Jung, engagiert und kritisch

Marta Kupfer ist ehrenamtlich bei Sant’ Egidio aktiv. Sie ist der Kirche eng verbunden und doch distanziert.

Marta Kupfer studiert in Köln Jura. Derzeit befindet sie sich in der Prüfungsvorbereitung für ihr erstes Staatsexamen. (c) Garnet Manecke
Marta Kupfer studiert in Köln Jura. Derzeit befindet sie sich in der Prüfungsvorbereitung für ihr erstes Staatsexamen.
Datum:
30. Jan. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 05/2025 | Garnet Manecke

Marta Kupfer ist hauptberuflich Studentin, in ihrer Freizeit engagiert sie sich in der Gemeinschaft Sant‘ Egidio. Sie ist eine gläubige Person, die sich der Kirche stark verbunden fühlt.  Aber sie steht der Kirche auch kritisch gegenüber. Vor allem im Umgang mit Frauen sieht die 22-Jährige noch viel Potenzial. Der sei ungerecht, sagt sie. Warum engagiert sie sich trotzdem in der Kirche? 

Wenn man sie fragen würde, was in der Kirche direkt geändert werden sollte, ist die Antwort von Marta Kupfer sehr klar: das Frauenpriestertum einführen, mehr Laien einbeziehen und mit karitativen Angeboten stärker nach draußen gehen.
„Die Gruppe, die sich in klassischen Gottesdiensten zusammenfindet, wird immer kleiner“, sagt sie. „Wenn man mit den karitativen Angeboten rausgeht in die Stadt, dann ist das Potenzial, die Menschen zu erreichen, viel größer.“
Marta Kupfer geht raus zu den Menschen und die Menschen kommen zu ihr. Seit sie in der 11. Klasse war, engagiert sich die Mönchengladbacherin in der Gemeinschaft Sant‘ Egidio. Zuerst in ihrer Heimatstadt; seit sie studiert, arbeitet sie in der Friedensschule der Kölner Gemeinschaft. 

Dort hilft sie Kindern, deren Familien geflüchtet sind oder die aus Familien stammen, die in Armut leben, bei den Hausaufgaben, fährt mit ihnen ins Ferienlager und feiert ihre Geburtstage.
Arbeiten und spielen, Spaß und Ernsthaftigkeit: Für die Kinder ist Kupfer ein fester Bestandteil in ihrem Leben, auf den sie sich verlassen können.
In ihrer Heimatgemeinde St. Josef Hermges in Mönchengladbach war Kupfer früher Messdienerin. Seit ihrer Kindheit hat sie sich also in der Kirche ehrenamtlich engagiert. Trotzdem hat sie sich als Jugendliche dazu entschieden, sich erstmal nicht mehr in der Gemeinde vor Ort aktiv einzubringen.
Als sie im Rahmen der Firmvorbereitung die Mönchengladbacher Gemeinschaft Sant‘ Egidio kennenlernte, hat sie ihre Aufgabe gefunden. „Kirchliche Gemeinschaften sind anders“, sagt sie.
„Mich kostet es wenig Überwindung, in kirchlichen Gemeinschaften mitzumachen. Ich habe das Gefühl, dass man in seinen Eigenarten so angenommen wird, wie man ist, und dazu gehört.“ 

Obwohl sie viel in der katholischen Kirche kritisch sieht, ist Marta Kupfer ihr eng verbunden. Seit der 11. Klasse engagiert sie sich bei der Gemeinschaft Sant´Egidio in der Friedensschule. (c) Garnet Manecke
Obwohl sie viel in der katholischen Kirche kritisch sieht, ist Marta Kupfer ihr eng verbunden. Seit der 11. Klasse engagiert sie sich bei der Gemeinschaft Sant´Egidio in der Friedensschule.

In Sant‘ Egidio sind mehr Frauen engagiert als Männer – das ist in Köln genauso wie in Mönchengladbach. „Da ist es keine Frage des Geschlechts, ob man sich etwas zutraut oder Aufgaben übernehmen kann.“
Es geht darum, seine Fähigkeiten einzubringen. Dass das in der Amtskirche nicht so möglich ist, sieht Kupfer sehr kritisch. Frauen ist der Zugang zu entscheidenden Führungsämtern verwehrt – weil sie Frauen sind.
„Ich fühle mich da schon diskriminiert“, sagt die 22-Jährige. „Politische Entscheidungen kann man als Frau in der Kirche nicht treffen.“
In der Schule habe sie den Religionsunterricht ganz toll gefunden, sagt Kupfer. „Ich hätte mir auch vorstellen können, Pfarrerin zu werden. Aber das war keine Option. Da fühle ich mich schon benachteiligt.“ 

Warum ist das Frauenpriestertum so wichtig? „Es ist eine besondere Position in der Gemeinde“, sagt Kupfer. „Priester haben eine Leitungsfunktion, sie werden bezahlt. Ich finde es ungerecht, dass Frauen sich da nicht einbringen können. Das würde auch ein solidarischeres Klima in die Kirche bringen. Eines, in dem sich Frauen gleichwertig fühlen.“
Den oft vorgebrachten Hinweis, dass in der evangelischen Kirche Frauen Pfarrerinnen sind und die Protestanten dennoch vor denselben Herausforderungen wie die Katholiken stehen, lässt Kupfer nicht gelten. „Bei dem einen geht es um die Struktur in der Kirche, bei dem anderen geht es um die Rolle der Kirche in der Gesellschaft“, sagt die Jura-Studentin.
Auch das Argument der Gleichmacherei zieht bei Kupfer nicht. „Das ist kein Argument gegen Gleichberechtigung, weil diese die Unterschiede zwischen Menschen nicht verdeckt. Im Gegenteil.“, argumentiert sie. „Geichberechtigung bedeutet, dass jede Person in ihrer konkreten, realen Unterschiedlichkeit wahrgenommen und aufgrund ihrer Talente und Bedürfnisse bewertet wird.“ 

Immer, wenn für eine Position in der Kirche Frauen von vornherein nicht in Betracht gezogen werden, mache sich die Kirche der Ungerechtigkeit schuldig.
Marta Kupfer ist 22 Jahre alt. Die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen liegt laut dem Statistischen Bundesamt bei 83 Jahren.
Dass sich in den kommenden 60 Jahren ändert, was in den vergangenen 2000 Jahren gelebte Praxis war, ist unwahrscheinlich. Warum also engagiert sich Kupfer in einer Kirche, in der sie als Frau immer in der zweiten Reihe steht? Warum fühlt sie sich der katholischen Kirche trotzdem verbunden?  Warum konvertiert sie nicht zur evangelischen Kirche?
„Das frage ich mich auch manchmal“, sagt sie. „Ich glaube, meine Verbundenheit liegt daran, dass ich puren Glauben gut finde. Die Themen Klimaschutz, eine gerechte und soziale Gesellschaft, Schwachen zu helfen: Das sind alles Werte, die ich theologisch erklären kann.“
Alle Bereiche, in denen sie sich ehrenamtlich engagiert, haben einen kirchlichen Kontext. „Ich begegne dort vielen Menschen, die ihre Kraft aus dem Glauben ziehen“, sagt sie. Auch ihr gibt ihr Engagement Kraft für den Alltag und ihr Glaube Kraft für ihr Engagement. „Ich würde mich als gläubigen Menschen bezeichnen“, sagt Kupfer – trotz ihrer kritischen Distanz zur Institution. Kupfer weiß um die Ambivalenz. Aber protestantisch zu werden, kam für sie nie infrage. „Dafür war mein Wille, Pfarrerin zu werden, vermutlich doch nicht stark genug“, sagt sie. „Aber ich frage mich schon, wie es sich anfühlt, strukturell die Möglichkeit zu haben.“ 

Auch den kirchlichen Kontext zu verlassen und sich privaten Initiativen anzuschließen, die sich um Bedürftige kümmern, war nie eine Option. „Tatsächlich habe ich mich sozial nie außerhalb der Kirche engagiert.“
Politisch engagiert sie sich in Köln bei den Grünen. „Da sehe ich, dass das schon etwas anderes ist“, sagt sie. Das Gefühl der Gemeinschaft sei nicht dasselbe.
Die Arbeit mit den Kindern bei Sant’ Egidio habe ihren Glauben verändert. Und sie hat in der Familie ihre Mutter und ihren Bruder für ein Engagement interessiert, die sich nun beim samstäglichen Franziskustisch und in der Regenbogenschule in Mönchengladbach einbringen.
Sorge bereitet Kupfer die gesellschaftliche Entwicklung zurück zu mehr Konservatismus, den sie auch in Teilen der Kirche wahrnimmt. „Viele Priester, die frisch aus dem Priesterseminar kommen, sind viel konservativer als die älteren“, beobachtet sie. „In Köln habe ich mal eine  Demonstration von sehr Konservativen gesehen, bei der so viel feindliche und negative Energie war“, sagt sie.
„Da habe ich auch Angst vor.“ Dabei könne Kirche in den gesellschaftlichen Debatten eine wichtige Rolle spielen. „Kirche ist ja immer noch ein wichtiger Akteur“, sagt Kupfer. Deshalb wünscht sie sich von ihrer Kirche, politisch mehr Stellung zu beziehen und Haltung zu zeigen. Gegen Diskriminierung, gegen Unterdrückung und Ungerechtigseit. „Es ist ja eigentlich der Kernbestandteil unseres Glaubens, uns dagegen zu wenden.“
Dazu gehört für sie auch die praktische Unterstützung der Menschen, die in Armut leben, die am Rand der Gesellschaft stehen. „Ich würde mir wünschen, dass Kirche auch auf höheren Ebenen mehr betont, dass das wichtig ist“, sagt sie. Wobei ihr bewusst ist, dass das Engagement in diesem Bereich von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich ist. In manchen Gemeinden gibt es Kleiderkammern, Cafés, Beratungsangebote und Lebensmittelverteilung. In anderen gibt es das alles nicht. „Aber auch hier könnte Kirche doch wirksam werden“, ist sich Kupfer sicher. 

"Warum wird nicht stärker auf karitative Aktivitäten hingewiesen, auch mal gesagt: ,Wir sind da voll stolz drauf’ ?", sagt Marta Kupfer

Für sie führt solch ein nach außen sichtbares Engagement dazu, dass sich Menschen mit Kirche stärker identifizieren können. Womit sie schon beim nächsten Punkt ist: „Warum wird nicht stärker auf diese Aktivitäten hingewiesen und auch mal gesagt: Wir sind auf diese Sachen voll stolz?“, fragt sie sich.
Auch Kirche täte in diesem Zusammenhang etwas Eigenwerbung gut. Zumal es ja auch eine große Tradition katholischen Engagements gibt, das bis in die Gegenwart reicht. Ein Beispiel ist die Arbeit des „Volksverein für das katholische Deutschland“, der von 1890 bis zu seiner Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 bestand.
Es waren katholische Unternehmer, die in ihren Fabriken Sozialreformen ausprobierten. Viele dieser Reformen wie Volksbildung und die Krankenversicherung fanden später Eingang in die Sozialgesetzgebung und wirken bis heute.
Während ihrer Schulzeit ist Kupfer bei den Recherchen für ein Referat darauf gestoßen. „Die Kirche hat großes Potenzial im diakonischen Bereich und mir fehlt die Stimme der Kirche in einem gesellschaftlichen Klima, das spalterisch ist“, sagt Kupfer.
Sie selbst sieht ihr eigenes Engagement nicht politisch, sondern ordnet es im karitativen Bereich ein. Dabei trägt sie mit ihrer Arbeit mit Kindern aus von Armut betroffenen und geflüchteten Familien zum gesellschaftlichen Frieden bei.

LEBENSDATEN

Geboren und aufgewachsen ist Marta Kupfer in Mönchengladbach.
2020 hat sie Abitur gemacht. Nach dem Abitur wollte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Bolivien machen, das wegen der Corona-Pandemie aber abgesagt wurde.
Studium Statt des FSJ begann sie direkt das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Köln.
Engagement Neben ihrem Ehrenamt bei Sant’ Egidio engagiert sich Kupfer auch bei der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk.