Die zerstörerische Kraft des Wassers kam schnell und hinterließ großen Schaden. Die Beseitigung der Folgen kommt mit Bürokratie und braucht einen langen Atem. Wo sich Privatleute schwertun, stehen Kirchengemeinden vor ganz eigenen Hürden. Dafür ist St. Rochus in Stolberg-Zweifall das beste Beispiel.
Die Kirche der Pfarrei im Süden von Stolberg liegt im „Zweistromland“, wie Gemeindereferentin Christiane Hartung es beschreibt. An der einen Seite fließt der Vichtbach, an der anderen der Hasselbach. Das hatte bei der Flut am 14. Juli 2021 verheerende Auswirkungen für das Gotteshaus. Gut 1,60 Meter hoch stand das verdreckte Wasser der beiden Bäche im Innenraum. Die Folgen: die Wände, das Mobiliar einschließlich Orgel feucht, überall Schlamm, Elektrik und Heizung kaputt. Schwimmende Kirchenbänke beschädigten die Glasfenster. Das sei schon ein trauriger Anblick gewesen, erinnert sich Kurt Wissel vom Kirchenvorstand.
Die evangelische Kirche hatte mehr Glück. Sie liegt etwas höher im Ort. Hier fand die katholische Gemeinde zunächst Asyl für ihre Gottesdienste. St. Rochus diente nach ersten Reinigungs- und Trocknungsmaßnahmen in der ersten Zeit als Lager für die zahlreichen Spenden, die in Zweifall eingegangen waren, um den betroffenen Menschen mit dem Notwendigsten helfen zu können. Inzwischen nutzt die Gemeinde den alten Teil der Kirche unterhalb der Orgelempore wieder für Wochen-Gottesdienste. Die Spuren der Flut sind nach wie vor sichtbar. Die Orgel ist immer noch eingehaust, an den Wänden ist zu sehen, wie hoch das Wasser gestanden hat. Eine funktionierende Heizung hat die Kirche auch noch nicht.
Sie wieder in Stand zu setzen, gestaltet sich als nicht so einfach. Zunächst kostet das Geld – Geld, das die Pfarrei so nicht hat. Da die Kirche St. Rochus im Rahmen des KIM-Prozesses auf „Rot“ gesetzt worden ist, investiert das Bistum nicht mehr in die Instandhaltung. Die Pfarrei ist daher auf Gelder aus der Fluthilfe angewiesen. Auch um zurückzuzahlen, womit das Bistum in Vorleistung getreten ist, damit dringende Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden konnten. Fluthilfe zu beantragen, bedeutet Papierkrieg.
Unzählige Flutopfer können davon ein Lied singen. So braucht es unter anderem Kostenschätzungen für die notwendigen Arbeiten. Bei einer Kirche, die einschließlich ihres Inventars unter Denkmalschutz steht, ist auch das etwas komplizierter. Kurt Wissel verdeutlicht das an einem Beispiel: „Der untere Teil einiger der Kirchenfenster ist von den Bänken, die durch die Kirche geschwommen sind, zerstört worden. Da kann man aber jetzt nicht einfach wie bei einem Wohnhaus bei einem Fensterbauer anfragen, sondern braucht eine Fachfirma für Glaskunst wie die Firma Oidtmann. Das ist teurer und dauert länger.“
Dazu kommt, dass die Anträge auf Fluthilfe sich an Privatpersonen richten.
An Kirchengemeinden habe dabei niemand gedacht, erzählt Kurt Wissel. Es gibt nicht mal ein entsprechendes Formular. Da hätten sie als Kirchenvorstand erst einmal schauen müssen, wie sie den Antrag ausfüllen, damit er überhaupt bearbeitet werden kann. Das ist alles nicht so einfach, weshalb sich das Ganze in die Länge zieht und auch zwei Jahre nach der Flut nur die notwendigsten Arbeiten gemacht sind.
In der Zwischenzeit haben Pläne zur Zukunft der Kirche Gestalt angenommen. Da sie wie geschrieben im Zuge des KIM-Prozesses auf „Rot“ gesetzt worden ist, gibt es bereits länger Überlegungen, was mit der Kirche geschehen soll, die für die Gemeinde in ihrer aktuellen Größe zu groß ist. Für die Gottesdienste reicht der alte Teil der Kirche, der auch jetzt schon dafür genutzt wird. Da es im Dorf keinen Begegnungsort mehr gibt, entstand die Idee, den 1962-64 angebauten größeren Teil der Kirche in einen multifunktionalen Veranstaltungsort umzuwandeln. Den sollen dann alle Vereine, Verbände und Institutionen im Ort nutzen können. „Das ist eine Möglichkeit, die Präsens von Kirche im Ort auch weiterhin zu sichern“, sagt Gemeindereferentin Christiane Hartung.
Bei der Flut sind neben der Kirche auch das benachbarte Pfarrhaus, Pfarrheim und die städtische Kita zerstört worden. Die Kinder sind immer noch in Containern an der Kirche in Vicht untergebracht. Um die Kita mit verbessertem Hochwasserschutz wiederaufzubauen, hatte die Stadt Stolberg angefragt, Pfarrhaus und Pfarrheim von der Pfarrei zu kaufen.
Dem hat die Pfarrei ausdrücklich zugestimmt. Im gleichen Zuge soll sich die Stadt einem Ratsbeschluss folgend an der Schaffung eines Bürgerzentrums im neueren Teil der Kirche beteiligen. Die Verhandlungen hierzu befinden sich auf einem guten Weg und stehen kurz vor dem Abschluss. Als nächstes steht die Detail-Planung der baulichen Rahmenbedingungen an, wobei vor allem auch die Aspekte des Denkmalschutzes und der Fluthilfe-Regelwerke zu berücksichtigen sind.