Wie erhält man ein mehr als 1200 Jahre Gebäude mit Welterbestatus? Welche traditionellen Handwerksmethoden und modernen Techniken kommen zum Einsatz? Das waren die beiden Ausgangsfragen, mit denen sich insgesamt 14 Schülerinnern und Schüler aus ganz Nordrhein-Westfalen eine Woche lang am Aachener Dom beschäftigten.
Anlass des Zusammentreffens der naturwissenschaftlich und technisch besonders interessierten Jugendlichen war ein sogenanntes MINT-Camp, das vom Excellence-Netzwerk MINT-EC und dem Inda-Gymnasium Aachen in Kooperation mit der Dombauhütte organisiert worden war.
„MINT“ ist eine Abkürzung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In einem solchen Camp laden wir Schülerinnen und Schüler ein, über mehrere Tage zu einem Spezialthema zu forschen und zu experimentieren“, erklärt David Schäfer, der diesen Bereich am Inda-Gymnasium koordiniert und das Dom-Camp initiiert hat. „Am Beispiel des Aachener Doms lässt sich hervorragend demonstrieren, dass Naturwissenschaften interdisziplinär sind. Warum? Weil es verschiedene Baustellen gibt, für die immer wieder Lösungen aus allen Disziplinen gesucht werden müssen. Voraussetzung hierfür ist eine gute Vernetzung zu Hochschulen und Handwerksfirmen.“
Dombaumeister Dr. Jan Richarz war entsprechend herausgefordert, ein passendes Programm auf die Beine zu stellen und die jeweiligen Kooperationspartner mit ins Boot zu holen. Dies gelang offenbar so gut, dass die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber die Anzahl der Plätze im Camp um ein Vielfaches überstieg. Nach teilweise mehrstündiger Anreise begann der erste Tag für die Teilnehmenden mit einer Dombesichtigung zur historischen Einführung, wurde fortgesetzt mit der Erkundung des Dachstuhls und einer Lehrstunde in Statik, bevor die Erkundung mit einem spektakulären Ausflug aufs Dach endete. Schließlich hatten die Jugendlichen einen Blick für das karolingische Mauerwerk und seine Besonderheiten.
Dieser Baustoff-Exkurs diente bereits als Überleitung zum zweiten Tag, an dem die Schülerinnen und Schüler einen Ausflug zum Institut für Bauforschung der RWTH (IBAC) unternahmen. Laborleiter Diedrich Neumann und Doktorandin Clarissa Glawe brachten den jungen Gästen die Entwicklung, Herstellung und Verwendung von authentischen Mörteln zur „materialgerechten Instandhaltung der Bausubstanz“ am Dom näher – und das nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. „Wir machen das gerne und natürlich auch in der Hoffnung, wissenschaftliche Nachwuchskräfte für unseren Fachbereich zu finden“, begründete Glawe ihr Engagement.
Am dritten Tag ging es in die Unterwelt. Zunächst besuchten sie den Stadtarchäologen Andreas Schaub auf seiner aktuellen „Baustelle“ in der Franzstraße, anschließend gingen alle zum Dom, wo Dombaumeister Richarz drei Bereiche öffnen ließ, die sonst nie zugänglich sind: das archäologische Grabungsfenster unterhalb der Taufkapelle, die Grabungen unter dem Oktogon und das römische Badehaus vor der Ungarnkapelle. „Ich fühle mich gerade sehr VIP“, lachte Schülerin Lucille, als sie die Leiter in das unterirdische Bäderhaus hinabkletterte. Unten stellte die 17-Jährige erste Lerneffekte unter Beweis: „Die Wand ist karolingisch, das erkenne ich an dem rötlichen Mörtel!“
Den Workshop am vierten Tag gestaltete Architekturprofessor Martin Zerwas vom Institute of Smart Building Engineering (ISBE) der FH Aachen. Er zeigte den Schülern, wie man mittels Auralisierung eine akustische Situation künstlich hörbar machen kann. Das Verfahren wird angewandt, um die akustischen Eigenschaften eines Raumes mithilfe von Computersimulationen und -modellen nachzubilden. Beim Bau beispielsweise von Konzerthallen ist dies ein unverzichtbarer Schritt. „Das war mein Highlight, denn ich interessiere mich für alles, was mit Sound zu tun hat“, bilanzierte Ricardo. Ob das Erlebnis seine Berufswahl beeinflusst hat? „Das kann gut sein. Vorher hatte ich noch recht ungenaue Vorstellungen, die jetzt möglicherweise etwas spezifischer geworden sind!“
Ein überaus zufriedenes Gesicht machte auch Lehrer David Schäfer. „Ich bin sehr dankbar für die tolle Zusammenarbeit mit dem Dom und allen anderen Kooperationspartnern. Das waren Top-Leute, die sich Zeit für uns genommen und mit großer Expertise und Hingabe von ihren Projekten berichtet haben.“