Im Abstand verbunden

Die Corona-Krise erschüttert alles. Wie sortiert sich das kirchliche Leben neu? Eine Momentaufnahme

(c) www.pixabay.com
Datum:
24. März 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 13/2020 | Thomas Hohenschue

Die Bilder aus Italien und Spanien rütteln auf: Jeder ist gefragt, seine Verantwortung für sich selbst, seine Lieben und die Gesellschaft insgesamt wahrzunehmen. Schmerzliche Schritte beschneiden unser aller Alltag, um das Schlimmste zu verhindern: dass das Krankenhauswesen überlastet wird und die Menschen zu Tausenden sterben.

Auch das kirchliche Leben im Bistum Aachen ist zutiefst von dieser Entwicklung betroffen. Ein Krisenstab im Bischöflichen Generalvikariat berät intensiv und tagesaktuell, was zu tun ist. Das stetige Stakkato neuer Risikoeinschätzungen, Vorgaben und Empfehlungen seitens staatlicher Stellen hält alle kirchlichen Verantwortlichen auf allen Ebenen auf Trab. Zwei Verfügungen des Generalvikars vom 17. und 20. März formulieren entlastend rechtlich verbindliche Anweisungen für Einrichtungen und Personal sowohl der Diözese als auch der Kirchengemeinden. Anderen kirchlichen Trägern gelten die Verfügungen als dringliche Empfehlung.

Die Quintessenz ist die selbe Botschaft wie beim Staat: Bleibt zu Hause! Kontakte zu Mitmenschen müssen bis auf Weiteres auf ein absolut notwendiges Minimum heruntergefahren werden. Im dienstlichen Zusammenhang wird im großen Stil die Arbeit zu Hause angeordnet, selbst wenn jenseits des Telefons noch nicht alle Voraussetzungen geschaffen sein sollten. Dienstreisen sind bis aufs Allernötigste reduziert, etwa auf Krankensalbung, Trauergespräch oder Notfallseelsorge, in Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Konferenzen mit mehr als fünf Personen dürfen nur telefonisch stattfinden. Der genannte Krisenstab sowie Leitungskreise von Bischof und Generalvikar sind ausgenommen, wenn dringliche Leitungsentscheidungen beraten werden müssen.

Von noch größerer Tragweite für die Großzahl der katholischen Gläubigen ist das flächendeckende Verbot von öffentlichen Gottesdiensten, inklusive denen in der Karwoche und zu Ostern. Zudem fallen alle Veranstaltungen, Konzerte, Exerzitien und vieles mehr aus. Besonders schmerzlich für die betroffenen Familien: Hochzeiten und Beerdigungsmessen sind mit Blick auf das hohe Infektionsrisiko ebenfalls untersagt. Zum Weißen Sonntag wird es keine Erstkommunion geben. Firmungen sind bis auf Weiteres abgesagt. Alles gilt zunächst bis 19. April, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Bestimmungen wegen der Entwicklung der Corona-Krise verlängert werden. Der Generalvikar empfiehlt, Firmungen eher ab September zu planen.

Gotteshäuser sollen, so lange dem nicht neue Vorgaben des Staates entgegenstehen, weiter als Ort des Gebetes geöffnet werden. Viele Gemeinden setzen diese Empfehlung um und verbinden dies zum Teil mit eigenen Akzenten. Beispiele: Der Hohe Dom zu Aachen bietet samstags von 15.30 Uhr bis 17 Uhr den Empfang des Bußsakraments an, mit entsprechendem Abstand. Die Katholische Kirchengemeinde Papst Johannes XXIII. in Krefeld öffnet ihre Kirche täglich von 9.30 bis  18 Uhr zur Eucharistischen Anbetung. 

 

Gehversuche im digitalen Neuland

Vielerorts probieren die Verantwortlichen, Priester wie Laien, wie neue Wege der Liturgie und Verkündigung gegangen werden können. Besondere Anstrengungen unternehmen sie, um die Mitfeier der sonntäglichen heiligen Messe zu ermöglichen. Fernsehgottesdienste kennen viele, ebenso Übertragungen im Radio. Diese Kanäle stehen naturgemäß nicht allen Pfarreien im Bistum zur Verfügung. Daher probieren sich viele nun im digitalen Neuland aus. In allen Regionen des Bistums hat es am vergangenen Sonntag eine Reihe von Gehversuchen gegeben, auf Youtube, Facebook und Instagram. Die örtlichen Priester haben die Messe in der Kirche allein, im Internet mit vielen gefeiert. Es ist davon auszugehen, dass diese Form der Verbundenheit im Gebet bereits an diesem Wochenende noch stärker geübt und gelebt wird.

Es ist klar, dass dies viele Menschen, die in digitalen Technologien nicht versiert sind, abhängen wird. Sie reihen sich ein in die Leute, die gerade auf der Strecke bleiben. Beratungsstellen schließen, Bildungshäuser sagen alle Angebote ab, lebensdienliche Gruppen- und Begleitungsangebote finden nicht statt. Treffpunkte, die einem Anschluss gaben, sind zu. Betroffen sind die Menschen, die all diese Angebote wahrnehmen. Betroffen sind aber auch die Frauen und Männer, die dort arbeiten. Ihre Perspektive ist zurzeit völlig unklar. 

 

Die Hütte brennt bei sozialen Trägern

Beispiele: Das Nell-Breuning-Haus hat Kurzarbeit angemeldet. Die Arbeitslosenprojekte haben bei der Diözese dringenden Unterstützungsbedarf angezeigt. Die Hütte brennt in zahllosen Einrichtungen, da die Kosten weiterlaufen, aber Einnahmen ausbleiben. Der staatliche Rettungsschirm stützt nach Auffassung der Spitzenverbände den ganzen Bereich der Wohlfahrtspflege völlig unzureichend – Pleiten drohen, ob es KiTas sind, Behinderten- oder Rehaeinrichtungen.

Was uns allen bleibt, ist Hoffnung: darauf, dass alles, was man gerade auf sich nimmt, hilft, dass kein Massensterben bei uns in der Region einsetzt, dass die unermüdlich Schuftenden in Krankenhäusern, Behörden, Rettungs- und Schutzdiensten die Last weiter schultern. Dass möglichst viel von dem, was uns wichtig ist am Leben und an der Kirche, nach der Krise noch da ist. Oder dass sich Dinge im Gegenteil geändert haben, zum Besseren.  Dafür setzt die Kirche auch bei uns im Bistum Aachen Zeichen. Wenn abends Gläubige eine Kerze am Fenster anzünden, beten, die Glocken ihrer Kirche läuten hören, während im Fernseher und auf dem Handy die neuesten Krisennachrichten hereintickern, sind die Gedanken bei den Kranken, bei den Liebsten und bei den Menschen nah und fern.

Dieser Beitrag basiert auf dem Informationsstand der Redaktion von Dienstag, 24. März, 11 Uhr.