Das ist sicher der größte Unterschied zu den städtischen Büchereien – und der stete Kampf gegen das „verstaubte“ Image. Drei Beispiele.
In dem knapp 1300-Seelen-Ort Barmen bei Jülich gibt es seit 26 Jahren eine KÖB. Letztes Jahr wurde Silber-Jubiläum gefeiert. Seit der Fusionierung der Gemeinde St. Martinus mit den 15 weiteren Gemeinden rund um die Kernstadt Jülich zur Pfarrei Heilig Geist hat die Jülicher KÖB geschlossen. Seither ist die jetzt zentrale Bücherei der Pfarrei im alten Pfarrhaus von Barmen. „Wir verstehen uns als KÖB für alle“, unterstreicht deren Leiter Alfons Müller. Schwierigkeiten bereitet die Versorgung des flächenmäßig umfangreichen Seelsorgebereichs. „Wenn man in Selgersdorf wohnt, dann fährt man nicht für ein Buch nach Barmen.“ Seit zwei Jahren wirbt Müller dafür, dass sich Verantwortliche in den anderen Gemeinden bereit erklären, eine Art Bring- und Holdienst ins Leben zu rufen. Die Buchung könne online erfolgen, meint er. Auf 20 Quadratmetern werden 1300 Bücher vorgehalten, 200 Filme auf DVD und 150 Blu-Ray-Filme. Darüber hinaus ist die KÖB Barmen an das bistumsweite Verleihnetz für E-Medien angeschlossen. 5400 E-Books können online entliehen werden und auch E-Audios. In der Kernstadt gibt es eine städtische Bücherei; die KÖB füllt Öffnungszeiten, die in Jülich nicht zur Verfügung stehen: donnerstagnachmittags und an den Wochenend-Tagen.
139 Stunden im Jahr ist geöffnet. Ein siebenköpfiges Team organisiert die ehrenamtliche Bücherei und verzeichnete 2000 Entleihen im vergangenen Jahr. Dafür braucht es nicht mehr Personal, meint Alfons Müller. Als Pflichtaufgabe des Bistums sieht der Bücherei-Leiter die KÖB und als Ergänzung zum pastoralen Angebot für die Gemeindemitglieder: „Die KÖB muss beabsichtigt sein, weil wir ein niederschwelliges Angebot machen können. Ausschließlich mit dem Sonntagsgottesdienst erreichen wir die Menschen nicht mehr.“ Schließlich schließt das Team nicht nur die Türen auf: „Wir können beraten, wir können mit den Menschen ins Gespräch kommen.“ Donnerstags gibt es kostenlos einen Kaffee beim Besuch der KÖB. Zusätzlich wird jeden zweiten Sonntag im Monat ein Kinder- und Familienfilm gezeigt – auf Nachfrage von anderen Gemeinden geht das KÖB-Kino auf Tour. Zum Borromäus-Tag am 4. November findet im Pfarrhaus eine Cafeteria mit großem Bücher- und DVD-Flohmarkt statt.
Etwa einen Kilometer von der Kirche St. Ägidius entfernt liegt die KÖB Wolfert im Ortsteil von Hellenthal, die Petra Klein mit sechs Ehrenamtlichen betreibt. Immer dienstags von 16.30 bis 17.30 Uhr empfangen sie vor allem Stammkunden, darunter in jüngerer Vergangenheit auch wieder mehr Kinder, wie die Bücherei-Leiterin erfreut bemerkt. Mit Jugendlichen ist es schwieriger, aber das betrifft natürlich nicht nur diese Bücherei. Zwar gehört die Bücherei zur Pfarrei, „aber es dürfen auch gerne Menschen darüber hinaus kommen – das kommt aber selten vor“. Schließlich, so sieht Petra Klein es realistisch, sei es einfacher, im Internet zu bestellen: „Es wird ins Haus geliefert, und Bücher kosten ja auch nicht mehr so viel.“ Rund 3000 Medien sind im Angebot – wie in den meisten KÖB kostenlos. Natürlich freut sich auch Petra Klein über eine Auffrischung des Bestandes. Aber viel Etat hat sie nicht. Finanziert wird die kleine Bücherei überwiegend durch Zuschüsse des Bistums. Dann gibt die Pfarrei „schon mal“ etwas dazu, oder es kommt Geld rein, wenn man eine Cafeteria mit Buchausstellung anbietet. Viel Erlös kommt nicht dabei heraus, „aber wir sind auch nicht sehr anspruchsvoll. Wir nehmen, was wir haben, und pflegen es.“
In diesem Jahr wird es nur eine Buchausstellung im Bürger- und Vereinshaus geben (am 4. November ab 14 Uhr), „weil Veranstaltungen wie bisher viel Arbeit sind“. Kuchenspenden müssen erbeten werden, und immer sei unklar, ob Besucher kommen. Es lohne sich nicht immer. „Wir bestehen jetzt seit 20 Jahren, im Augenblick ist Stillstand“, zieht die Bücherei-Leiterin eine etwas abgeklärte Bilanz und wünscht sich: „Es wäre schön, wenn ein bisschen mehr Zulauf wäre.“
Auf dem Kirchplatz im Schatten von St. Martinus Linnich ist die KÖB der Kirchengemeinde zu Hause. Die Stadt zählt rund 12500 Einwohner, etwa 300 nutzen aktiv das Angebot von Annemiek Krieger und ihren zehn Mitstreiterinnen. Die Zahl reicht gerade so, denn zu den sechs Ausleihstunden in der Woche „ist noch so viel Arbeit, die von den Lesern nicht gesehen wird“. Einkauf, Einarbeiten der Bücher in die Computer, ein- und aussortieren … Freiwillige Selbstbeschränkung ist das Leitmotiv der Linnicher. Nach der Fläche dürfte die KÖB 3700 Medien vorhalten, aber „weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass es nicht so gut läuft, wenn es zu vollgestopft ist“, sind es „nur“ 3400. Das erfordert viel Kontrolle. Der Computer sei eine große Hilfe, betont Annemiek Krieger. „Mit dem Programm kann man gut überprüfen, was nicht läuft.“ Was zwei Jahre nicht ausgeliehen wurde, wird aussortiert, oder was älter als 10 Jahre ist. Aktualität ist ein wichtiges Stichwort. Hier hat das Team sachkundige Hilfe zur Hand: Die erfahrene Buchhändlerin Gudrun Kaschluhn sei beim Bestandsaufbau eine gute Hilfe. Durch ihre Kontakte zu Verlagen habe sie einen guten Überblick. Immer nach den Buchmessen stellt sie eine Auswahl an Neuerscheinungen vor. „Genau, was wir brauchen: Vom Krimi über seichte Liebesromane bis zu spannenden historischen Romanen.“
Seit Kurzem wird das Angebot an Büchern, Hörbüchern, CDs, DVDs und E-Books durch Brettspiele für Familien ergänzt – und durch Zeitschriften. Magazine für Auto-Motor-Sport, fürs Radfahren oder Test-Zeitschriften bringen männliche Leserschaft. Die ist nämlich unterrepräsentiert in der KÖB. Die erste Skepsis von Annemiek Krieger ist überwunden: „Die Zeitschriften gehen besser als die Romane. Da wird die Veränderung in der Gesellschaft spürbar: Die Menschen haben nicht mehr die Zeit, um ein Buch ausführlich zu lesen, alles muss schneller gehen, da wird eben mal eine Zeitschrift in die Hand genommen.“ Ein weiterer Faktor sei das Geld: „Warum soll man vier bis fünf Euro ausgeben, wenn man beliebig viele aktuelle Zeitschriften für einen Jahresbeitrag ausleihen kann?“ Trotz der Umtriebigkeit wüssten immer noch nicht alle Linnicher, dass es am Ort eine Bücherei gibt. Hier setzt das Team schon bei den Jüngsten an. In Kooperation mit den Kindergärten wird der Bücherei-Führerschein „Bib-fit“ angeboten. Solange sie mit den Eltern kommen, bleiben die Kinder treu. Das Problem: Es ändert sich mit der Einschulung, denn die Grundschulen haben selbst eigene Büchereien. „Das ist natürlich für uns große Konkurrenz.“