöffnet hätten. Die Möglichkeit, unter Menschen zu kommen und soziale Kontakte zu pflegen, bestehe also für Senioren durchaus. Und das vor allem mit großem gesundheitlichem Sicherheitsaufwand. Natürlich würden sämt-
liche Corona Schutzregeln eingehalten, betont auch Kerstin Palm, Altenpflegerin der Einrichtung in Linnich. „Ein sicheres Miteinander ist durchaus möglich.“

Die Linnicher Einrichtung zeichnet sich durch einen großen hellen Raum aus, in dem die Anwesenden weiträumig an Tischen verteilt sitzen und die entspannte Geselligkeit genießen können, ohne sich einem großen pandemischen Risiko auszusetzen. Und um eben dies weiter zu verringern, werden sämtliche Gäste bei der Ankunft getestet und alle Oberflächen regelmäßig desinfiziert. Sie komme zwei Mal in der Woche, berichtet Seniorin Margarete Kraft, da sie ansonsten alleine zu Hause sei. Sie habe auch schon Teile ihres Freundeskreises motiviert, sie zu begleiten, um sich dort gemeinsam des Miteinanders zu erfreuen.

Die Hygienevorschriften störten sie nicht wirklich, denn es sei nun einmal wichtig, diese zu befolgen. Testen lasse sie sich nicht im Rachen, sondern in der Nase, denn so unangenehm sei das ja nicht. Ein besonderes Highlight dagegen, und da ist sie sich mit vielen anderen einig, sei das Bingospielen.

Das Angebot richte sich stets nach den Gästen und deren Wünschen, erklärt Kerstin Palm. Natürlich gebe es Konstanten wie etwa das gemeinsame Frühstück und Mittagessen, aber für die restliche Zeit sei jedem freigestellt, woran er oder sie sich beteilige. So hält beispielsweise eine mit Hilfe von umgelegten Hockern und einem grünen Stück Stoff gebaute Kegelbahn Einzug. Viele der Anwohner sind begeistert dabei, und auch der Ehrgeiz erlischt mit dem Alter ganz offensichtlich nicht. „Der Fuß steht auf der Linie!“, ertönt es zwischendurch lautstark. Nach der Siegerehrung gibt es dann einen „Kurzen“, zumindest für alle, die einen möchten. Eierlikör für die meisten, aber natürlich gibt es auch Alternativen für die, deren Geschmacksnerven sich damit nicht anfreunden können. Geduldig warten alle, bis auch das letzte Glas vom Tablett ausgeteilt wurde. Es folgt ein Trinkspruch und dann: „Prost!“


Senioren genießen Restaurant-Service

Beim gemeinsamen Essen sei man der Hygiene wegen von dem „Schüsselprinzip“, wie es die Pflegerin nennt, abgewichen. Zuvor habe man an einem großen Tisch gesessen und sich gegenseitig etwa die Butter, Kartoffeln oder den Kaffee herumgereicht. Da nun aber nur noch zwei Menschen an einem Tisch gemeinsam essen dürfen, sei man dazu übergegangen, die fertigen Gerichte „wie in einem gut geführten Restaurant“ zu servieren. Die Gäste fänden das allem Anschein nach besser, weswegen man überlege, dieses System beizubehalten. Manche sagten schlicht, sie hätten ihr Leben lang bereits nicht gerne Kartoffeln gepellt, sagt Manuela Gabrecht. Und jetzt täten sie es natürlich noch weniger gern.

Die angebotenen Aktivitäten sind vielseitig und darauf ausgelegt, die Seniorinnen und Senioren körperlich und mental zu fordern und aktiv zu halten. Vom gemeinsamen Kochen und Backen über die klassischen Gesellschaftsspiele bis hin zum Gedächtnistraining ist fast alles im möglichen Programm vertreten. Ebenso Kreatives wie das Basteln von beispielsweise Weihnachtsschmuck. Sie komme bereits seit vier Jahren zwei Mal in der Woche, erklärt die 86-jährige Chrissel Pechen. In ihrem eigenen Zuhause sei sie genauso immer noch aktiv und koche etwa noch jeden Tag selber. Allerdings sei das im Rollstuhl natürlich nicht so einfach. Die Regelung mit der Tagespflege dafür allerdings wohl. Sie werde jedes Mal mit dem Taxi eingesammelt, getestet und wieder nach Hause gefahren.

Die Einfachheit unterstreichen auch Manuela Gabrecht und Kerstin Palm. Es müsse keine vertragliche Bindung eingegangen werden. Man könne jederzeit kurzfristig das Verhältnis wieder auflösen. Ebenso könne man bis zu drei kostenlose Schnuppertage in Anspruch nehmen, bevor man sich dazu entscheide, regelmäßiger zu kommen. Es sei eben auch eine Entlastung für die Angehörigen, erklärt Manuela Gabrecht. Das habe auch nichts mit „Abschiebung“ oder „Loswerden“ zu tun. Pflege sei einfach ein 24-Stunden-Job, und so könnten Angehörige diese Tage der Woche nutzen, um sich zu erholen oder einfach Zeit für sich zu finden. Außerdem fielen je nach Pflegegrad „so gut wie keine Kosten“ an, sagt Kerstin Palm. Die Freude, die hier gefunden wird, gebe ebenso, etwas Neues zu erzählen.