Ich fühle mich beschenkt

Birgit Schmidt aus Jackerath freut sich, als Gemeindeassistentin in Rheydt in die Praxis einzusteigen

Birgit Schmidt entschied sich bewusst für einen beruflichen Neuanfang. (c) Björn Schmidt
Birgit Schmidt entschied sich bewusst für einen beruflichen Neuanfang.
Datum:
3. Jan. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 01/2019 | Dorothée Schenk
Einen Neuanfang wagen. Dazu gehören Mut, Aufbruchstimmung und die Erkenntnis, dass Veränderung der Weg zum Besseren ist.
Grundschulkinder sind derzeit die „Zielgruppe“ in der Arbeit des ersten Jahres als Gemeindeassistentin. (c) www.pixabay.com
Grundschulkinder sind derzeit die „Zielgruppe“ in der Arbeit des ersten Jahres als Gemeindeassistentin.

Birgit Schmidt hat diesen Schritt getan. Die Jackeratherin entschied vor drei Jahren als berufserfahrener Coach, dass Gemeindereferentin zu sein ihre Erfüllung ist. Derzeit absolviert sie ihre Assistenzzeit in der Pfarrei Herz Jesu in der GdG Rheydt West. ­­


Wenn Birgit Schmidt an ihrem Schreibtisch im Rheydter Büro am Martinshof sitzt, dann hört sie unter ihrem Fenster die Schulkinder auf dem Weg zur Übermittagbetreuung entlanggehen, die Kindergartenkinder spielen, das Seniorenzentrum ist in der Nähe. „Das Leben pulsiert noch richtig um die Kirche herum“, begeistert sich die 46-Jährige. Im September 2018 hat sie ihre Stelle in der Pfarrei Herz Jesu aufgenommen und gerät nach den symbolischen ersten 100 Arbeitstagen ins Schwärmen. „Ich fahre jeden Tag mit Freude zur Arbeit und ich wage zu sagen, dass es den anderen auch so geht, die den Neuanfang oder Quereinstieg gewagt haben.“ Dabei muss sie sich nach eigenem Bekennen einigen Aufgaben widmen, für die sie sich nie „freiwillig“ entschieden hätte. „Ich hätte früher nicht die Grundschule als Zielgruppe gewählt. Ich sehe mich aber schon jetzt beschenkt, weil ich erlebe, wie Viertklässler über Gott philosophieren können. Es ist schön zu sehen, dass der Kontakt, den ich mir damals schwer vorstellen konnte, weil ich jung war und kein eigenes Kind hatte, wunderbar funktioniert.“


Der Glaube als Fundament und die Entscheidung zur Veränderung

Ein Blick zurück: „Als Kind begleitete mich der Spruch meiner Mutter ,Was du wirklich willst, das schaffst du auch!’ Und mit diesem Satz hat sie mir, lange bevor ich wusste, was Coaching überhaupt ist, eine kraftvolle Formel geschenkt.“ So stellte sich Birgit Schmidt einst auf ihrer Unternehmensseite vor. Viele Jahre lang war sie in der Erwachsenenbildung tätig, schulte Mitarbeiter von Behörden und Krankenhäusern in der richtigen Kommunikation und stieß neue Entwicklungen an. „Aber ich war nur kurzfristig dabei, hatte punktuelle Kontakte, konnte nie wirklich Entwicklung begleiten.“ Als Sohn Tobias geboren wurde, entschied die studierte Pädagogin, dass das Leben aus dem Coaching-Koffer ein Ende haben müsse, und heuerte bei der Universität Düsseldorf an. Vom aktiven Lehren und Begleiten hinter den Schreibtisch und an den Computer.

Der Junge wuchs heran, und inzwischen war klar: „An der Uni werde ich auf Dauer nicht glücklich. Es war nie der Sinn meines Lebens, den ich angestrebt hätte. Mein Ziel war, den Menschen direkt zu unterstützen, zu fördern.“ Fragen, denen sich Birgit Schmidt stellte, waren: Was sind Themen und Aufgabenfelder, die mich interessieren können, aufbauend auf dem, was ich vorher gemacht habe? Was ist das Fundament, das mich trägt? „Mein Fundament ist mein Glaube“, war die Antwort spontan und schnell gefunden, und bald lag auch der Weg deutlich vor ihr: Gemeindereferentin.
Das heißt aber auch, drei Jahre wieder die „Schulbank“ drücken. So lange dauert die theoretische Ausbildung im Bistum Aachen vom Grundkurs Theologie bis zum Aufbaukurs Pastoraltheologie. Rund 24 bis 25 Lehrbriefe je Kurs sind abzuarbeiten gewesen – unterschiedlich dick und unterschiedlich zugänglich. Die Mitt-Vierzigerin schrieb sich für das Lehrbrief-Studium im Fernkurs der Domschule Würzburg ein, denn: „Familie ist mir sehr wichtig – den Lehrbrief kann ich überall studieren.“

Froh ist Birgit Schmidt, dass sie es nicht alleine bewältigen musste. Pastoralreferent Thomas Tönessen ist ihrem „Jahrgang“ der angehenden Pastoral- und Gemeindereferenten vom Bistum Aachen als Tutor zur Seite gestellt worden. Bei komplexen Themen wie etwa Kirchenrecht gab es immer die Möglichkeit zur Nachfrage, auch wenn kein Dozent zur Hand war. Die Alternative wäre das Präsenz-Studium in Paderborn gewesen.

Das wählen, so ihre Erfahrung, vor allem Menschen mit erster Berufswahl „Gemeinde- oder Pastoralreferent“. Etwa die Hälfte in ihrem „Ausbildungsjahrgang im Bistum Aachen sind Quereinsteiger.
Keineswegs ein Zuckerschlecken war das Studium. Auch nicht für die Familie. Lachend erzählt Birgit Schmidt: „Im Nachhinein haben sie gesagt, dass sie sehr froh sind, dass das Lehrbrief-Studium vorbei ist. Es frisst viel Zeit. Man ist zwar zu Hause, ist aber gedanklich gebunden und am Schluss sehr fokussiert auf die Prüfungen.“ Und natürlich nahmen die Gespräche über Kirche, Glauben, den Alltag in der Kirche und auch die Skandale in der Kirche in den letzten drei Jahren zu. Eine Umstellung also nicht nur für die „Auszubildende“, sondern auch für das enge Umfeld.
Froh ist die Jackeratherin darum, dass die Familie ihre Entscheidung mitträgt. „Sie merken, dass ich darin aufgehe und es glaubhaft tue, ohne missionieren zu wollen, sondern dass ich das lebe, was ich glaube.“ Trotzdem legen sie und die Familie Wert darauf, dass Arbeit und Privates zwei unterschiedliche Bereiche des Lebens sind. Den Ausgleich findet sie etwa beim gemeinsamen Sportstudio-Besuch mit ihrem Mann, Treffen mit Freunden oder einem spannenden Buch.


Es gibt noch viele Aufgabenfelder und Menschen kennenzulernen

Was nimmt man aus dem Lehrstoff mit in die Praxis? „Das erste Jahr hat viel Basis- und Bibelwissen gebracht. Darüber hinaus sind viele Ansätze dazugekommen. Wir haben ja nicht überall die heile Welt. In einer GdG gibt es ganz viele Räume und soziale Milieus, die man berücksichtigen soll. Davon kann ich sicher vieles mitnehmen, weil man einen geschärfteren Blick hat.“ Und natürlich helfen die Vorbildung durch ihr Studium und die Erfahrungen im „ersten Berufsleben“, die Birgit Schmidt gewinnbringend einsetzen kann. Erst einmal freut sich die Gemeindeassistentin aber, dass sie in der praktischen Arbeit angekommen ist. Noch bis zum Sommer wird sie in der Grundschule unterrichten, um dann die „missio canonica“, die Lehrerlaubnis, zu erhalten. Ergänzend kommen die religionspädagogische Ausbildung in Aachen am Katechetischen Institut und weitere Fortbildungen hinzu.

So schön das Unterrichten auch ist, etwas ungeduldig wartet sie auf die Sommerferien, denn eigentlich wünscht sich die 46-Jährige mehr Kontakt mit der Gemeinde. „Es ist ein bisschen wie Arbeiten mit angezogener Handbremse“, sagt sie schmunzelnd. „Ich möchte mehr Zeit und Energie in die Gemeindearbeit hineinwerfen. Ich freue mich, andere Aufgabenfelder und Menschen kennenzulernen.“ Schließlich gäbe es so vielfältige Möglichkeiten: den Beerdigungsdienst, Seelsorge und „Caritas vom Feinsten“ im Begegnungszentrum Hannes. Festlegen möchte sie sich noch nicht, denn „vorher hatte ich Kinder auch nicht als Zielgruppe gesehen – das hat sich geändert.“

Hat sich auch für sie ganz persönlich etwas verändert? „Ich bin viel, viel zufriedener geworden“, sagt die „Auszubildende“. Birgit Schmidt zieht ein klares Fazit: „Ich bin glücklich mit dem Weg, den ich gewählt habe. Die letzten drei Jahre waren nicht einfach, aber ich habe mich wieder dahin zurückbewegt, was ich machen wollte: zurück zum Menschen, dahin, andere zu begleiten, so wie sie sind, und zu schauen, was sie brauchen. Ich kann nicht alles bedienen, aber die Erfahrungen, die ich vorher gemacht habe, machen mir vieles leicht. Ich bin ruhiger und entspannter geworden – und gelassener. Ich habe es kein einziges Mal bereut. Es ist viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe!“

Drei Jahre wird die Assistenzzeit von Birgit Schmidt dauern. Die KIZ-Redaktion wird sie in ihrer Ausbildung zur Gemeindereferentin begleiten und jedes Quartal über ihre neuen Erfahrungen berichten.