Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Über die Frage, ob die Kirche im Dorf bleibt, tauschten sich Hans-Otto von Danwitz und Dr. Udo Lenzig aus

Hans-Otto von Danwitz (links) und Dr. Udo Lenzig beschrieben die aktuelle Lage der Kirchen im Jülicher Land und wagten einen Blick in die Zukunft. (c) Stephan Johnen
Hans-Otto von Danwitz (links) und Dr. Udo Lenzig beschrieben die aktuelle Lage der Kirchen im Jülicher Land und wagten einen Blick in die Zukunft.
Datum:
24. Apr. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 16/2025 | Stephan Johnen

Jülich/Aldenhoven. Sinkende Mitgliederzahlen, Verlust an Bedeutung – und keine Besserung in Sicht? „Wie geht das weiter? Bleibt die Kirche im Dorf?“ lauteten nur einige Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen und die im Jülicher Café Restaurant „Liebevoll“ angesprochen wurden. Rede und Antwort standen von katholischer Seite Hans-Otto von Danwitz, leitender Pfarrer im Pastoralen Raum Aldenhoven/Jülich, sowie der evangelische Pfarrer Dr. Udo Lenzig.

 „Das Eis wird dünner, die Zeiten werden schwieriger“, redete Udo Lenzig Klartext: „Kirche ist eine Gemeinschaft von Menschen. Wenn diese Gemeinschaft kleiner wird, werden auch die Möglichkeiten kleiner.“ Die Herausforderung sei es, trotzdem engagiert Kirche für Menschen zu bleiben. Ist das Glas nun halb leer oder halb voll?

„Wir reden ja nicht im luftleeren Raum. Wir arbeiten nicht auf das Nichts hinaus. Es sind viele Menschen da, die Kirche das Gefühl geben, gebraucht zu geben. Und wir rufen ihnen zu: Es ist schön, dass ihr da seid!“ „Wir haben ja als christliche Kirchen eine gute Botschaft“, ist Hans-Otto von Danwitz überzeugt, dass es nach wie vor einen Bedarf an Seelsorge bei den Menschen gibt. „Das spricht uns gleichwohl nicht davon frei, auch nach immer neuen Wegen zu suchen“, betonte er. Denn oft sei es keine Abkehr der Menschen von Kirche, die deren Bedeutung abnehmen lassen. „Es gibt ganz viele Menschen, die nichts vermissen, die gar keinen Bezug zu Kirche haben“, ist er überzeugt. Deswegen sei es umso wichtiger, nicht nur auf die Kirchtürme zu schauen, sondern den Blick zu weiten, tief in die Gesellschaft hinein, um  dort Orte von Kirche zu identifizieren.

 „Was gibt es an Jugendinitiativen? Wie sind die Kindertagesstätten aufgestellt?“, nannte er nur einige Beispiele. Anstatt sonntags in der Kirche auf Gläubige zu warten, gelte es zunehmend, die „Schätze vor Ort“ zu suchen und sie lebendig zu halten. Die Frage, ob die Menschen zur Kirche kommen – oder nicht die Kirche selbst aktiver auf die Menschen zugehen müsse, konnte kaum abschließend geklärt werden.

„Wir bieten samstags eine Matinee zur Marktzeit in der Propsteikirche an; und ich war überrascht, dass die Bude voll ist“, berichtete Hans-Otto von Danwitz. „Aber wenn sonntags immer weniger Leute kommen, können wir es uns finanziell und personell nicht mehr leisten, alle Kirchen zu unterhalten“, skizzierte er die spannende Frage nach der weiteren Nutzung. „Mir ist wichtig, dass die Kirche im Dorf bleibt, dass das Kirchengebäude erhalten bleibt. Auch als Zeichen des Glaubens“, erklärte er. Wenn die Würde des Gebäudes erhalten bleibt, spreche aber nach einer Prüfung nichts gegen eine andere Nutzung, wie in St. Rochus, wo nun ein Fahrradladen beheimatet ist. In Selgersdorf gebe es aktuell Gespräche mit einer orthodoxen Gemeinde. Die Umnutzung von Immobilien sei „eine Reaktion auf die Realität“.

Ein weiteres Beispiel für eine veränderte Nutzung ist die Familienkirche/Jugendkirche. Hans-Otto von Danwitz: „Wir können darüber klagen, was nicht mehr so ist wie früher. Oder wir freuen uns darüber, dass die Kirche St. Franz Sales neben der Propsteikirche die einzige ist, die eine Garantie hat, erhalten zu bleiben. Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Ich jedenfalls finde es toll, was aus dieser Kirche geworden ist!“