In zwei Welten unterwegs

Gemeindereferentin Friederike Peters lebt nach mehr als 20 Jahren in Ecuador wieder in Deutschland

(c) Thomas Hohenschue
Datum:
22. Sept. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 39/2020 | Thomas Hohenschue

Immer wieder etwas Neues gewagt: Das zeichnet aus, was Friederike Peters sieht, wenn sie zurückblickt auf die letzten Jahrzehnte. Als Gemeindereferentin im Bistum Aachen gestartet, hat sie mehr als 20 Jahre in Ecuador gelebt und gearbeitet. Jetzt ist sie wieder in Deutschland, hat sich in der Vulkaneifel im Kreis Daun niedergelassen. Im kleinen Weidenbach geht sie ihre neue Existenz an, baut sich ein gemütliches Nest für einen aktiven Ruhestand. Sie will resümieren, schreiben, aufrütteln. 

Alt werden wollte Friederike Peters nicht in dem lateinamerikanischen Land, obwohl sie die Menschen dort ins Herz geschlossen hat. Das Gesundheitswesen ist nicht gut ausgebaut, es gibt keine Pflegedienste und auch wenig stationäre Einrichtungen. Die Alten leben weiter in ihren großen Familien, sie arbeiten so lange mit, wie ihre körperlichen Kräfte und Fähigkeiten es zulassen, und sollen nicht auch noch für sie sorgen müssen. Aber alte Menschen werden auch geachtet – deutlich mehr als hier in Deutschland, wo es viel mehr davon gibt, beobachtet Friederike Peters. Wenig Verständnis entwickelt sie für die Einsamkeit, in der viele alte und kranke Frauen und Männer in unserem Wohlstandsland leben. Das müsste nicht sein, meint sie. Was können wir also dafür tun, dass es diesen Menschen bei uns besser geht?

Ein inspirierendes Beispiel dafür, wie die mittlerweile 60-Jährige zwischen den beiden Welten, die sie gut kennt, gedanklich pendelt, Vergleiche zieht und daraus Wertungen und Forderungen entwickelt. Sie hat den Menschen in Deutschland etwas zu sagen und darauf bereitet sie sich vor. Denn was sie in Ecuador erlebt hat, vor allem im zweiten Teil ihrer 20 Jahre, hat viel mit unserer Lebensweise im reichen Westen zu tun, mit unserem überbordenden Öldurst, mit unserem Hunger nach billigen Rohstoffen, mit unserer Art zu wirtschaften. Unser Wohlstand hat ganz unmittelbar mit dem Elend anderer Menschen zu tun, er baut darauf auf. 

Friederike Peters hat es in den zehn Jahren genau verfolgen können, während der sie im Regenwald des Amazonasgebiets lebte. Staatliche Konzerne kamen mit internationaler Finanzierung, um das begehrte Öl aus der Erde zu holen. Den Bewohnern wird entschädigungslos ihr Land unter den Füßen zerstört. Die Konzerne roden den unendlich wertvollen ökologischen Lebensraum. Und die schlimmsten Alpträume wurden wahr, als durch einen Unfall ein ganzes Flusssystem kontaminiert wurde. Wir vernichten mit unserer Wirtschaftsweise in kurzer Zeit, was durch Gleichklang zwischen Mensch und Natur geprägt war – und zwar schon seit Jahrtausenden, kritisiert Friederike Peters. Und schaut zornig und besorgt zugleich auf die katastrophalen Wirkungen, die dieser soziale und ökologische Raubbau in Ecuador und anderswo für die Zukunft des ganzen Planeten hat.


Verbeulte Kirche an den Rändern sein

Nicht jeder in Deutschland wird nachvollziehen wollen, was die gebürtige Kaldenkirchenerin zu berichten hat. Und manch einer wird wohl auch fragen, was das mit Kirche zu tun hat. Kirchlich getragene Entwicklungszusammenarbeit hat immer mit solchen Vorhaltungen zu kämpfen, vor allem, wenn es um unbequeme Rückfragen an uns Wohlhabende geht. Friederike Peters ist genau das aber wichtig an der Kirche: dass die Menschen sich selbst aus bedrängender Unterdrückung befreien und so gemeinsam Kirche sind.

Da weiß sie sich beim aktuellen Papst Franziskus gut aufgehoben. Er hat alles auf den Punkt gebracht, was sie in den 20 Jahren ihres kirchlichen Einsatzes in Ecuador gelebt hat. Sie ist an die Ränder gegangen, zu den Menschen, die nicht im Blick sind, seien es entrechtete Afro-Ecuadorianer, mit denen sie um deren kulturelle Identität kämpfte, sei es bei den Bewohnern des Flussgebiets im Amazonas, die sich über schulische Bildung neue Lebensperspektiven erschlossen. 

Friederike Peters war, wo andere wegschauen. Und sie lebte mit den Menschen, schlief in ihren Häusern, auf Wanderschaft zwischen 30 weit verstreuten Flussdörfern, weit weg von einem Lebensstandard, den die Menschen in Deutschland akzeptieren würden. Das ist wohl das, was Papst Franziskus mit der verbeulten Kirche meint, die er sich so sehr wünscht. Wie das gehen kann, haben viele Ortskirchen – auch die deutsche – immer noch nicht herausgefunden. Sie müssten wohl ihren Mitarbeitern besser zuhören, die davon berichten können: wie zum Beispiel der Gemeindereferentin Friederike Peters.

In diesem Sinne den christlichen Glauben zu leben, war immer ihr Motiv gewesen und hat sie getragen. Nach den ersten Stationen in Nettetal-Hinsbeck, Monschau-Mützenich und Stolberg-Donnerberg zog es sie ins Ausland. Ihre Erfahrungen mit vorgesetzten Pfarrern waren nicht nur die besten gewesen. Friederike Peters wollte schauen, ob es woanders eine andere Kirche gibt. Sie fand sie und sie fühlte sich darin bestärkt, mit den Menschen zu leben und zu arbeiten für ein würdiges, erfülltes Leben in der Gemeinschaft und vor Gott.


Befreiend: Leben und Glauben verbinden 

Trotzdem stieß sie schließlich auf den ungeliebten alten Bekannten – den tiefen Malus der Institution: ein geweihter Mann, der alles einreißt, was in jahrelanger Arbeit aufgebaut wurde, wenn es ihm persönlich nicht gefällt. Das kennt man aus Pfarreien im Bistum Aachen, das kannte auch Friederike Peters, und nun erlebte sie es wieder in Ecuador. So gibt es auch in diesem Punkt wieder Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Welten. Wie sich die deutsche Kirche zerreißt in der Suche nach ihrer Gestalt von morgen, befremdet sie. 

Für sie ist der Weg der Christusnachfolge der klare Auftrag, Leben und Glauben miteinander zu verbinden. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft sind eben nicht etwas neben der Heilsbotschaft der Kirche, sondern untrennbar damit verbunden. Wie befreiend eine solche kirchliche Praxis für Menschen ist, wie sehr ein solches Selbstverständnis das Leben und den Glauben in Gemeinschaft bereichert, hat Friederike Peters sehr oft in Ecuador erlebt. Und genauso könnte es auch hier sein: das Evangelium leben aus der tätigen Nächstenliebe. Menschendienst ist Gottesdienst: Das ist nicht nur die Überzeugung der Gemeindereferentin, sondern auch ihre gefestigte Erfahrung.

Unter www.weltkirche-im-bistum-aachen.de wird Friederike Peters ab 4. Oktober ein 
ganzes Jahr lang im wöchentlichen Turnus weiter berichten. Ihr Blog trägt den Titel: 
„Welten-Sprünge. Eifel, Amazonas und zurück“.

Friederike Peters: Leben in Ecuadors Amazonasgebiet

2 Bilder