Die Klimakrise kommt auch bei uns im Bistum Aachen an. Es fällt deutlich weniger Regen, schon im dritten Jahr. Die Temperaturen steigen im Schnitt ständig. Extremwetter häufen sich. Kein Wunder, dass die nachhaltige Entwicklung unseres Gemeinwesens an Gewicht gewinnt. Auch Kirchengemeinden haben Möglichkeiten, skizziert im KiZ-Gespräch Achim Kampker, Aachener Professor und Pionier auf diesem Gebiet.
Kurz und knapp zusammengefasst: Woran arbeiten Sie an Ihrem Lehrstuhl für „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) und Ihrem Netzwerk?
Wie sich unsere Mobilität in den Städten, aber auch im ländlichen Raum weiterentwickeln lässt, ist eine komplexe Frage. Die Tücke liegt einerseits im Detail, und wir räumen einen Stein nach dem anderen aus dem Weg, was die technologischen Aspekte betrifft. Die andere Herausforderung liegt darin, die Dinge miteinander zu verknüpfen. Daran forschen wir ebenfalls und sind bereits mit Pilotprojekten am Start. Denn es hilft wenig, wenn Verbesserungen unverbunden nebeneinanderstehen. Erst in der Vernetzung liegt die Kraft, eine Verkehrswende hinzulegen, die wirklich nachhaltige positive Effekte auf unsere Klimabilanz hat.
Können Sie das etwas näher erläutern?
Wir haben verschiedene Verkehrsmittel, die Menschen von A nach B bringen. Der Weg ist aber häufig etwas komplizierter, er geht von A über B und C nach D. Mit dem Bus zum Bahnhof, mit dem Zug zur Zielstadt, mit dem Leihrad dann zum Ziel, ist so ein Beispiel. Wir wollen nicht nur die Transportmittel elektrifizieren, sondern sie auch zum richtigen Zeitpunkt für den Nutzer zugänglich machen. Von den Anwendern gehen wir aus: Sie müssen komfortabel und ohne große Zeitverluste ans Ziel kommen. Problem bisher: Die Systeme etwa von Verkehrsverbünden, Bahnunternehmen und Verleihern von E-Bikes sprechen zuwenig oder gar nicht miteinander. Wir vom PEM sorgen dafür, dass sie das künftig tun. So ist der Nutzer immer ganz aktuell informiert und kann den Bus, die Bahn, das Rad zum richtigen Zeitpunkt besteigen. Neue Informationstechnologien unterstützen uns dabei, das Tor dazu für den Nutzer ist sein Smartphone. Eine App lotst ihn und hilft ihm, seinen Weg unaufwendig und so, wie er es braucht, zu organisieren.
Das hört sich gut und im Ergebnis einfach an. Welche Barrieren sind auf dem Weg dahin noch wegzuräumen?
Es sind weniger technische Hürden, die zu nehmen sind. Kommunen fühlen sich häufig angesichts von Dutzenden Unternehmen und Organisationen, die in ihren Diensten zu koordinieren sind, überfordert. Es gilt parallel die Infrastruktur für E-Mobilität und neue Parkkonzepte zu entwickeln. Und zugleich kämpfen viele mit dem typisch deutschen Anspruch, erst ein perfektes Konzept entwickeln zu wollen, das alle Eventualitäten und Entwicklungen vorwegnimmt. Wir plädieren hingegen dafür, einfach anzufangen, und helfen bei Analyse, Planung und Umsetzung. Auch beim Beantragen von Fördermitteln helfen wir – es gibt vom Staat reichlich Geld, um eine solche nachhaltige Entwicklung anzustoßen.
Sehen Sie bei Ihrer Vision auch die katholische Kirche als mögliche Partnerin?
In der Tat können alle Kirchengemeinden einen wirklich nennenswerten Beitrag dazu leisten, unsere Städte und Orte ruhiger, sauberer und klimafreundlicher zu machen. Sie haben zum Beispiel häufig Flächen, mitten in der Stadt, in Wohnvierteln, in Geschäftsvierteln, die für diesen Zweck genutzt werden können. Ich denke etwa an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge aller Art und an Mobilitätsstationen der Verleiher von E-Bikes, die dort platziert werden können. Das kann der Annahme dieser neuen Mobilitätsformen einen guten Schub geben, ganz lokal, aber umso wirksamer. Wenn sich in einer Stadt nur drei Kirchengemeinden in dieser Art und Weise engagieren, finanziell unterstützt durch den Staat, betätigen sie sich als Motor für die Verkehrswende.
Warum sollten sie das tun?
Zum einen aus Überzeugung. Mich treibt die Überzeugung an, dass wir Christen dazu berufen sind, die Schöpfung zu bewahren. Als Ingenieur habe ich Chancen, das zu verwirklichen, aber auch Kirchenvorstände haben diese Chance – auf andere Weise. Sie müssen dafür nur neu denken und ihre Ressourcen entsprechend einsetzen. Und ein zweites, neben diesem ideellen Motiv: Die pastoralen Räume werden immer größer und die Kirchengemeinden sollten mithelfen, dass die Menschen auf eine einfache, verlässliche und auch nachhaltige Weise zu den Gotteshäusern und Treffpunkten kommen können. Konventionelle Parkplätze an der Kirche reichen dafür meist nicht aus.
Auch das klingt nach einem durchaus realistischen Vorschlag. Was steht dem nach Ihrer Beobachtung in der Praxis entgegen?
Es ist grundsätzlich ähnlich wie bei den Kommunen. Die Materie ist komplex, die Förderlandschaft ebenso. Die Größe der Aufgabe schreckt ab. Wir vom PEM stehen gerne beratend zur Seite, um ein maßgeschneidertes Paket zu schnüren und auch die Finanzierung zu klären. Es kommt aber noch eine spezifische Mentalität bei manchen Katholiken hinzu, die sich als Barriere erweist. Und zwar scheuen sie die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die gewinnorientiert sind. Sie meinen, an einer guten Sache darf niemand verdienen. Das finde ich ziemlich weltfremd, denn wir brauchen die Partnerschaft mit diesen Firmen, um mit dem nötigen Elan die Dinge voranzutreiben. Mit einer solchen Haltung verspielen wir die Chance, uns mit anderen zusammen um das gemeinsame Haus zu kümmern, wie es uns Papst Franziskus mit seiner Enzyklika Laudato sí aufgetragen hat.
Wie lautet Ihre Einschätzung, wie hoch der Druck ist, sich als Kirche in diesem Feld mit zu engagieren?
Er ist ausgesprochen hoch, im Interesse der heutigen und erst recht der künftigen Generationen. Wir haben 30, eigentlich sogar 50 Jahre verschlafen, etwas gegen die sich abzeichnende Klimakrise zu unternehmen. Jetzt holen uns die Folgen ein. Wenn wir nicht bald handeln, geht unser Planet zugrunde. Gott hat uns die Intelligenz und Kreativität geschenkt, etwas dagegen zu tun. Aber ich denke hier nicht nur global, sondern auch regional. Ganz pragmatisch steht das Rheinische Braunkohlerevier, ein großer Teil unseres Bistums, vor einem bedeutsamen Strukturwandel, der uns alle betrifft. Die Kirche kann und sollte sich hier einbringen auf der Suche nach neuen, nachhaltigen Lebensperspektiven für die Menschen in der Region. Das kann sie umso glaubwürdiger tun, wenn sie mit gutem Beispiel vorangeht, mit Initiativen, die die Energie- und Verkehrswende unterstützen.
Das Gespräch führte Thomas Hohenschue.