In Wertschätzung eine Eins

Das Berufskolleg des Aachener Vinzenz-Heims macht junge Menschen mit Handicap fit fürs (Berufs-)Leben

Berufskolleg Vinzenzheim Nachricht (c) Vinzenz-Heim/Pedro Citoler
Berufskolleg Vinzenzheim Nachricht
Datum:
4. Apr. 2017
Von:
Andrea Thomas
Ein gewöhnliches Berufskolleg ist: groß und weitläufig, bietet eine Vielzahl von Fächern an und hat einige hundert Schüler.
Berufskolleg Vinzenzheim Quadrat (c) Vinzenz-Heim/Pedro Citoler
Berufskolleg Vinzenzheim Quadrat

Ganz anders das Vinzenz-von-Paul-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung in Aachen. Mit nur zwei Fluren, einer guten Handvoll Klassenräumen, drei Computerräumen, einem kleinen Lehrerkollegium und aktuell 69 Schülern ist es ein ganz eigener – und besonderer – schulischer Mikrokosmos.

Das Berufskolleg des Aachener Vinzenz-Heims ist eine private Förderschule für junge Menschen mit körperlich-motorischem Handicap in Trägerschaft der Josefsgesellschaft. Die Schüler, überwiegend zwischen 17 und 21 Jahren, qualifizieren sich hier für eine weiterführende höhere Schule oder eine berufliche Ausbildung. Aber nicht nur das: Sie lernen hier auch Selbstbewusstsein, wie sie ihre individuellen Fähigkeiten einsetzen und was sie damit erreichen können, beruflich, aber auch für ein eigenständiges Leben. Dazu bekommen sie hier Zeit, um sich zu entwickeln, sowie Akzeptanz und Wertschätzung. „Sie sollen spüren, dass sich ihre Lehrer über ihren Erfolg freuen und dass diese sie dabei unterstützen“, sagt Schulleiter Reinhard Conin. Eine Erfahrung, die viele seiner Schüler so an einer Regelschule oder einer anderen Förderschule noch nicht gemacht haben. Das Vinzenz-von-Paul-Berufskolleg bietet ihnen dazu die Rahmenbedingungen: kleine Klassen mit neun bis zwölf Schülern, in übungsintensiven Fächern unterrichten zwei Lehrer, es gibt Förderkurse und Klassenzimmer, die sich am individuellen Unterstützungsbedarf der jeweiligen Schüler orientieren.

„Einige schreiben mit der Hand, andere nutzen den Computer zur Unterstützung. Wichtig ist: Die Schüler sollen es selbst machen und wir müssen überprüfen können, ob sie den Stoff verstehen“, erläutert Reinhard Conin. Angeboten werden eine einjährige Ausbildungsvorbereitungsklasse zur beruflichen Orientierung und zum Erwerb des Hauptschulabschlusses Klasse 9 sowie die zweijährige Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung. Die Schüler kommen aus dem ganzen Bistum und darüber hinaus, weshalb der Schule ein Internat angegliedert ist. Der Lehrplan ist der gleiche wie an anderen Berufsfachschulen. Nur der Stundenplan ist etwas anders. „Unsere Unterrichtswoche geht von Dienstag bis Samstag, damit die Schüler montags die Möglichkeit haben, Dinge an ihrem Heimatort zu regeln“, erläutert Reinhard Conin.

 

Jeder wird akzeptiert, wie er ist

In der Klasse von Engelbert Baumann und Regine Jost steht an diesem Vormittag Bürowirtschaft auf dem Stundenplan. Vor jedem der Schüler steht ein Karteikasten mit Informationen und Aufgaben zur „Rand OHG“, der Übungsfirma, mit der sie die verschiedenen Bereiche und Abläufe innerhalb einer Firma vom Einkauf über die Lagerverwaltung bis zum Verkauf kennenlernen und praktisch erarbeiten. Jeder arbeitet selbstständig, in seinem eigenen Tempo. Immer wieder geht eine Hand hoch, wenn einer der Schüler Hilfe braucht: „Können Sie mal gerade gucken?“ Die beiden Lehrer erklären, geben Tipps und Motivationshilfe. Die Stimmung ist locker – da wird auch mal gescherzt – aber auch hoch konzentriert.

Von den Schülern gibt es durchweg Lob für ihre Schule. „Der Umgang miteinander hier ist super“, sagt Niklas (17). Sein Rollstuhl falle hier überhaupt nicht auf. „Wir sind hier alle auf einer Ebene, Unterschiede gibt es nicht“, ergänzt Marcel (18). „Jeder wird hier akzeptiert, wie er ist“, bestätigt auch Hduka (20). Die junge Frau möchte Bürokauffrau werden und dafür bekomme sie hier von all ihren Lehrern Unterstützung. „Sie nehmen sich Zeit, um mit uns über unsere Zukunft zu reden. Außerdem lernt man hier Selbstständigkeit“ „Die Lehrer versuchen, das Bestmögliche aus jedem von uns zu machen“, lobt Marcel. Niklas findet es vor allem gut, dass jeder hier seine Chance bekommt: „Wenn man mal für etwas mehr Zeit braucht, kann man das regeln, selbst in einer Klassenarbeit. Vieles, von dem ich dachte, dass ich es verstanden hätte, wird hier noch mal vertieft und macht so mehr Sinn.“

Eine, die beide Seiten kennt, ist Gabriele Schankweiler. Von 1966–68 war sie Schülerin, seit 1979 ist sie Lehrerin an der Schule. „Hier wird nicht die Behinderung, sondern der Mensch gesehen. Jeder kennt hier jeden, das schafft Vertrauen und Sicherheit.“ Eine Sicherheit, die die jungen Menschen brauchen und mit der sie dann auch hinaus ins Leben gehen.

Auskunft: www.vinzenz-von-paul-berufskolleg.de