Informiert beten

Im Mittelpunkt des Weltgebetstags steht diesmal Taiwan. Frauen freuen sich auf einen Neustart nach Corona

Prächtige Tempel prägen das Bild des Landes. Nur gut sechs Prozent der Bevölkerung sind christlichen Glaubens. (c) Foto: Weltgebetstagskomitee/Carina Rother
Prächtige Tempel prägen das Bild des Landes. Nur gut sechs Prozent der Bevölkerung sind christlichen Glaubens.
Datum:
9. Feb. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2023 | Andrea Thomas

Nach drei Jahren, in denen der Weltgebetstag gar nicht, nur in eingeschränkter Form oder als Tüten-Aktion stattfinden konnte, freuen sich die Frauen aus Aachen, Aachen-Land und Jülich darauf, ihn wieder in gewohnter Form feiern zu können: mit einem Gottesdienst und anschließendem Beisammensein bei landestypischem Fingerfood.

Vorbereitet haben den Gottesdienst zum Weltgebetstag, der immer am ersten Freitag im März in inzwischen über 150 Ländern gefeiert wird, in diesem Jahr Christinnen aus Taiwan. Unter dem Motto „Glaube bewegt“ laden sie Frauen rund um den Globus ein, ihren Glauben zu leben und sich mit ihnen für Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Begegnung aller Menschen auf Augenhöhe einzusetzen.

Es sind unsichere Zeiten, in die hinein die Frauen die Texte, Gebete und Lieder verfasst und zusammengestellt haben. Der Krieg in der Ukraine hat auch den Konflikt um den Inselstaat im Pazifik wieder hochkochen lassen. Räumlich liegen zwischen dem demokratischen Taiwan und der kommunistischen Volksrepublik China rund 180 Kilometer Ozean, ideologisch sind es Welten. Für die Führung in Beijing ist Taiwan eine abtrünnige Provinz, die es zurückzuholen gilt, notfalls mit Krieg. Taiwan selbst pocht dagegen auf seine Unabhängigkeit. Wegen seines schwierigen völkerrechtlichen Status unterhielten 2021 nur 15 Staaten offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan. Wirtschaftlich ist das Land wegen seiner Chip-Produktion vor allem für Europa und die Vereinigten Staaten von Bedeutung. Letztere engagieren sich auch politisch in der Region, was China missfällt.

Weltgebetstag unterstützt  Frauenprojekte vor Ort in Taiwan

Ein Projektpartner, das Asian Women Ressource Center for Culture and Theology (c) © AWRC
Ein Projektpartner, das Asian Women Ressource Center for Culture and Theology

Gut 23 Millionen Menschen leben in Taiwan, das aus einer Haupt- und über hundert weiteren Inseln besteht. Landschaftlich wechseln sich schroffe Gebirgszüge, sanfte Ebenen und Sandstrände ab. Das Klima schwankt zwischen bis zu 38 Grad Celsius und Taifunen, die für reichlich Niederschlag sorgen, in den Sommermonaten und einem eher kühlen und oft zu trockenen Winter. Rund fünf Prozent der Bevölkerung ist protestantisch, gerade einmal anderthalb Prozent katholisch. Am stärksten verbreitet ist das Christentum unter den Indigenen (60 Prozent), die jedoch nur zwei Prozent der Gesamtbevölkerung Taiwans ausmachen. Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer in Politik, Wirtschaft und Bildung. Im Alltag ist die Sorge um die Familie jedoch noch immer weitgehend Frauensache.

Vom Leben und Glauben der Frauen in Taiwan erzählen die Geschichten in der Gottesdienstordnung. In Anlehnung an die dafür ausgewählte Bibelstelle aus dem Epheserbrief sind sie diesmal in Briefform gehalten. Sie sind ebenso wie die Landeskunde fester Teil der Weltgebetstagsliturgie: „Informiert beten – betend handeln“. Was sich auch in der Projektarbeit des Weltgebetstags zeigt. Durch Spenden und die Kollekte aus den Gottesdiensten werden über 100 Partnerorganisationen weltweit unterstützt, die sich vor allem für die Verbesserung der Situation von Frauen und Mädchen einsetzen und dafür, ihnen eine Stimme zu geben. In Taiwan sind das das „Asian Women’s Resource Center for Culture and Theology“ (AWRC), ein Netzwerk asiatischer Befreiungstheologinnen, das sich für theologische Bildung jenseits formaler Ausbildungsoptionen stark macht. Das „Hope Workers‘ Center“ setzt sich für die Unterstützung von Hausangestellten aus ärmeren Nachbarländern ein, die in Taiwan oft unter prekären und psychisch belastenden Bedingungen arbeiten. Die Stiftung „Garten der Hoffnung“ bietet von Gewalt betroffenen Frauen Schutzräume und stärkt sie auf dem Weg in die wirtschaftliche Eigenständigkeit.

All das möchten auch die ökumenischen Vorbereitungsteams in den Gemeinden in Aachen-Stadt und Aachen-Land sowie Jülich in ihren Gottesdiensten am Freitag, 3. März, weitertragen. Kein einfaches Vorhaben, ist es doch für viele Gruppen ein Neustart nach der Zwangspause durch Corona. Das wurde deutlich beim Austausch untereinander im Rahmen der regionalen Vorbereitungswerkstatt für den Weltgebetstag. Auch die konnte nach zweijähriger Pause erstmals wieder in Präsenz stattfinden. 2021 und 2022 hatten Annette Jantzen, regionale Frauenseelsorgerin für die beiden Aachener Regionen, und ihre Kollegin Petra Graff, Frauenseelsorgerin der Region Düren, die Werkstatt digital angeboten.

Jüngere Frauen gewinnen, ohne die älteren zu verlieren

Nach zwei digitalen Werkstätten haben sich Annette Jantzen (l.) und Petra Graff erstmals in Präsenz mit den Frauen zur Vorbereitung getroffen. (c) Andrea Thomas
Nach zwei digitalen Werkstätten haben sich Annette Jantzen (l.) und Petra Graff erstmals in Präsenz mit den Frauen zur Vorbereitung getroffen.

Gut 30 Frauen aus den beiden Aachener Regionen und aus Jülich (in Düren gibt es eine eigene Vorbereitung, die Jülicherinnen zog es dagegen immer schon eher nach Aachen) waren im Kloster der Schervierschwestern in Aachen zusammengekommen. Neben Landeskunde stand unter anderem das Singen und Einüben der Lieder auf dem Programm, was die Frauen als sehr hilfreich empfanden, da die wenigsten für den Gottesdienst instrumentale Begleitung haben. Einige Gruppen üben die Lieder auch mit den Frauen vor Ort im Vorfeld noch einmal.

Bei der Gottesdienstordnung gingen Annette Jantzen und Petra Graff bewusst nicht in die Tiefe. Sie gaben ein Beispiel für eine Meditation zum Titelbild, dazu, wie die ausgewählte Bibelstelle einzuordnen sei, und Anregungen, wie die Briefe, in denen die Geschichten von Frauen aus Taiwan vorgestellt werden, vorgetragen werden könnten. „Die Frauen können alle lesen. Da müssen wir hier nicht alles durchgehen. Wichtiger ist, dass sie in einen Austausch miteinander kommen“, sagt Petra Graff. Davon machten sie auch rege Gebrauch. Die Teilnehmerinnen stellten ihre Planung vor (fast überall wird der Gottesdienst ökumenisch vorbereitet und gefeiert) und berichteten von ihren Erfahrungen aus den vergangenen beiden Jahren. Positiv schnitt dabei der „Weltgebetstag in der Tüte“ ab. Das sei zwar aufwendig gewesen, aber gut angekommen, und hier und da hätten sich so auch neue Frauen ansprechen lassen.

Alle eint die Unsicherheit, wie viele Gäste nach der Coronapause kommen werden. Einige freuten sich, wieder zusammenkommen zu können, andere hätten sicher auch Abstand gewonnen, so das Fazit. Ein weiteres Problem, das auch die meisten Vorbereitungsteams teilen, ist, Jüngere zu gewinnen, ohne die Älteren zu verprellen. „Machen wir den Gottesdienst am späten Nachmittag oder frühen Abend, kommen die älteren Damen nicht, weil es ihnen zu früh dunkel wird. Legen wir ihn auf den Nachmittag, können jüngere Frauen meist noch nicht“, schildert eine der Teilnehmerinnen das Dilemma. Der Vorschlag der beiden Seelsorgerinnen, sich einmal unabhängig von der Vorbereitung für einen konkreten Gebetstag zu einem Ideenworkshop zu treffen, stieß daher auf breites Interesse.