Junge Leute gesucht

Auch die Kirche überaltert. Doch wie findet man Jugendliche und junge Erwachsene, die sich engagieren?

Junge Menschen engagieren sich, wenn sie einen Sinn darin sehen und merken, dass sie etwas verändern können. Wie hier bei der 72-Stunden-Aktion 2019. (c) Garnet Manecke
Junge Menschen engagieren sich, wenn sie einen Sinn darin sehen und merken, dass sie etwas verändern können. Wie hier bei der 72-Stunden-Aktion 2019.
Datum:
2. Nov. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 44/2023 | Garnet Manecke

Kirche – das klingt vielen angestaubt und alt. In den Kirchenvorständen engagieren sich hauptsächlich Menschen im gesetzten Alter. 30-Jährige gelten hier noch als Nachwuchs. Doch was ist nötig, um Jugendliche und junge Erwachsene für Kirche zu interessieren? Was muss sich verändern? Wie muss man sie ansprechen? Die KirchenZeitung hat die gefragt, um die es geht: junge Menschen.

Im Alter von 21 Jahren wurde Jacques Neuville in den Kirchenvorstand gewählt. (c) privat
Im Alter von 21 Jahren wurde Jacques Neuville in den Kirchenvorstand gewählt.

 

Am einfachsten ist es wohl, wenn man quasi in Kirche aufgewachsen ist. So wie Jacques Neuville. Der 23-Jährige hat seit seiner Kommunion 2009 bei den Ministranten mitgemacht. Neben Altardienst hat er auch an den regelmäßigen Freizeiten teilgenommen. Mit zunehmendem Alter übernahm er in seinem Engagement mehr Verantwortung: Bei der Organisation der Fahrten und der Betreuung der Kinder und Jugendlichen hat er erst geholfen und seit 2016 als Leiter selbst Gruppen betreut. Seit 2021 ist Neuville im Kirchenvorstand von St. Laurentius Odenkirchen aktiv – und damit ein Exot in der Kirchenlandschaft.

„Ich habe den Altersdurchschnitt massiv nach unten gezogen“, sagt Neuville selbst. Aber er hat seine Gründe, sich in Kirche zu engagieren. „Als Kind und auch als Ministrantenleiter hatte ich eine super Zeit“, sagt er. „Ich finde das toll und möchte das auch für andere bewahren.“ Wenn man möchte, dass es kirchliche Angebote weiter gebe, müsse man etwas dafür tun. Inzwischen ist er auch nicht mehr ganz allein in seiner Altersklasse. „Seit August, September gibt es ein Kirchenvorstandsmitglied, das noch jünger ist als ich“, sagt Neuville.

 

Wie in vielen Bereichen sehen sich die jungen Menschen auch in der Kirche vielen Alten gegenüber. Der demografische Wandel ist hier oft noch deutlicher spürbar als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Zumal die Kirche derzeit ein eher schlechtes Image hat. Die steigende Zahl der Kirchenaustritte ist ein Zeichen dafür. „Es ist kein Geheimnis, dass für viele Menschen die Kirche eine Organisation ist, mit der sie nichts anfangen können“, sagt Neuville. „Entweder arbeite ich daran oder ich gebe auf.“ Er hat sich für Ersteres entschieden. Obwohl sich die Sichtweise der Generationen auf die Themen oft deutlich unterscheiden. Neuville sitzt im Kirchenvorstand nicht nur Kollegen im Alter seiner 
Eltern, sondern auch seiner Großeltern gegenüber. Meist sind die Älteren in der Mehrheit.

„Es ist nicht immer einfach, eigene Ideen durchzubringen“, sagt Neuville. Dabei differenziert er: „Wenn es um Liegenschaften geht, halte ich mich bedeckter, weil ich nicht so viel Ahnung habe“, sagt er. „Da gibt es Leute im Kirchenvorstand, die sich schon seit Jahren damit befassen und sich gut auskennen.“ Es gehe oft um Verwaltungsthemen, für die es Vorgaben gebe wie zum Beispiel die Gottesdienstordnung.

Anders sei es im K-Team, dem Leitungsgremium der Pfarrei St. Laurentius Mönchengladbach, zu der auch die Gemeinden Heilig Geist Geistenbeck und 
St. Michael auf der Kamphausener Höhe gehören. Hier stehen weniger Verwaltungsthemen an, die Mitglieder bewegen sich in einem Rahmen, der weniger eingegrenzt ist. „Im K-Team wird nach Konsens entschieden“, sagt Neuville. „Da verheddert man sich auch mal schnell in Diskussionen. Aber man hat die Möglichkeit, seine Position darzustellen und den bestmöglichen Kompromiss zu finden.“

 

Noah Zachowski schreibt seine Bachelorarbeit darüber, wie das Ehrenamt für junge Leute attraktiv wird. (c) Garnet Manecke
Noah Zachowski schreibt seine Bachelorarbeit darüber, wie das Ehrenamt für junge Leute attraktiv wird.

Wenn er die Chancen einschätzt, junge Menschen für das Engagement zu begeistern, unterscheidet Neuville inhaltlich. „Mit der Verwaltungsarbeit im Kirchenvorstand kann nicht jeder etwas anfangen. Der Gemeinderat ist da eher interessant, weil es hier mehr um praktische Dinge geht“, sagt Neuville. „Dafür kann man vermutlich eher junge Leute gewinnen.“ Die Frage ist nur: wie?

Genau damit beschäftigt sich Noah Zachowski in seiner Bachelorarbeit zum Abschluss seines Studiums der Sozialwissenschaft, Politik und Gesellschaft. Der 25-Jährige koordiniert nebenberuflich in Mönchengladbach Projekte der Youngcaritas und überzeugt immer wieder Jugendliche vom ehrenamtlichen Engagement. „Viele junge Leute würden gerne etwas machen, denken aber bei Ehrenamt an altbackene Aufgaben“, ist seine Erfahrung. „Das A und O ist, junge Leute aktiv einzubinden. Aber wenn man sich anhört, was in Kirche immer noch für Ansichten vertreten werden, dann ist das für junge Menschen nicht interessant. Das Hauptproblem ist, dass man nichts ändern will.“

Es sei wichtig, auf junge Leute zuzugehen, ihnen zuzuhören und mehr auf sie zu hören. „Jugendliche müssen das Gefühl haben, selbstwirksam zu sein“, hat Zachowki herausgefunden. Wenn sie sähen, dass sie etwas bewirken könnten, sei das die beste Referenz für Kirche.