Kein Genuss ohne Verzicht

Die Gemeinschaft der Töchter des heiligen Kamillus in Düren fasten im Advent – und kochen Heiligabend genussvoll Gerichte aus ihrer Heimat

In der Küche der Dürener Kamillianerinnen werden Heiligabend Gerichte aus Indien gekocht und in Gemeinschaft gegessen. (c) Stephan Johnen
In der Küche der Dürener Kamillianerinnen werden Heiligabend Gerichte aus Indien gekocht und in Gemeinschaft gegessen.
Datum:
14. Dez. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 50/2023 | Stephan Johnen

Kein Zimtstern, kein Vanillekipferl, kein Lebkuchen, kein Plätzchen und kein einziges Stück Stollen: Die in Düren lebenden Töchter des heiligen Kamillus (Kamillianerinnen) verbringen die Adventszeit so, wie sie es aus ihrer indischen Heimat gewohnt sind: fastend. 

Umgeben von allen süßen Verlockungen der Vorweihnachtszeit sind sie zwar mittendrin, wenn sie mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wohn- und Pflegeeinrichtung Haus St. Anna beispielsweise Plätzchen backen, doch selbst verzichten sie, vom Backwerk zu naschen. „Genießen kann man nur, wenn man vorher verzichtet hat“, formuliert es Schwester Sofia, die als Seelsorgerin in Haus St. Anna arbeitet, während ihre vier Mitschwestern in der Altenpflege tätig sind. Und verzichten heißt nicht, keine Vorfreude auf das gemeinsame Essen an Heiligabend zu empfinden. Ganz im Gegenteil sogar.

Für die Schwestern ist es Tradition, vor jedem großen kirchlichen Feiertag zu fasten. Während in ihrer Heimat Indien dann vor allem Fleisch von der Speisekarte gestrichen wird, fällt dies in einer deutschen Senioreneinrichtung eher schwer, scherzt Schwester Sofia: „Vier Wochen lang nur Kartoffeln auf dem Teller zu haben geht auch nicht, darauf ist die Küche ja nicht eingestellt.“ Also verzichten die Kamillianerinnen Sofia, Regina, Marietta, Alfonsa und Lansy auf Süßigkeiten und Schokolade, und sind nicht wählerisch bei Tisch.

Auch ein Weihnachtsbaum gehört dazu: geschmückt wird das Immergrün aber erst kurz vor dem Fest. (c) Stephan Johnen
Auch ein Weihnachtsbaum gehört dazu: geschmückt wird das Immergrün aber erst kurz vor dem Fest.

Süße Geschenke, die die Schwestern während der Adventszeit erhalten, werden gesammelt und kommen am Heiligen Abend auf den Gabentisch. Traditionell endet die Fastenzeit dann nach der Christmette mit einem warmen Frühstück, zu dem in Indien am Morgen des 25. Dezember die ganze Familie zusammenkommt. Nach der Christmette wird ein Geburtstagskuchen angeschnitten und jeder Kirchenbesucher bekommt ein Stück– nicht zum Sattessen, sondern als Symbol für die Geburt Christi.

„In Deutschland ist die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern noch sehr präsent“, sagt Schwester Sofia. Von Bewohnerinnen und Bewohnern weiß sie, dass auch vor Weihnachten in Deutschland früher gefastet wurde. „Eltern haben zwar Plätzchen gebacken, diese aber versteckt, damit die Kinder nicht rankommen. Umso mehr haben sich die Kinder gefreut, am Weihnachtstag einen Teller zu bekommen“, sagt sie. Wer immer satt ist, freue sich nicht, ist die Seelsorgerin überzeugt, dass es allen Menschen gut tue, ganz bewusst Verzicht zu üben, um inmitten des schnellen Konsums wieder den Genuss zu entdecken. Schwester Sofia: „Heute können wir uns ganz oft alles leisten, deshalb brauchen wir nicht zu verzichten.“

Die eigenen Traditionen haben die Schwestern übrigens an die Gepflogenheiten ihres Gastlandes angepasst. In den christlichen Familien des Subkontinents beispielsweise ist weder der Heilige Abend als Festtag bekannt, noch der Nikolaus und die damit verbundene Tradition der Geschenke. Heiligabend wird zuerst mit den Bewohnern des Hauses St. Anna gefeiert, dann in der Klausur. Nach der Weihnachtsmesse, die um 10 Uhr morgens gefeiert wird, nehmen die Schwestern am festlichen Essen für die Bewohnerinnen und Bewohner teil. Danach, wenn Stollen und Gebäck auf dem Tisch stehen, wird auch zugegriffen. „Ich finde diesen Aspekt an Weihnachten besonders schön: Dass alle zusammensitzen und Zeit füreinander haben“, sagt Schwester Sofia.

Am Nachmittag gehen die Schwestern mit der Leitung des Hauses auf alle Etagen, um allen persönlich „Frohe Weihnachten!“ zu wünschen,  Weihnachtslieder zu singen und an der Bescherung teilzunehmen. Um 18 Uhr besuchen die Kamillianerinnen den Weihnachtsgottesdienst in der Annakirche. Danach kommen zum gemeinsamen Essen die indischen Gerichte auf den Tisch. Beendet sonst um 21 Uhr die Komplet den Tag, wird Heiligabend vor dem letzten Gebet des Tages durchaus auch länger zusammen im Wohnzimmer gesessen, erzählt und gesungen. „Wir schenken uns auch etwas. Keine großen Sachen, aber Dinge, die den anderen erfreuen“, berichtet Schwester Sofia. Ihr selbst ist eine Sache ganz wichtig in der Adventszeit. „Ich versuche, achtsamer zu sein, dem Gegenüber mit noch mehr Geduld und Respekt zu begegnen“, sagt sie. Zu oft würden unter Zeitnot oder in Stresssituationen Sachen gesagt, die weder gerecht noch angebracht seien. Sich selbst zurückzunehmen – auch diese Form des Verzichts will gelernt sein.

Das kommt auf den Tisch

(c) Stephan Johnen

Wie schmeckt der Heiligabend bei den Kamillianerinnen in Düren? Zum Einsatz kommt für das Gericht mit Hähnchenfleisch eine „Chicken Masala“ genannte Gewürzmischung, die aus Chillipulver, Koriander und Kurkuma Pulver besteht und mit ihrer leicht scharf-würzigen Note der indischen Bedeutung „wärmendes Gewürz“ mehr als gerecht wird. Während die Schwestern die Gewürze selbst rösten und mahlen und so eine ganz individuelle Mischung herstellen, kann aber auch zur „Abkürzung“ auf eine fertige Gewürzmischung aus dem Asia-Laden zurückgegriffen werden.

Das Rezept von Schwester Sofia kommt ohne Mengenangaben aus, experimentieren und immer wieder abschmecken gehören also dazu: Das Hähnchen (ohne Haut) wird kleingeschnitten. In einer Pfanne Öl erhitzen und in Scheiben geschnittene Zwiebeln kräftig anbraten, dann gut zwei Esslöffel Gewürzmischung, noch Ingwer und Knoblauch(fein gehackt) zufügen. Die Hähnchenfleisch-Stücke hinzugeben und kurz anbraten, etwas heißes Wasser und Salz dazu geben. Alles rund eine Dreiviertelstunde lang kochen lassen. Die Konsistenz der Sauce sollte äußerst sämig sein, je nach Bedarf ruhig noch einmal etwas nachwürzen. Serviert wird das Gericht mit Reis.