Den Begriff „Landjudentum“ gibt es eigentlich gar nicht, lernt der Leser beim Blick ins Buch. Das Wort wurde von der historischen Forschung der 1980er Jahre für eine besondere Form jüdischen Lebens, das auf dem Land seinen Platz fand, verwendet.
Auch der Begriff „Westfalen“ ist nicht präzise. Denn ein geschlossenes Herrschaftsterritorium dieses Namens gab es nie, erklärt Gisbert Strotdrees und umschreibt dennoch genau die Grenzen des Gebiets, auf das sich seine Publikation bezieht. Diese akribische Genauigkeit durchzieht das gesamte Werk und lässt auf eine unglaublich aufwendige Recherchearbeit schließen. Mit Erstaunen registriert der Leser, dass schon lange, bevor Gleichberechtigung ein Thema wurde, jüdische Kauffrauen erfolgreich Geschäfte führten. Ganze Familien lässt Gisbert Strotdrees in seinem jüngsten Buch lebendig werden – unterstützt von zahlreichen Abbildungen.
Unweigerlich folgt zuletzt die Geschichte des Untergangs der jüdischen Gemeinden. Aber selbst nach Kriegsende fielen Synagogen und jüdische Friedhöfe einer Abrisswelle zum Opfer, am höchsten in Nordrhein-Westfalen und dort in Westfalen – Gedankenlosigkeit, Profitgier, Schlussstrich-Mentalität? Hinweise auf Stätten der Erinnerung sorgen für einen würdigen Schluss der Publikation.
Gisbert Strotdrees: Jüdisches Landleben. Vergessene Welten in Westfalen,
180 S., zahlreiche Abb., geb., Landwirtschaftsverlag, Münster 2024, Preis: 24,– Euro