Arbeitsplatz Aachener Dom – das klingt per se schon spektakulär. Noch außergewöhnlicher ist es wohl, wenn man als Hüterin des Doms unter den Kollegen den Mann fürs Leben kennenlernt.
So ist es damals Susanne Zilgens ergangen. Die Faszination für den Aachener Dom hat sie ihr Leben lang nicht mehr losgelassen.
Zurzeit sucht das Team der Schweizer am Aachener Dom wieder Verstärkung. Nein, an dieser Stelle braucht man nicht zu gendern – es gehört aktuell tatsächlich keine Frau zu den Beschäftigten.
Zuletzt arbeitete Anfang des Jahres 2020, als das Coronavirus sich in Deutschland ausbreitete, eine Studentin aushilfsweise eine Zeitlang als Domschweizerin. Eigentlich war sie in der Dominformation angestellt, die aber zu jener Zeit, als das öffentliche Leben gegen Null tendierte, auch nur geringe Beschäftigungszeiten anbieten konnte.
Von dieser Ausnahmesituation abgesehen, gab es zuvor nur in den neunziger Jahren eine junge Frau mit einem regulären Arbeitsvertrag als Domschweizerin: Susanne Zilgens. Im zarten Alter von zwanzig Jahren bewarb sie sich um dieses verantwortungsvolle Amt. „Ich habe Herrn Reudenbach einfach gefragt“, antwortet sie auf die Frage nach dem Bewerbungsverfahren.
Gemeint ist der heutige Ehrendomherr Hermann-Josef Reudenbach, der damals als Domvikar dem Aachener Domkapitel angehörte. Die Familie von Susanne Zilgens war ihm nicht unbekannt: Mutter und Vater waren beide Kommunionhelfer am Dom, der Vater war darüber hinaus auch als Lektor tätig.
Rückblickend bedauert Susanne Zilgens, dass ihr Dienst insgesamt nur einige Monate währte – von Juni bis September. Dann musste sie aus beruflichen Gründen aufhören. „Mein Anerkennungsjahr hatte damals begonnen“, erzählt sie, „da war ein Nebenjob zeitlich einfach nicht mehr drin.“
Bis dahin hatte sie ihre Aufgabe als Domschweizerin sehr gern wahrgenommen. Wie das so war als Frau in einer „Männerwelt“? Für die Kollegen habe das keine Bedeutung gehabt, sagt Susanne Zilgens.
Zwar hatte sie schon den Eindruck, dass der Teamleiter sie anfangs ein bisschen unter seine Fittiche nahm – denn sie hatte zunächst immer mit ihm zusammen Dienst.
Doch das fand sie nicht weiter tragisch. Grundsätzlich hatten die Domschweizer ja immer zu zweit Dienst.
Damals gab es keinen Eignungstest, erinnert sich Susanne Zilgens; es war aber schon von Vorteil, wenn man etwas Wissen zur Geschichte des Doms vorweisen konnte. Mit ihren Acht-Stunden-Schichten verdiente sie sich seinerzeit ein schönes Taschengeld – das war ihr erstes selbstverdientes Geld überhaupt.
Die Arbeit am Wochenende machte ihr nichts aus. Auch heute werden flexible Arbeitszeiten angeboten, vorausgesetzt wird natürlich auch die Bereitschaft, an Wochenenden, Feiertagen und bei Sonderveranstaltungen zu arbeiten.
Deshalb sind die angebotenen Arbeitsplätze ideal für Studierende oder Rentnerinnen und Rentner.
Heute wie damals gilt es, Besucher anzuhalten, sich an die Hausordnung der Bischofskirche zu halten. Vielleicht war es zu Susanne Zilgens’ Zeiten noch etwas schwieriger, die Besucher zur Ordnung zu rufen, weil der Vorraum noch nicht durch eine Glastür vom Oktogon getrennt war. So konnten die Besucher sozusagen ungebremst in den Dom hineinlaufen.
Manche hätten kein Verständnis dafür gehabt, dass der Dom während der Gottesdienste nicht besichtigt werden durfte, blickt Susanne Zilgens zurück. „Einmal meinte einer, weil er Kirchensteuer zahle, hätte er ein Recht auf Zutritt“, schmunzelt die ehemalige Domschweizerin.
Solche Situationen müssen die Hüterinnen und Hüter des Doms damals wie heute mit Souveränitat, Höflichkeit und trotzdem energischem Auftreten bewältigen können. Insofern braucht ein Domschweizer, gleich ob Frau oder Mann, schon in gewisser Weise ein „dickes Fell“, erklärt Susanne Zilgens.
Erschwerend war auch, dass sie nur anhand eines einfachen weißen Schildes in Plastikfolie, das mittels eines Clipses an der Kleidung befestigt wurde, als Domaufsicht zu erkennen war.
Heute kommen die Domschweizer in schmucken dunkelblauen Blousons oder Westen mit aufgesticktem Emblem daher und sind schon von Weitem als „Offizielle“ zu erkennen.
Hier lernte sie ihren späteren Ehegatten Dieter Zilgens kennen, der wie sie als Domschweizer tätig war, allerdings für mehrere Jahre.
Natürlich heirateten die beiden im Aachener Dom, und selbstverständlich standen die Kollegen Spalier.
Heute arbeitet Susanne Zilgens als Heil- und Sozialpädagogin und wohnt nicht mehr in Aachen. Trotzdem hat sie die besondere Faszination des Aachener Doms nie mehr losgelassen. Im Gegenteil: Sie hat bereits auf die nächste Generation übergegriffen.
Es fing damit an, dass die drei Kinder der Eheleute Zilgens, zwei Mädchen und ein Junge, im Dom getauft wurden. Später waren sie alle drei Messdiener am Aachener Dom, wobei Brianna wie ihre Mutter eine Premiere feiern konnte: Sie war das erste Mädchen, das im Aachener Dom Dienst am Altar tat.
Selbstredend waren Susanne und Dieter Zilgens sowie ihre beiden Töchter bei der diesjährigen Aachener Heiligtumsfahrt als Helferinnen dabei.
Wer sich also heute als Domschweizerin oder Domschweizer am Aachener Dom bewirbt, muss damit rechnen, dass auch ihn diese nicht zu beschreibende Faszination des Aachener Doms packt, die einen nicht mehr los lässt…