In der Historie gegraben

Archäologen fanden im Gladbacher Brunnenhof Spuren aus dem Hochmittelalter und dem II. Weltkrieg

Archäologe Dáire Leahy (vorne, hockend) zeigt die freigelegten Fundamente des früheren Kreuzgangs der Abtei. (c) Stadt Mönchengladbach
Archäologe Dáire Leahy (vorne, hockend) zeigt die freigelegten Fundamente des früheren Kreuzgangs der Abtei.
Datum:
1. Sept. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 36/2020 | Garnet Manecke

Die frühere Benediktinerabtei im Mönchengladbacher Stadtzentrum ist die Wurzel der Stadtgründung. Die Gebäude, die neben dem Rathaus auch die Münsterbasilika einschließen, umrahmen mehrere Innenhöfe. Einer davon ist der Brunnenhof, der lange der Garten der Bischöflichen Akademie war. Bei Arbeiten zur Umgestaltung haben Archäologen Reste eines Kreuzganges und Grabstellen gefunden.

Von der Straße aus bleibt nur der Blick durch die eiserne Gittertür. Man sieht links die Säulen, die das Gebäude des Lehrerseminars stützen, und rechts die Mauern, die den Brunnenhof zum Innenhof des Rathauses Abtei abgrenzen. Der Brunnen, der dem Brunnenhof seinen Namen gibt, steht links, außerhalb des Sichtfelds. Hier haben sich einst die Mönche gewaschen und ihre Tonsur regelmäßig nachgeschnitten. Das ist einige hundert Jahre her. Heute führt der Brunnen kein Wasser mehr, das Mauerwerk ist dicht von Blattwerk umrankt.

Wie der Brunnen hat sich auch der Rest des Gartens, in dem früher die Schüler der Außenstelle der Bischöflichen Akademie wandelten, stark verändert.
In den vergangenen Jahren wurde er etwas vernachlässigt. Flora und Fauna haben das genutzt, um sich weitestgehend frei zu entfalten. Damit soll jetzt Schluss sein, denn der Münsterbauverein hat beschlossen, den Brunnhof wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine ruhige Oase mitten in der Stadt soll er werden. Die Pläne dafür wurden bereits vor zwei Jahren vorgelegt, die ersten Arbeiten sollten vergangenes Jahr beginnen. Aber der neue Garten ist nur der eine Teil. Auch die Pfarrei St. Vitus, der der Innenhof gehört, hat Pläne: Sie will die Sakristei des Münsters erweitern. Dazu soll ein Teil bebaut werden. Doch bevor hier Bagger und Bauarbeiter anrücken können, haben Archäologen den Grund untersucht und sind dabei auf Reste des Fundaments eines früheren Kreuzganges gestoßen. Der Kreuzgang müsste so um das Jahr 1000 hier entstanden sein, wird geschätzt.

Dass an diesem Ort Spuren früherer Generationen gefunden werden, hat niemanden überrascht. Bisher hat man dabei vor allem an die Benediktiner und das mehr oder weniger friedliche Leben einer Klostergemeinschaft gedacht. Gegründet wurde die Abtei auf dem Hügel um 974 von Erzbischof Gero. Die Abtei und die mit ihr verbundenen Menschen haben neben guten Zeiten der wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Blüte auch dunkle Zeiten mit Krisen, Krankheiten und Kriegen durchlebt. Nach der Säkularisation in den linksrheinischen Départements durch die Franzosen 1802 verließen die Mönche das Kloster. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Räume unter anderem von einer Baumwollfabrik und der Bischöflichen Akademie genutzt. Heute werden in einem Teil der Gebäude Lehrer ausgebildet, ein Catering-Unternehmen hat hier seine Küche, und ein Teil der früheren Abtei ist das Rathaus der Stadt. In den vergangenen 1046 Jahren ist also einiges an Geschichte zusammengekommen. 

Der Fund des L-förmigen Bunkers unter dem Brunnenhof war überraschend
Das meiste ist in den Archiven und Chroniken dokumentiert. Dennoch gibt es hier und da eine Lücke, die bei den Archäologen bei ihrer Spurensuche für eine Überraschung sorgt. Die unterirdischen Räume, die man durch die quadratische Öffnung unter der schweren Metallplatte erreicht, gehören dazu. Archäologe Dáire Leahy ist mit seinen Kollegen hinuntergestiegen und hat dort unten die Räume einer Bunkeranlage gefunden. Er vermutet, dass die L-förmige Anlage vor oder während des Krieges angelegt wurde. Die Größe des Bunkers weise nicht darauf hin, dass er für die Allgemeinheit bestimmt war, sagt Leahy. Es könnte auch sein, dass hier der Münsterschatz in Sicherheit gebracht werden sollte.

Auch die gefundenen Grabstellen, die die Archäologen dem Hochmittelalter zuordnen, waren eine Überraschung. Dunkle Verfärbungen im Boden markieren die Gräber, aber die Archäologen haben auch einige Knochenfragmente gefunden. Dass es hier einst einen Kreuzgang gegeben hat, war schon bekannt, bevor die Archäologen mit ihrer Arbeit begonnen haben. Auf dessen Spuren sollen auch zukünftig Besucher wandeln können, wenn der Umbau des Gartens abgeschlossen ist. Geplant ist, dass sich die Wegführung durch den neuen Garten an dem Verlauf des früheren Kreuzgangs orientiert. Auch der Brunnen soll im Gesamtbild wieder mehr hervorgehoben werden. Als „Lavatorium“ (Brunnenhaus) wird er in das Gesamtbild eingebunden. In dem Bereich gegenüber soll ein kleiner Platz entstehen, der auch für kleinere Veranstaltungen genutzt werden kann.
Wenn alles fertig ist, soll der Brunnenhof über drei Eingänge erreichbar sein: vom Abteigarten, der zwischen Münster und Museum Abteiberg liegt, von der Abteistraße aus und direkt aus dem Münster. Damit wird der Innenhof ein Teil des Ensembles mit Geroweiher am Fuße des Abteibergs und Hans-Jonas-Park im Westen. Anders als in der benachbarten Citykirche werden die gefundenen Gräber dann nicht mehr sichtbar sein. 

Bis 2022 werden die Arbeiten voraussichtlich dauern. Das bedeutet, dass der Brunnenhof bei der kommenden Heiligtumsfahrt im Juni 2021 nicht einbezogen werden kann. Die Münsterbasilika, die den Hof an der Südseite begrenzt, ist das Zentrum der Heiligtumsfahrt. Hier wird das 90 mal 20 Zentimeter große Stück Leinentuch, das als Teil des Tischtuchs beim letzten Abendmahl gilt, in einem goldenen Schrein aufbewahrt. Alle sieben Jahre wird der Schrein geöffnet und das Tuch den Gläubigen gezeigt. In diesem Jahr ist das Motto der Heiligtumsfahrt „Verwoben“. Ein Motto, das auch zu der Geschichte des Brunnenhofs passt, die die Vergangenheit mit der Zukunft verbindet.

www.muenster-bauverein-mg.de
www.heiligtumsfahrt.de

 

s. dazu auch den Standpunkt der Autorin.

Die Grabung auf dem Brunnenhof

3 Bilder