Inklusiv(e) Ferien

Acht Tage am Meer sind für „Pänz mit Hätz“ Sonne, Party und viel Einsatz

Gemeinsam Spaß zu haben, ist das Ziel der integrativen Gruppe von Pänz mit Hätz. (c) privat
Gemeinsam Spaß zu haben, ist das Ziel der integrativen Gruppe von Pänz mit Hätz.
Datum:
27. Juni 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 26/2024 | Dorothée Schenk

Wenn die 35-köpfige Truppe des Vereins „Pänz mit Hätz“ von Düren nach Brecklum an der deutschen Nordsee aufbricht, ist es immer etwas Besonderes: 24 Menschen mit Behinderungen verbringen mit 11 Ehrenamtlichen Ferien an der Nordsee. Seit über 25 Jahren leben sie Inklusion im Alltag – und eben auch im Urlaub.

Die Gesellschaft ist bunt – symbolisch zu erleben beim Holi-Festival. (c) privat
Die Gesellschaft ist bunt – symbolisch zu erleben beim Holi-Festival.

Da kommt Partystimmung auf: Lars tritt auf die Bühne mit rotem Netzhemd und Karohose, die ihn als Brings-Fan zu erkennen gibt. Er bringt den Saal im Jugendgästetrakt des Christian-Jensen-Kollegs zum Brodeln, wenn er mit den stilechten Moves das K-Pop-Lied „Gangnam Style“ tänzerisch zum Besten gibt. Nicht weniger spektakulär eine Cover-Version der Band „Die Ärzte“, die in Glitteranzug und lila Perücke präsentiert wird. Die „Pänz“, wie sie sich untereinander nennen, sind in Feierlaune, wenn sie auf Urlaubsreise am Meer sind.

Nach dem Tag am Strand, am hauseigenen Pool oder Ausflug ins Umland 
gehört selbstverständlich ein buntes Abendprogramm dazu. Dabei darf die 
Supertalent-Show ebenso wenig fehlen wie ein Diskoabend und „Pänz mit Hätz next Topmodel“. Da „bretzeln“ sich die 14- bis 50-Jährigen auf, stellen sich einer Jury, und es fließen auch schon mal Tränen, wenn der erträumte Sieg nicht gelingt.

„Es ist schön zu sehen, wie viel Spaß sie haben, oder was wir alle miteinander lachen. Also das ist wirklich, ja, so etwas Herzliches, wenn man so miteinander verbunden ist“, erzählt die studierte Sonderschullehrerin Steffi Schell, Initiatorin und Gründerin des Vereins „Pänz mit Hätz“. Und sie strahlt dabei. Es ist eben mehr als ein Verein oder ein Ehrenamt. „Ein Hoch auf uns“, singt die Gemeinschaft an diesem Abend als Abschlusslied den Hit von Andreas Bourani, und das trifft es wohl am besten.

Eine Idee zu haben, sie umzusetzen und dann über ein Vierteljahrhundert am Leben zu erhalten, ist eine Leistung. Wie gelingt das? Am Anfang war die Erkenntnis des Bedarfs. So schildert es Steffi Schell. „Ich habe Menschen mit geistiger Behinderung betreut und festgestellt, dass sie nie die Möglichkeit haben, sich losgelöst von den Eltern mit ihren Freunden zu treffen und einfach eine schöne Zeit miteinander zu verbringen. Im Gegenzug haben Eltern keinen Freiraum. Sie können nicht einmal einkaufen gehen im Supermarkt, weil man die meisten dieser Kinder oder Jugendlichen auch nicht für eine halbe Stunde zu Hause alleine lassen kann.“

Gemeinsame Ausflüge gehören für die „Pänz“ mit zum Freizeit- und Ferienprogramm. (c) privat
Gemeinsame Ausflüge gehören für die „Pänz“ mit zum Freizeit- und Ferienprogramm.

So suchte sie Gleichgesinnte, erstellte einen Flyer, bot monatliche Treffen – damals noch im Awo-Heim in Düren – an. Die Resonanz war riesig. Inzwischen sind die „Pänz“ miteinander erwachsen geworden, und aus dem Bastel- und Spielangebot sind Besuche bei Festen, im Kino oder Freizeitpark oder gemeinsame Grillfeiern geworden. Und eben einmal im Jahr die Ferien am Meer. Das eigentliche Geschenk ist aber – auf eine Kurzformel gebracht – ein Stück Freiheit, das den Menschen mit Behinderungen und ihren Eltern geschenkt wird.

Morgens um 7.30 Uhr läutet im Ferienort Brecklum der Wecker. Die meisten „Pänz“  – Menschen mit geistiger oder Mehrfach-Behinderung, mit Downsyndrom, Autismus oder anderen Einschränkungen – brauchen Unterstützung beim Anziehen oder der Körperpflege, damit sie bis zum Frühstück um 9 Uhr fertig sind. Hier werden Brote geschmiert oder anderen Hilfestellungen geleistet. Abends brauchen einige Hilfe beim Einschlafen oder nachts Betreuung, wenn sie wach werden. Elf Ehrenamtliche sind dafür im Einsatz. „Wenn es gut läuft, dann haben wir eine Zwei-zu-eins-Betreuung; wir hatten aber auch schon drei zu eins“, erinnert sich Steffi Schell. Das Überraschende am Team: Es sind überwiegend nicht ausgebildete sonderpädagogische Kräfte. So gehören etwa Netzmeister Christoph, Unternehmer Thomas, Steuerfachangestellte Pia und Schülerin Marla zum Team ebenso wie drei Erzieherinnen, drei Lehrerinnen und Intensivkrankenschwester Jana.

Finanziert wird die Fahrt weitgehend über Spenden. Die Eltern der Pänz können einen Teil der Kosten über die Pflegekassen erstattet bekommen. Inzwischen ist das Engagement in der Region Düren-Jülich und die Pänz durch ihre Präsenz bekannt. Unterstützer spenden gerne für die Aktivitäten der „Pänz mit Hätz“. Offen sind sie übrigens für alle: „Es kommen immer Leute nach, ein bunt gemischter Haufen“, sagt Steffi Schell lachend. Mit offenen Armen würden Neue empfangen – ob Pänz oder fürs Betreuungsteam. „Sie sind so herzlich und aufgeschlossen. Das Besondere: Es ist eine gewachsene Gemeinschaft. Es ist wie Urlaub mit Freunden.“

Wer den Verein Pänz mit Hätz unterstützen möchte, kann über steffi1173@yahoo.de Kontakt aufnehmen und über www.facebook.com/paenzmithaetz mehr über ihre Aktivitäten erfahren.