Jeder muss seins einbringen

Wie die GdG St. Servatius Selfkant sehr traditionelle spirituelle Angebote und moderne Formate vereint

Pfarrer Roland Bohnen leitet die Gemeinschaft der Gemeinden St. Servatius Selfkant mit acht Kirchengemeinden und einer Kapellengemeinde. (c) Garnet Manecke
Pfarrer Roland Bohnen leitet die Gemeinschaft der Gemeinden St. Servatius Selfkant mit acht Kirchengemeinden und einer Kapellengemeinde.
Datum:
11. Feb. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2020 | Garnet Manecke

Die GdG St. Servatius Selfkant liegt am westlichsten Zipfel Deutschlands. Auf knapp 42 Quadratkilometern verteilen sich die acht Gemeinden der GdG. Die Wege zwischen den Gemeinden sind lang, viel länger als die zwischen Stadtgemeinden. Wie hält man so ein Konstrukt zusammen? Roland Bohnen, leitender Pfarrer der GdG, berichtet im Gespräch mit der KirchenZeitung, wie man hier neue Formen der Glaubensbekundung mit den traditionellen verbindet.

Man merkt, dass man im Selfkant an die Grenze Deutschlands kommt. 25 Kilometer verläuft sie zwischen den Niederlanden und der Kommunalgemeinde. Die zu den Nachbargemeinden in Deutschland dagegen ist nur sechs Kilometer lang. Wer hier von einer Kirchengemeinde zur anderen will, muss entweder sportlich sein oder nimmt gleich das Auto statt des Fahrrads. Hier eine Einheit im Leben der GdG zu finden, ist nicht einfach. Dennoch scheint es in diesem ländlichen Raum  zu gelingen. Der leitende Pfarrer Roland Bohnen zählt zu den konservativen Kräften in der Kirche. Die stehen nicht in dem Ruf, Veränderungen zuzulassen. „Bloß weil ich etwas nicht so gut finde, muss es ja nicht schlecht sein“, sagt Pfarrer Roland Bohnen. „Ich kann Dinge auch gut laufen lassen, auch dann, wenn ich nicht so dahinter stehe.“

Bohnen bringt die verschiedenen Weisen, wie in seiner GdG der Glaube gelebt wird, mit dem Heiligen Geist in Verbindung. „Der ist auch nicht an eine Form gebunden“, sagt der Geistliche. „Und ich lerne auch immer noch dazu, was den Menschen alles wichtig ist.“ Die Segnung der Kerzen sei so ein Beispiel. Von denen, die er vorab gesegnet hatte, haben sehr viele eine mitgenommen. „Und immer wieder kommen Leute und lassen ihre Kerzen segnen.“ Weil Menschen und ihre Bedürfnisse unterschiedlich sind – auch im Glauben – gibt es einige unterschiedliche Angebote im Selfkant.

Der Pilgerpfad BlickWeite ist eines der niedrigschwelligen Angebote. Die Gemeindereferentin Gabriele Thönnessen hat mit ihrem Team den Weg rund um die Gemeinde Havert erarbeitet, bei dem an verschiedenen Standorten Stationen mit spirituellen Impulsen zum Thema „Grenze“ installiert sind.  Vielen Wanderern fällt auf den ersten Blick gar nicht auf, dass sie sich hier auf einem Pilgerpfad befinden. Der Weg ist so gestaltet, dass ihn jeder an seine eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten anpassen kann: Drei Routen sind ausgeschildert, die einzeln oder miteinander verbunden absolviert werden können. Der Weg ist für Fußpilger ebenso geeignet wie für Radpilger. Um ihre Idee umzusetzen, musste Thönnessen selbst aktiv werden, denn die Pflege der Stationen wird über Paten finanziert. Inzwischen sind rund um den Pilgerpfad weitere Angebote entstanden wie zum Beispiel Pilgern und Schreiben. Sogar eine Pilgerfahrt nach  Israel wurde im November vergangenen Jahres angeboten.

 

Spiritualität müssen Suchende in der  Kirche finden und nicht nur beim Yoga

Auf der Liste der spirituellen Angebote in der GdG stehen auch solche, die sich an Gläubige wenden, die sich dem tradierten Glaubensleben verbunden fühlen: Eucharistische Anbetung, die Charismatische Erneuerung oder die „Leben im Geist“-Seminare sind Beispiele dafür. „Menschen, die Spiritualität suchen, müssen das bei uns in der Kirche finden und nicht nur beim Yoga“, sagt Roland Bohnen. Die Sehnsucht nach Spiritualität spürt er nicht nur, er kann sie auch immer wieder an der Teilnehmerzahl bei solchen Angeboten ablesen. Bis zu 50 Teilnehmer hat er schon gezählt. Zu einem Vortrag über die Anbetung von Pfarrer Bernhard Hesse im Januar sind 80 Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen – auch aus anderen Teilen des Bistums.

 

Zwischen traditionellen und modernen  Formaten gibt es zahlreiche Abstufungen

Zwischen diesen beiden Polen gibt es noch zahlreiche andere Formate, die Traditionelles mit modernen Elementen verbinden. Altes Denken und moderne Formate schließen im Selfkant einander nicht aus, sondern können im Gegenteil zu Neuem führen. „Bei der Segnung der Olivia trifft moderne Lobpreismusik auf traditionelle Formen“, nennt der Geistliche ein Beispiel. „Das kann man durchaus zusammenbringen.“ Diese Angebote, seinen Glauben zu erfahren und zu leben, findet Bohnen wichtig. „Ich erlebe oft, dass die Gemeinden in Ruhe gelassen werden wollen“, sagt er. „Aber das Blöde ist, dass Kirche auf diesem niedrigen Niveau nicht funktioniert.“ Er macht immer wieder die Erfahrung, dass es Eltern nicht bewusst ist, dass ihre Kinder nicht nur bei der Vorbereitung zur Erstkommunion die Kirche besuchen können, sondern auch danach.

„Mir hat mal eine Mutter gesagt, dass ihre Tochter die Kirche schon vermisst“, erzählt er. „Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass vielen eine tiefe Glaubenserfahrung, das Erleben des Mystischen, fehlt.“ Wer dieses ganzheitliche Erleben und Erfahren des Heiligen Geistes spüre, trage es immer im Herzen. „Und dann ist es nicht mehr lau“, sagt Bohnen. Diese Erfahrung machen zu können, ist der zentrale Punkt aller Angebote in der GdG. „Dass Strukturen wegbröckeln, finde ich nicht so wichtig“, sagt Bohnen. „Man muss ja kein Prophet sein, um zu sehen, dass sich die Strukturen der Kirche verändern werden.“

Dass nicht in jeder Gemeinde ein Pfarrer vor Ort ist und vielfach auch die Gottesdienste nicht mehr so angeboten werden können, wie es noch die Großeltern-Generation kennt, führe automatisch zu Veränderungen. Zum Beispiel könnten „Hauskirchen“ als Orte entstehen, an denen sich kleine Gruppen Gläubige zum gemeinsamen Gebet treffen. „Über so etwas würde ich mich sehr freuen“, sagt Bohnen. „Aber es darf nicht jeder sein Ding machen, sondern es müsste eine Vernetzung geben. Die sakramentale Kraftquelle im Gottesdienst oder die Beichte an einem zentralen Ort wären schon wichtig.“

In der Vernetzung sieht Bohnen auch einen Erfolgsfaktor für die Angebote in der Gegenwart. Die „Leben im Geist“-Seminare bietet er zusammen mit seinem Kollegen Thomas Wieners, Leiter der GdG St. Marien Wassenberg, an. „Die Zusammenarbeit der Priester ist superwichtig“, findet er und meint damit nicht nur den Wassenberger Kollegen. „Die gegenseitige Wertschätzung, auch wenn man unterschiedliche Auffassungen hat, und gemeinsam Lösungen zu finden, ist eine wichtige Aufgabe. Jeder muss seins einbringen. Ich kann nur Dinge machen, für die ich geschaffen bin. Das gilt auch für die anderen. Alles, was Gott uns ans Herz gelegt hat, ist wichtig. Es darf nicht zum Ich oder Du werden, zu konservativ oder progressiv. Es geht um ein Miteinander, in dem das Spirituelle nicht vernachlässigt wird.“

www.kirche-selfkant.de

Gemeindeleben in der GdG St. Servatius Selfkant

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