„Interessiert mich die Bohne“ lautet der Titel der Fastenaktion von Misereor. Im Mittelpunkt stehen Projekte zur landwirtschaftlichen Entwicklung in Kolumbien, die den Hunger bekämpfen, die finanzielle Stabilität der Familien sichern und Beispiele für eine nachhaltige Zukunft sein sollen. Doch wen interessiert in unseren Breiten eigentlich die Landwirtschaft noch eine Bohne? Wie steht es um Wertschätzung – den Landwirten und der Schöpfung gegenüber? Zum Beginn der Fastenzeit haben sich Andrea Thomas und Stephan Johnen auf Äckern und im Stall umgehört.
„Mehr Wertschätzung für Lebensmittel in unserer Gesellschaft und einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen.“ So lautet die Philosophie auf dem Biolandhof „Gut Paulinenwäldchen“ am Rande der Aachener Soers. In der Praxis bedeutet das ein Spannungsfeld zwischen Idealismus und Wirtschaftlichkeit, Menschen immer wieder zu informieren und zu sensibilisieren.
Ende der 1990er-Jahre von Landwirt Volker Gauchel gegründet, lag der Schwerpunkt von Anfang an auf Tierhaltung und Ackerbau, der Direktvermarktung über einen Hofladen und der „Biokiste“, die man abonnieren und sich ins Haus liefern lassen kann, sowie dem Bereich Bildung. Kindergärten, Schulklassen, Familien und alle Interessierten sollten sehen und verstehen können, wie Biolandwirtschaft in der Realität funktioniert.
Inzwischen hat der Betrieb zwei Standorte, in der Soers stehen die Tiere, Rinder (hauptsächlich Limousin-Mutterkühe mit ihren Kälbern und einige seltene Glan-Rinder, beide zur Fleischverwertung), Schweine unter anderem als „Resteverwerter“ und Hühner. Auf den Feldern am Standort in Aachen-Vetschau, werden Getreide, Kartoffeln und übers Jahr etwa 60 verschiedene Arten Gemüse angebaut. Die Produkte werden über einen Großhändler sowie direkt vermarktet.
Bernhard Ruhl hat das Hofprojekt von Beginn an begleitet und leitet heute den Verwaltungsbereich. Volker Gauchel habe schon immer den Anspruch gehabt, keine Nische zu besetzen, sondern Bio wirtschaftlich zu machen und eine Vielfalt an guten Produkten zu fairen Preisen für eine breitere Gruppe anzubieten. Sie seien ein professioneller und bewusst breit aufgestellter Betrieb. „Wenn ein Bereich eine Krise hat, fängt ein anderer das auf.“
Die Idee von Bioland ist ein Kreislauf: Der Mist der Tiere wird zum Düngen der Felder genutzt, die Tiere nutzten die Flächen, die nicht zum Ackerbau verwendet werden (riesige Grasflächen im an den Hof angrenzenden Naturschutzgebiet) und bekommen ansonsten Futter aus dem eigenen Betrieb. „Die Mutterkühe mit ihren Kälbern stehen den Sommer über bis zum Herbst im Wurmtal und im Winter im Offenstall. So wie Rinder idealerweise leben sollten“, sagt Sandra Melcher, die unter anderem für das Marketing zuständig ist. Das Tierwohl habe obere Priorität und auch das gängige Argument, Nutzvieh verbrauche Flächen für die Nahrungsmittelproduktion, könnten sie entkräften. „Die Wiesen blieben sonst ungenutzt. Nachhaltiger kann man Fleisch nicht produzieren.“
Auch sonst wird auf Nachhaltigkeit gesetzt, auf beiden Höfen gibt es zum Beispiel Solarflächen und beim Gemüseanbau wird geschaut, was Boden und Wetter hergeben. Sie haben keine Gewächshäuser, lediglich Folientunnel zum Schutz. Doch sie bewegten sich immer im Spannungsfeld zwischen dem Ideal von Bio und dem, was wirtschaftlich sei, sagt Bernhard Ruhl. Ihr Fuhrpark laufe weiterhin mit Diesel, weil es bislang keine bezahlbaren Alternativen gebe. Schweine zu halten, sei auch ein Zugeständnis an den Metzger, mit dem sie zusammenarbeiten. „Für Wurst braucht der auch Schwein.“
Auch bei den Hühnern hätten sie lange überlegt, wie sich ihr Anspruch mit den Möglichkeiten verbinden lasse. Die Wahl fiel auf eine Rasse, bei der auch die Hähne genutzt werden, einen festen Stall mit Wasseranschluss und wechselnde Auslaufflächen, finanziert über Hühner-Paten. Selbst im Hofladen gibt es nicht nur Gemüse aus eigener Ernte. „Das richtet sich auch danach, was die Kunden wollen“, erklärt Sandra Melcher. Sie versuchen vor allem saisonale und regionale Produkte anzubieten und schreiben immer dazu, woher die Ware ist, was vom Hof ist und wie weit die Lieferwege sind. Die Kunden entscheiden dann selbst.
„Wichtig ist uns die Leute zu sensibilisieren für saisonale Aspekte. Da fehlt oft das Basis- und Hintergrundwissen.“ Nicht jedes Obst und Gemüse sei das ganze Jahr über verfügbar. Bei Saisonartikeln wie Spargel, Erdbeeren oder Frühkartoffeln sei das vielen noch bewusst, sagt Bernhard Ruhl. Aber auch da verschwämmen die Grenzen, weil jeder Produzent der erste am Markt sein wolle und die Saison so weit wie möglich nach vorne gezogen werde. „Die Leute kaufen die ersten Frühkartoffeln, die dann noch aus Nordafrika kommen, während wir noch Lagerware in guter Qualität anbieten.“ Das sei ein Problem. Genauso, dass Naturprodukte nicht planbar sind. „Wir können dieses Jahr keinen Rosenkohl anbieten. Das Wetter war zu feucht“, nennt Sandra Melcher ein Beispiel. Das zu vermitteln, sei nicht immer einfach.
Schwierig sei auch, dass der Fokus immer noch stark auf der Optik liege. Auch Bioware sei inzwischen nicht mehr nur „klein und krumm“, aber bei ihnen komme eben auch das Gemüse in den Verkauf, das nicht perfekt aussehe, da das nichts über die Qualität sage, sagt Sandra Melcher. Wertschätzung sei für sie, „wenn wir ein nicht so hübsches Produkt haben, und die Leute kaufen es trotzdem, weil sie unsere Arbeit sehen, es regional ist und schmeckt“. Das zu erreichen bedarf viel Kommunikation und Information, zum Beispiel über den „Blog“ auf ihrer Internetseite (www.bioland-gauchel.de) oder die Bildungsarbeit. Die rechne sich erst einmal nicht, sagt Bernhard Ruhl, „aber wir hoffen damit das Denken und Handeln zu verändern“. (ath)
Wer kennt die Rheinische Ackerbohne? Noch in den 1950er Jahren war sie ein ebenso beliebtes wie wichtiges Nahrungsmittel und stellte die Versorgung der Bevölkerung mit Proteinen sicher. Doch mit zunehmender Globalisierung verdrängte Importsoja die Ackerbohne. Allen voran die USA und Brasilien sind Exportweltmeister – rund 300 Millionen Tonnen Soja werden jährlich in beiden Ländern auf Schiffe verladen und rund um den Globus transportiert. „Nachhaltig ist diese Entwicklung nicht“, sagt Karl-Adolf Kremer aus Linnich-Kofferen.
In siebter Generation betreibt der Landwirt mit seiner Frau Maria und Sohn Christian den Hof Lindenau. Angebaut werden Zuckerrüben, Weizen, Raps, Dinkel und seit sieben Jahren die Ackerbohne. Die Entscheidung, die alte Kulturpflanze wieder zu kultivieren, war durchaus ein unternehmerisches Risiko. „Obwohl klar ist, dass der pflanzliche Eiweißbedarf aktuell nicht auf den heimischen Feldern gedeckt werden kann, gab es für die Ackerbohne keinen Markt. Und das, obwohl sie für den Natur- und Umweltschutz und die Ernährung ein wertvoller Rohstoff ist“, blickt Maria Kremer auf die Entscheidung zurück. Zeitgleich haben die Kremers den gemeinnützigen Verein „Rheinische Ackerbohne“ gegründet, um weitere Mitstreiter zu finden, die Bohne bekannt zu machen und eine regionale Wertschöpfungskette aufzubauen. Heute gehören rund 50 Landwirte zum Verein.
Die Ackerbohne ist ein glutenfreier und fettarmer Eiweißlieferant mit reichlich Ballaststoffen, bei der Verarbeitung gibt es kaum Grenzen – und auch mit Blick auf den Naturschutz können die Bohnen punkten: Die Ackerbohne fixiert den für das Pflanzenwachstum benötigten Stickstoff in den Wurzelknöllchen selbst und braucht damit keine Düngung. Gleichzeitig profitiert die Folgefrucht mit einem Mehrertrag von bis zu acht Prozent. Spielt das Wetter mit, blüht die Ackerbohne sechs bis acht Wochen und ist ein Paradies für bedrohte Hummeln und Bienen. Die Ackerbohne wird nicht nur regional, sondern auch gentechnik-frei angebaut. Denn 82 Prozent des importierten Sojas sind genmanipuliert, erklärt Karl-Adolf Kremer. Nicht zuletzt der Wandel unserer Essgewohnheiten lasse den Import perspektivisch weiter steigen.
„Umweltschutz beginnt vor der eigenen Haustür“, ist Familie Kremer überzeugt, dass jeder Einzelne einen (spürbaren) Beitrag zum Erhalt der Schöpfung leisten kann. Dies beginnt mit kurzen Transportwegen und anderem Kaufverhalten. Anders als viele aktuelle Rezepturen für vegane Produkte könne die Ackerbohne unkompliziert im eigenen Haushalt verarbeitet werden, sei es zu Humus, Bratlingen, Müsliriegeln und Snacks. Viel Rohstoff, wenig Zusatzstoff, lautet die Faustformel. Die Kremers haben früh angefangen, die Ackerbohne mit in das Brot einzubinden, um mit Bäckern Naturschutz und Regionalität unter einen Hut zu bekommen. Jeder, der ein Brot kauft, unterstütze den Naturschutz vor der eigenen Haustür. „Ich kaufe Produkte, die es Schmetterlingen, Bienen und andere Insekten ermöglichen, ebenfalls Nahrung zu finden“, sagt Maria Kremer.
13 Bäckereien in NRW, die zum Teil auch 30 bis 40 Filialen betreiben, beziehen das in einer Mühle gemahlene Ackerbohnen-Mehl. Experimentiert wird aktuell an Rezepturen für Nudeln, veganes Ei und veganen Käse, Protein- und Diät-Shakes und Fleischersatzprodukten. Es bestehen Kontakte zu Lebensmittelinstituten und zur Industrie, doch müssten noch dicke Bretter gebohrt werden.
Die Kremers sind gerne Landwirte – auch wenn sie manchmal das Gefühl haben, vom Rest der Gesellschaft abgekoppelt zu sein. „Wenn über Landwirtschaft gesprochen wird, haben die Menschen entweder ein Güllefass oder die Pflanzenschutzspritze vor Augen“, bedauert Karl-Adolf Kremer, dass die Berufsgruppe sehr negativ wahrgenommen werde. Diese Entwicklung gehe Hand in Hand mit dem Verlust von Wissen über landwirtschaftliche Produkte und Produktion sowie Ernährung im Allgemeinen. „Noch vor 40 Jahren hatte die Hälfte der Bevölkerung einen Garten, in dem Gemüse angebaut wurde“, sagt er. Heute gehen Familien eher in den Discounter als in den Schrebergarten. Kaum jemand kenne einen Landwirt. Nur wenige Menschen haben eine konkrete Vorstellung davon, wie deren Arbeit aussieht und welch großes Fachwissen dafür benötigt wird. Anstatt aus saisonalen und regionalen Zutaten mit wenig Aufwand gesunde Mahlzeiten zuzubereiten, gehe der Griff zum industriell gefertigten Produkt.
„Wer keine Informationen und keine Erfahrungen hat, um Vergleiche über die Qualität und die Herkunft anzustellen, kauft immer das Billigste“, bedauert die Familie, dass eine Art Abwärtsspirale der Wertschätzung eingesetzt habe. Bereits in den Kitas und Schulen müsste angefangen werden, mehr über gesunde Nahrungsmittel und Ernährung zu informieren. „Wir essen täglich Lebensmittel, in denen Zusatzstoffe beigemischt sind. Hinter mancher E-Nummer stecken Zutaten, die sich keiner in die Speisekammer setzen würde“, sagt Maria Kremer. Als ihr eigener Sohn im Hauswirtschaftsunterricht einen Pizza-Fertigteig belegen sollte, hatte sie eine Ahnung, dass nicht nur bei Kindern und Jugendlichen manches Wissen verloren gegangen ist. „Dabei sind gerade Kinder sehr neugierig und experimentierfreudig. Sie lernen mit dem Tun“, regt sie Eltern dazu an, mehr mit den Kindern bewusst einzukaufen, zu kochen und sich mit den regionalen Produkten auseinanderzusetzen. (sj)
Die Gründung des Vereins „Rheinische Ackerbohne“ soll Landwirte, Verbraucher, Handwerk (Bäckereien), Handel und Naturschutz vernetzen. „Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir die Bohne anbauen sollen oder nicht. Meine Frau hat dann gesagt: ‚Entweder wir gründen einen Verein - oder sprechen nie wieder über das Thema‘“, sagt Karl-Adolf Kremer augenzwinkernd. Die Idee war, Gleichgesinnte zu suchen und eine Plattform zu schaffen, die Ackerbohne und deren Vorzüge zu bewerben.
Mehr Informationen und auch Rezepte gibt es im Internet unter
www.rheinische-ackerbohne.de