Im Herzen noch „Pastor“

Weihbischof Karl Reger ist auch im 60. Jahr seines Priesterlebens vom positiven Gottesbild geprägt

Gerne lässt sich der Weihbischof zu Festtagen einladen. In Welz feierte er den 50. Weihetag der Kirche mit den Gläubigen in einer Messe. (c) Foto: Dorothée Schenk
Gerne lässt sich der Weihbischof zu Festtagen einladen. In Welz feierte er den 50. Weihetag der Kirche mit den Gläubigen in einer Messe.
Datum:
28. Juli 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 31/2020 | Dorothée Schenk

Weihbischof Karl Reger hat eigentlich im ganzen Bistum Aachen Heimat – und das nicht nur qua Amt. Gebürtig in der Eifel war er in seiner priesterlichen Zeit am Niederrhein von St. Albertus in Mönchengladbach über St. Josef in Viersen und St. Gertrudis in Krefeld-Bockum und letztlich als Regionaldekan der Bistumsregion Krefeld-Meerbusch tätig, bis er 1986 als Weihbischof berufen wurde. Heute ist er in Aachen im Schatten des Domes zu Hause. Jetzt feierte Karl Reger sein 60-jähriges Priesterjubiläum in der Eifel. Was den fast 90-Jährigen bewegt, erzählte er KiZ-Redakteurin Dorothée Schenk im Gespräch.

Weihbischof em. Karl Reger wurde vor 60 Jahren zum Priester geweiht. (c) Foto: Dorothée Schenk
Weihbischof em. Karl Reger wurde vor 60 Jahren zum Priester geweiht.

Sie haben zu Ihrem Weihejubiläum viel Post und gute Wünsche bekommen. Was wünschen Sie „Ihrer“ Kirche?

Ich habe eine große Sympathie für den jüdisch-christlichen Namen „Immanuel“. Das heißt: Gott mit uns. Was mich in den 60 Jahren gehalten und getragen hat, ist, dass ich das Gottvertrauen nie verloren habe. Daran knüpfe ich den Wunsch, dass es uns allen so gehen möge wie mir. Ich liebe Verse des Vertrauens wie Psalm 36:9 „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, in Deinem Licht sehen wir das Licht“ – also ein positives Gottesbild. Ich kann das Geheimnis Gottes nicht in der Gänze und der Tiefe ausloten, aber durch die Menschwerdung Jesu hat Gott eine Türe geöffnet, durch die wir Zugang zu ihm haben. Und das wünsche ich den Menschen heute. Nichts ist im Augenblick dringlicher, als Gott zu suchen.

60 Jahre sind eine lange Zeit. Was waren die einschneidendsten Momente Ihres Priesterlebens?

Ich bin 1960 geweiht worden, das waren die glorreichen Jahre des 2. Vatikanischen Konzils. Zu der Zeit wurde ich Kaplan in Mönchengladbach Mitte, und es gab eine blühende Jugendarbeit in dieser Pfarre St. Albertus. Das Konzil war ein Geistesschub in der Kirche, der bis heute noch spürbar ist. Prägend war für mich auch die Person von Klaus Hemmerle, seine Theologie. Über 30 Jahre habe ich außerdem in der Bischofskonferenz die Gruppe „Fragen des Judentums“ geleitet als Unterabteilung der Ökumene-Kommission. Das Judentum als Wurzel des Glaubens und die Sorge um die christlich-jüdische Beziehung hat in meinem priesterlichen Wirken eine große Rolle gespielt. Beispielsweise haben wir im Hintergrund die Gedenkfeier 50 Jahre Auschwitz vorbereitet.

Das passt zu Ihrer Überzeugung, dass es wichtig war und ist, „die Dinge“ beim Namen zu nennen.

Ich leide unter den Missständen in unserer Kirche. Die Glaubwürdigkeit hat schwer gelitten. Missstände müssen beim Namen genannt werden. Übel ist Übel. Wir müssen auch beim Missbrauch sagen, was es für ein Verbrechen ist. Wir müssen das Augenmerk auf die Opfer legen. Aber ich liebe die Kirche auch und habe eine Leidenschaft für Ortsgemeinden. Hier müssen wir fragen, welche Wege nötig sind in einer Kirche mit weniger werdendem Personal.

Da geht es auch um Strukturen. Welche Haltung haben Sie zum synodalen Prozess?

Strukturen sind nur dann sinnvoll, wenn sie dem Vernetzungsgewebe des Glaubens dienen. Grundsätzlich stehe ich positiv zum synodalen Prozess, muss aber an Kardinal Koch denken, der gesagt hat: „Die Kirche ist eine synodale und eine hierarchische Gemeinschaft.“ Das sind zwei Schlüsselworte, wie man Kirche definieren kann. Und dann sagt er ein bisschen kritisch: „Ich kann noch nicht genau erkennen, wie diese beiden Prinzipien zusammenkommen.“ Das sehe ich auch so.

Es gibt eine Anekdote über Ihre Berufung zum Weihbischof durch Bischof Hemmerle. Sie sollen gesagt haben: „Ich bin doch so gerne Pastor.“ „Und genau deshalb sind Sie der richtige“, habe Bischof Hemmerle geantwortet.

Manche sagen mir (Weihbischof Reger lacht), dass ihnen auffällt, dass ich im Herzen immer ein Stück „Pastor“ geblieben bin. Das höre ich gar nicht so ungern. Auch meine Examensarbeit beschäftigte sich mit dem Thema. Sie hieß: „Der personale Aspekt in der Seelsorge“. Ich glaube, dass die gute Botschaft des Evangeliums ohne Kommunikation, ohne den Gemeinschaftsbezug nicht vermittelbar ist. Darum lautet mein bischöflicher Wahlspruch auch „Deus Caritas“ – „Gott ist die Liebe“. Auch die Liebe lässt sich nur im Miteinander, im Füreinander, im persönlichen Bezug weitergeben. „Kirche in Beziehung als pastorales Leitbild“ haben sich die Hamburger als Leitwort gegeben – das ist etwas, das mir liegt. ­

Woran erinnern Sie sich als Weihbischof besonders gerne?

Ich würde es mal pauschal sagen: an die große Schar der Jugendlichen, die ich firmen durfte. Das war eine Kommunikation mit Jugendlichen,  die mir immer viel Freude gemacht hat. Aber ich habe darüber hinaus so viele Begegnungen und Erfahrungen mit Menschen machen können – ob in Kolumbien, wo ich gewesen bin, oder auf den Philippinen. Wichtig ist mir, auf die Not vieler Kinder hinzuweisen. Das Missio Kinderhilfswerk ist für mich eine Schaltstelle, eine Brücke. Die Kinder sind wehrlos, unschuldig und können sich nicht selbst helfen, darum muss ihnen geholfen werden. Dass sind zwei Bereiche, die mir wichtig sind: Der Blick auf die Kinder und der Blick auf die Jugendlichen gehören in mein pastorales Denken.

Über die Aufgabe im Bistum Aachen hinaus waren sie Titularbischof von Ard Sratha.

In Rom werden Listen geführt mit ehemaligen, untergegangenen Bistümern. Mir wurde dann mitgeteilt: Sie sind Titularbischof in Ard Sratha, Nordirland. Es war ein kleines Regionalbistum in der Nähe von Londonderry, wo seinerzeit die großen Unruhen waren. Ich bin im Urlaub mal dahin gefahren. Zum Bistum, für das ich zuständig bin, gehört ein ehemaliges Kloster vom Heiligen Edmund aus dem 6./7. Jahrhundert. Man weiß  nicht mehr genau, wo das Kloster stand. Es war interessant, das Gelände zu erforschen und etwas darüber zu erfahren. Es ist mehr oder weniger Diaspora.

Für Ihren Dankgottesdienst zum Jahrestag ihrer Priesterweihe vor 60 Jahren sind Sie in Ihren Geburtsort Giescheid in der Eifel zurückgekehrt. Wie kam es dazu?

Meinen Hauptwohnsitz habe ich am Katschhof 2 in der Nähe des Domes. Trotz meines Alters habe ich mich immer noch gerne einladen lassen: Ich habe gefirmt, zuletzt auch noch einen Jubiläumsgottesdienst in Mönchengladbach gehalten. In begrenztem Maße ist mein Alltag auch noch ein Dienst in der Kirche gewesen. Das hat sich in Corona-Zeiten natürlich stark geändert. Während der Pandemie bin ich in das Haus meines Neffen „geflüchtet“ und wohne jetzt zeitweise in der Eifel. Hier ist es schön, hier werde ich gut versorgt, meine drei Geschwister leben in der Nähe. Ich gehe gerne wandern und lege auch wert darauf, dass man die Eifel zunehmend entdeckt als historisch-kulturell wichtiges Zentrum. Es gibt nicht nur Burgen, es gibt großartige Dorfkirchen. Ich habe in meiner Heimatgemeinde jetzt schon ein paar Mal die Messe zelebriert.

Vor welcher Aufgabe steht die Kirche in Zukunft?

Die Menschen müssen uns brennend am Herzen liegen, und da gehören auch jene zu, die es schwer mit uns haben.  Der Atheist hat auch seine Not. Die Gottesfrage alleine ist es nicht. Ich glaube, es ist diese leidenschaftliche, sehnsüchtige Suche nach der Sinnperspektive. Manchmal schafft man schon durch ein freundliches Gespräch eine Brücke. Dieses ganze Feld müssen wir bestellen: Was ist der Mensch? Was ist das Suchen nach Gott? In diese Fragen muss ein neues Feuer kommen.