Gabriele Unger erinnert sich noch gut an ihren ersten Besuch im Trauercafé. Vor fast sechs Jahren war das, neun Monate zuvor hatte sich ihr geschiedener Mann das Leben genommen. Ihr damals 13 Jahre alter Sohn sprach nicht über den Verlust und über seine Trauer. Als sie in der Zeitung las, dass sich im Viersener Haus der Caritas einmal im Monat trauernde Menschen in einer professionell geleiteten Gruppe treffen, stand ihr Entschluss fest: Hier suche ich Hilfe.
„Es waren viele Menschen da, und ich habe erst gedacht, ich komme nicht dran mit meinem Anliegen“, sagt Gabriele Unger rückblickend. Lachend fügt sie hinzu: „Aber im Trauercafé kommt jeder dran.“ Ihr Umfeld reagierte damals überwiegend positiv. Viele Freunde fanden es toll, dass sie sich Unterstützung holte und den Mut hatte, sich zu öffnen. „Selbst mein Sohn sagte zu mir: ,Ich bin froh, dass du das machst!‘“, berichtet die heute 58-Jährige.
Was unterscheidet eine Gruppe wie das Trauercafé von einem guten Freund oder einer Freundin, mit der man über seine Gefühle sprechen kann? „Die Freundin ist fürsorglich, streichelt dir über den Rücken, tröstet dich. Das Trauercafé hingegen ist professioneller. Dort sind Menschen, die dasselbe erleben, und dort helfen sie dir auf die Sprünge, damit du selber Lösungen findest“, erklärt Unger, die inzwischen eine systemische Fortbildung absolviert hat und sich ehrenamtlich in der Trauerarbeit des Caritasverbandes engagiert.
Maria H. (Name geändert) hat ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Vor dreieinhalb Jahren ist ihr Mann gestorben. Ins Trauercafé kam sie erstmals gut drei Monate nach seinem Tod. „Ich wollte mich austauschen und hören, wie andere mit ihrem Verlust umgehen“, sagt die
61-jährige Viersenerin. Seitdem ist sie dabei. „Ich fühle mich wohl in der Gruppe. Die anderen verstehen, wie man sich fühlt, auch ohne große Worte“, erklärt sie. Auch heute noch ist ihre Trauer oft präsent: „Mir geht es schlecht und gut, mal so, mal so.“
Genau das könnten Außenstehende oft nicht nachvollziehen, weiß Susanne Kiepke-Ziemes, die das Trauercafé gemeinsam mit Doris Zingsheim leitet. „Sie sagen dann: ,Du hast doch jetzt lange genug getrauert. Das Leben geht weiter.‘“ Dabei werde Trauer sehr individuell empfunden: „Trauer ist unsere Reaktion auf einen Verlust. Wir versuchen, dem verstorbenen Menschen einen Platz in unserem Leben zu geben.“ Irgendwann sei der Verlust akzeptiert und weniger schmerzhaft, aber deshalb sei die Trauer nicht vorbei, erklärt Susanne Kiepke-Ziemes. „Manche haben ihre Trauer vier Jahre alleine gelebt und sind dann ins Trauercafé gekommen, weil sie in ein Loch gefallen waren“, berichtet die Sozialpädagogin und systemische Beraterin. Für viele Trauernde sei das zweite Jahr das schwierigste.
Allerheiligen, Totensonntag, der Todestag des Verstorbenen, Weihnachten: „Die Trauer kann und darf immer wieder hochkommen“, sagt Caritas-Mitarbeiterin Doris Zingsheim. Es gebe viele Möglichkeiten, mit Trauer umzugehen. „Entscheidend ist, dass man seine eigene Möglichkeit findet“, erklärt sie. Dabei helfe das Trauercafé, betonen die Caritas-Vorstände Peter Babinetz und Christian Schrödter. Sie gratulieren Susanne Kiepke-Ziemes und Doris Zingsheim zum zehnjährigen Bestehen des Trauercafés. Dem regionalen Caritasverband sei es wichtig, eine professionelle Trauerarbeit anzubieten, sagen die beiden Vorstände.
Gerade in der Corona-Zeit ist das offenbar noch notwendiger. Es gebe in diesem Jahr deutlich mehr Anfragen, berichtet Susanne Kiepke-Ziemes: „Unter den besonderen Bedingungen der Coronakrise empfinden viele Menschen die Trauer noch schlimmer.“
Das Trauercafé des Caritasverbandes findet an jedem dritten Donnerstag im Monat von 18 bis 19.30 Uhr statt. Wegen der Corona-Pandemie trifft sich die Gruppe zurzeit online oder in Räumen der Rheinischen Gesellschaft für systemische Therapie in Viersen. Information und Anmeldung unter Tel. 0173/1005470 (Doris Zingsheim) oder 0173/7596301 (Susanne Kiepke-Ziemes). Die beiden Caritas-Mitarbeiterinnen sind auch außerhalb des Trauercafés für trauernde Menschen da. Für das nächste Jahr sind weitere Veranstaltungen für Trauernde geplant, darunter ein Museums- und ein Konzertbesuch, ein Kunstwochenende und eine Trauerreise.