Die fünfte Jahreszeit ist auf ihrem Höhepunkt. Der Sitzungskarneval ist soweit vorbei, nun beginnt der Straßenkarneval. Auch in vielen Gemeinden wird gefeiert: keine großen Sitzungen mit Stars der Kölner Szene, sondern auf das örtliche Geschehen konzentriert. Es geht darum, direkt mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Warum das auch heute so wichtig ist.
Maria Lonnendonker kommt gerade vom Aufräumen. Drei Sitzungen hat die KFD (katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) Herrenshoff in dieser Session veranstaltet, von den insgesamt 540 Karten sind nur zehn übrig geblieben. Die Sitzungen der katholischen Frauengemeinschaft, die nur alle zwei Jahre stattfinden, sind in der Pfarrei Herz-Jesu Herrenshoff und in den umliegenden Orten im Pastoralen Raum Korschenbroich Kult.
Das liegt zum einen am Engagement der Damen im Alter von 35 bis 92 Jahren. Aber das liegt auch daran, dass sie die Geschehnisse im Ort humoristisch aufs Korn nehmen. „Wichtig ist uns, den Leuten ein paar unbeschwerte Stunden zu bescheren“, sagt Maria Lonnendonker, Sprecherin der KFD Herrenshoff. Sie selbst ist 73 Jahre alt und steht im Karneval auf der Bühne – genauso wie ihre Mitstreiterinnen. Denn die Nummern beim Sitzungskarneval schreiben die Frauen selbst, sie proben und führen sie auf. Und so geht ihr Blick für das große Ganze dann in die Niederungen des Korschenbroicher Ortsgeschehens, wenn sie den Abend mit einer Landung auf dem Mond beginnen. Von dort schaute das Eröffnungs-Duo in diesem Jahr vom Weltraum aus auf die Welt bis der Blick in der Region am Niederrhein hängenblieb.
Wenn die katholischen Frauen den Saal des Restaurants Kolossos im Haus Schellenberg zur Karnevalshochburg machen, bekommen sie Unterstützung von Tanzgarden. Aber wie auch bei den anderen Nummern gilt hier: Die Tänzerinnen kommen aus den Ortschaften rund um Herrenshoff. Man kennt sich, man feiert miteinander und man hilft sich. Gerade der dritte Punkt ist den KFD-Frauen wichtig. „Die Sitzungen haben auch einen sozialen Aspekt“, sagt Maria Lonnendonker. „Wir spenden alles, was übrig bleibt, an soziale Vereine.“ Der Erlös wird auf zwei Jahre gesplittet, so dass die Frauen jedes Jahr Vereine unterstützen können. Zu den Projekten gehört die Arbeit eines Priesters, der in Indien Kindern den Schulbesuch ermöglicht, der Verein Zornröschen bekommt regelmäßig etwas, die Jugendarbeit in Kleinenbroich oder der Mittagstisch für Schulkinder.
Dieses soziale Miteinander beginnt schon weit bevor der erste Tusch im Saal erschallt und die erste Applaus-Rakete abgefeuert wird. „Für die Kostüme und Kulissen fragen wir immer herum, ob irgendwo jemand etwas hat, was wir dafür gebrauchen können“, sagt Lonnendonker. Die gegenseitige Hilfe und Unterstützung passiert im Ort vereinsübergreifend. Das stärkt den Zusammenhalt.
Auch bei anderen Gelegenheiten merken die Frauen das. „Wir feiern jeden Monat einen KFD-Gottesdienst mit anderen Liedern und anderen Texten“, sagt Lonnendonker. „Der wird immer stärker besucht.“ Aber auch innerhalb der KFD wirkt das fröhliche Engagement. „Für uns ist es der Zusammenhalt. Die eine steht für die andere ein“, sagt Lonnendonker. Kürzlich wurde eine Frau aus einer KFD aufgenommen, die sich aufgelöst hatte. „Die hat sich sehr darüber gefreut, wie wir uns gegenseitig helfen“, sagt die 73-Jährige.
„Ich ben ene Räuber, leev Marielche, ben ene Räuber durch un durch. Ich kann nit treu sin, läv en dr Daach ren“ erklingt es durch St. Konrad Ohler. Wenn ein Pfarrer im Sonntagsgottesdienst von Liebe und „lecker Mädche“ singt, dann ist „Kölsch-Katholisch“ in Mönchengladbach. Seit 22 Jahren gestalten Harald Josephs und seine Band an Karnevalssonntagen diese speziellen Gottesdienste. Einige Besucher haben sich bunte Hüte aufgesetzt. In den Kirchenreihen wird geschunkelt.
Josephs hält keine Predigt, sondern gibt seine Botschaften durch die alten Lieder von Kölner Bands wie den Höhnern oder Bläck Fööss an die Gottesdienstbesucher. Es geht um Überfluss und die Bewahrung der Schöpfung, um gesellschaftlichen Zusammenhalt und Vielfalt – aber es geht auch darum, einmal durchzuatmen. Dafür sorgen die beiden Rednerinnen, die statt Fürbitten kleine Sketche für die Besucher mitgebracht haben.
Nach der Eucharistie und dem Schlusssegen beginnt dann noch der „Party“-Teil. Alte Karnevalslieder werden gesungen, die Gottesdienstbesucher stehen auf, tanzen und klatschen in den Reihen. „Letztes Jahr haben wir sehr stark Friedenslieder eingebaut, die haben wir diesmal bewusst rausgelassen“, sagt Josephs. „Aber das bewegt schon sehr viele.“ Aber auch die anderen Lieder handeln vom friedlichen Zusammenleben unter einem gemeinsamen Sternenzelt – ob nun in der weiten Welt oder direkt vor der Haustür.
Im Karneval halten die Närrinnen und Narren der Obrigkeit den Spiegel vor. Derzeit scheint der Karneval auch eine Friedensmission zu haben: Wer singt und tanzt hat weniger Angst. Der Körper produziert Glückshormone. Glückliche Menschen bekämpfen sich nicht.