Jülich: Venedig des Westens!

„Hausmann“ Jürgen Beckers will mit Komik und Besinnlichkeit den Menschen in Corona-Zeiten Mut machen

Kommt aus dem Bistum Aachen und kann auch nach vielen Jahren als Kabarettist immer wieder herzhaft über die eigenen Witze lachen: Jürgen Beckers, besser bekannt unter dem Namen „Jürgen B. Hausmann“. Sein Humor will Menschen aufrichten, was in der aktuellen Zeit besonders gefragt ist. (c) Pressefoto www.juergen-beckers.de
Kommt aus dem Bistum Aachen und kann auch nach vielen Jahren als Kabarettist immer wieder herzhaft über die eigenen Witze lachen: Jürgen Beckers, besser bekannt unter dem Namen „Jürgen B. Hausmann“. Sein Humor will Menschen aufrichten, was in der aktuellen Zeit besonders gefragt ist.
Datum:
10. Feb. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2021

Jürgen Beckers alias Jürgen B. Hausmann, geboren 1964 in Bardenberg und aufgewachsen in Alsdorf, 15 Jahre Lehrer am Heilig Geist in Würselen, hat sich als Büttenredner im Karneval und durch Auftritte als Kabarettist weit über seine rheinische Heimatregion einen Namen gemacht. Im KiZ-Interview äußert Beckers sich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Karneval und seine eigenen Auftritte.

Als was sehen Sie sich zuallerst: als Karnevalist, Kabarettist, Comedian …

Karnevalist bin ich von Geburt an; das ist eine Passion. Am wenigsten würde ich mich als Comedian bezeichnen; diese Schiene ist nicht meine. Da benutzen viele eine Sprache, die ich nie gebrauchen würde. Umgekehrt bin ich diesen Comedians viel zu sehr Mainstream und zu volkstümlich. Gegen die Bezeichnungen Kabarettist oder Komiker habe ich dagegen nichts; Heinz Erhardt, mit dem ich mich allerdings keinesfalls vergleichen möchte, war zum Beispiel ein großer Komiker.

 

Wie kam es zu dem Künstlernamen „Jürgen B. Hausmann“?

Als ich noch nicht so bekannt war, bestand die Gefahr, dass ich mit dem Kölner Kabarettisten Jürgen Becker verwechselt wurde. Da kam mein Musiker Harald Claßen, der mich seit vielen Jahren begleitet, auf die Idee mit dem „Hausmann“. Er hat diese Figur erfunden, und mir hat das sofort zugesagt. 1999 habe ich zum ersten Mal „Hausmannskost“ präsentiert. Der „Hausmann“ spielt das Leben, wie das Leben so spielt, ob in der Ehe, der Nachbarschaft, auf Reisen, beim Arzt, beim Sport in der Schule oder bei Festen. Der Kernsatz in seinen Programmen lautet: „Jenau wie bei uns! So isset! So war et!“ Ich bin übrigens tatsächlich Hausmann, denn ich koche, putze, wasche und bügele, Letzteres allerdings seltener. 

 

Wie kommt aber ein Lehrer für alte Sprachen darauf, Witze über den rheinischen Dialekt zu seinem Markenzeichen zu machen?

Mir ist schon früh aufgefallen: Wenn man unser Platt mit Hochdeutsch oder gar Latein und Griechisch vergleicht, stellt man fest, wie eigentümlich sie vor allem von der Grammatik oder besser „Jramahtick“ her ist. Denken Sie nur an Beispiele wie „Dat tut et“, „Dat hab ich an dem gesagt“ oder „komm in der Auto“. Ich habe auf Sylt einmal einen Iraner kennengelernt, der in unserer Region lebte und mir erzählte, ihm sei einmal geraten worden, schnell wegzuziehen, weil er sonst die deutsche Sprache nicht mehr richtig lernen würde. 

 

Sie lassen in Ihren Kabarettprogrammen sehr anschaulich eine Welt auferstehen, die wir Älteren vor 30, 40, 50 Jahren erlebt haben und an die wir uns mit Schmunzeln zurückerinnern. Wie reagieren junge Leute darauf?

Sie haben recht: Mit Nierentisch, VW-Käfer, Neuer Deutscher Welle oder den Fernsehserien „Schwarzwaldklinik“ und „Dallas“ geht mein Blick immer mal wieder nostalgisch zurück. Zu meinen Veranstaltungen kommen viele Ältere, aber meine eigene Generation, also Leute in ihren 50ern, ist eher schwach vertreten. 20- bis 30-Jährige finden Sie dort dagegen viel mehr, denn sie erfreuen sich an meinen Witzen und sagen oft: Genauso spricht meine Oma. Mein Hauptanliegen ist es, die Menschen zum Lachen zu bringen, meistens mit Szenen, die ich selbst erlebt habe. Den Alltag persiflieren und reflektieren, das ist genau mein Ding. Manchmal muss ich dann wirklich über meine eigenen Witze lachen.

 

Helfen Sie als ausgebildeter Lehrer in Lockdown-Zeiten Ihren Kindern bei den Hausaufgaben?

Natürlich beschule ich meine Kinder zu Hause. Das Home-Schooling ist bisher auch gut gelaufen, obwohl es in meinem Kabarettprogramm nicht so geschildert wird. Aber es ist eine fremdartige Situation, die eigenen Kinder zu unterrichten, und nicht ganz einfach. Meine elfjährige Tochter Marie ist übrigens begeistert vom Fach Latein, ganz im Gegensatz zu meinem zehnjährigen Sohn Lukas.

 

Kann man über Corona überhaupt Witze machen?

Das ist ein ganz schmaler Grat, aber es geht. Wenn ich zu Beginn meines Corona-Programms mit der Klopapier-Rolle herauskomme, lacht das Publikum schon. Ich nehme zum Beispiel auf die Schippe, dass viele Ehepaare sich im ersten Lockdown auf den Wecker gegangen sind, und parodiere unsere neuen Einkaufs- und Reisegewohnheiten:  Dass man vor allem Toilettenpapier und Nudeln gehortet hat und nicht mehr in die Karibik fliegt, sondern zum Barmener See fährt. Die Hauptverkehrsstraßen, so sage ich voraus, werden demnächst durch Kanäle ersetzt, und Jülich wird dadurch zum Venedig des Westens. Das ist unsere nächste „Italien-Reise“. Mit einer Mischung aus Komik und Besinnlichkeit will ich den Menschen für die Corona-Zeit Mut machen. Gerade in diesen schweren Zeiten tut es gut, einmal herzhaft zu lachen. 

 

Wie viele Ihrer Auftritte sind abgesagt worden? Und welche Auflagen mussten erfüllt werden?

Insgesamt mussten wir allein 2020 fast 100 Auftritte absagen. Bei meinen sommerlichen Open-Air-Auftritten in Alsdorf, Hückelhoven und Eschweiler kamen mir die Vorschriften eher zu lasch vor, weil dort viele Leute an einem Tisch sitzen, essen und trinken durften. Am 3. Oktober dagegen, als die Infektionszahlen wieder stiegen, mussten die Zuschauer Masken tragen, und ich habe jeden einzelnen von ihnen persönlich begrüßt. 

 

Wie sah es bisher im zweiten Lockdown aus?

Am 30. Oktober hatte mein Programm „Von Herbs´bis Neujahr, nix bleibt, wie et war“ in Alsdorf vor 120 Zuschauern Premiere. Das war für mich aufbauend und deprimierend zugleich. Lange hatten wir überlegt, ob ich in der Auftaktszene zur Musik des bayerischen Defiliermarsches einziehen und Witze über ein Oktoberfest ohne Bier reißen sollte. Genauso habe ich es letztlich gemacht und damit genau den Nerv des Publikums getroffen, das gespürt hat, was das bedeuten sollte. Die Stimmung war ein bisschen so wie bei einer Henkersmahlzeit, bei der man noch einmal richtig zuschlägt, bevor es ernst wird; die Premiere war zugleich die bisher letzte Vorstellung, denn alle anderen, die schon geplant waren, sind verschoben worden. 

 

Persönlich gefragt: Wie bewältigen Sie diese Krisen-Zeit, was gibt Ihnen Halt? Ihr Glaube?

Das ist eine ganz traurige Zeit der negativen Nachrichten, aber auch eine Zeit, in der man sich auf das Wesentliche besinnen kann, eine Phase der Entschleunigung. Normalerweise kommt bei mir im November/Dezember alles zusammen: Karneval und Kabarett, Auftritte bei Schulen und Tagungen. Im Januar, Februar und eventuell März, auf dem Höhepunkt der Karnevalssession, komme ich auf bis zu 100 Auftritte in sechs Wochen, sechs bis acht an einem Abend. Jetzt lese ich dagegen viel mehr, unterhalte mich angeregt und lange mit anderen oder stehe einfach da und schaue mir den Himmel an. Ich bin jetzt am liebsten zu Hause und entdecke ganz neue Seiten des Lebens. Was fehlt uns unter Corona? Eigentlich nichts. Mein Glaube hat sich in dieser Zeit verändert und verstärkt. Ich bete mehr und führe dabei ein intensives Zwiegespräch mit Jesus, in dem ich meine Freuden und Sorgen schildere. Jedes Kinderlachen und jede Blume weiß ich jetzt viel mehr zu schätzen als früher. Außerdem habe ich Treffen mit Freunden nachgeholt, die ich jahrelang verschoben hatte. 

 

Werden Sie daraus Lehren ziehen und in Zukunft kürzer treten?

Die Karnevalssession 2021/22 ist mit 80 Auftritten in Aachen, Köln und Düsseldorf schon fest verplant. Hinzu kommt, dass ich Kabarett-Auftritte nachholen muss, die jetzt verschoben worden sind. Aber mein Entschluss steht fest: Nach der Karnevalssession 2021/22 werde ich kürzer treten. Mein Burn-out im Jahr 2015 war ein deutliches Warnsignal.  

Dieses Interview führte Gerd Felder. Es wird zu Ostern als Teil eines Buchs des Eifeler Literaturverlags (Verlagsgruppe Mainz, Aachen) veröffentlicht, mit Zeugnissen von Prominenten und weniger Prominenten zur Corona-Zeit. Der Arbeitstitel lautet: „Ansteckende Menschlichkeit“.