Hoffnungsvoll in die Zukunft

Mit Projekten wie Café Nr. 5 soll in den weitestgehend verlassenen Tagebau-Orten wieder Dorfleben entstehen

Nach drei Jahren Leere war St. Lambertus Keyenberg zum Mitsing-Konzert wieder gefüllt. (c) Garnet Manecke
Nach drei Jahren Leere war St. Lambertus Keyenberg zum Mitsing-Konzert wieder gefüllt.
Datum:
2. Jan. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 01/2025 | Garnet Manecke

Lange hat es so ausgesehen, als seien die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Unter- und Oberwestrich endgültig verloren. Doch dann geschah das, was viele gehofft, aber kaum einer geglaubt hatte: Die Dörfer wurden doch noch gerettet. Der Tagebau stoppt vor Keyenberg. Seitdem arbeiten die Menschen dort mit ihren Unterstützern an einer hoffnungsvollen Zukunft.

Der Aufdruck auf den Tassen ist eine Ansage. „Auftakt Keyenberg“ steht darauf. Beim großen Mitsingkonzert am zweiten Advent vergangenes Jahr wurden die Tassen verkauft. Ein Mutmacher, der diejenigen, die daraus trinken, daran erinnert, dass es weitergeht in den verloren geglaubten Dörfern – auch und gerade jetzt, da die meisten Bewohner längst umgesiedelt sind. Schon das Konzert ist ein kleines Wunder, denn kaum einer hatte noch zu hoffen gewagt, dass eines Tages St. Lambertus Keyenberg wieder bis auf den letzten Platz gefüllt sein würde.

„Was den Franzosen Notre Dame ist, ist für uns diese Kirche“, sagte die Keyenbergerin Barbara Oberherr und drückte damit aus, was viele der Menschen im Kirchenraum gerade empfanden. Oberherr erinnerte daran, dass die Keyenberger Kirche eines der ältesten Gotteshäuser in der Region ist. 893 wurde sie erstmals in Dokumenten erwähnt. Sowas gibt man nicht einfach auf. Oberherr wohnt noch im alten Dorf. Jeden Tag, wenn sie aus dem Haus tritt, kann sie die Kirche sehen.

Den Blick auf die Zukunft richten, die Hoffnung, dass in die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich wieder mehr Leben einzieht, verbindet die Menschen miteinander. Aber sie wissen auch, dass sie selbst dafür die größten Hoffnungsträger sind. „Nach drei Jahren wollen wir in dieser Kirche ein Zeichen setzen, dass wir positiv und konstruktiv in die Zukunft sehen“, sagt Volker Mielchen, Geschäftsführer vom Zweckverband Landschaftsfolge.

Ein Schritt auf dem Weg in diese Zukunft ist die Eröffnung des Café Nr. 5 in Berverath. Der Ort liegt in dem Dörfer-Quintett etwas abseits. Wer dorthin will, muss wissen, welchen Weg er nehmen muss, denn Hinweisschilder gibt es nicht mehr. Die Straße sieht aus wie ein verbreiteter Wirtschaftsweg. Wer nicht weiß, dass er hier auch mit dem Auto fahren darf, fährt vorbei. Auch das Navi traut sich nicht, diesen Weg anzuzeigen.

Manche Navis zeigen die alten Orte sowieso nicht mehr an und führen Ortsunkundige direkt in die neuen Dörfer östlich von Erkelenz. Trotzdem glaubt Manfred Körber, Leiter des Nell-Breuning-Hauses in Herzogenrath, dass in Zukunft einige Menschen den Weg nach Berverath finden werden. Die Bildungsstätte hat auf dem Schwalbenhof, der noch bewohnt ist, das Café Nr. 5 eröffnet. Bei der Eröffnung im November 2024 war das Café noch eine Baustelle, und auch jetzt fehlen noch die Fenster und Türen. Aber davon lassen sich die Macher nicht entmutigen. „Wir haben schon eine Reihe von Veranstaltungen dort gemacht“, sagt Körber.

Die Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier war mit einem Bildungsseminar zum Thema Gesundheit im Rheinischen Revier „nach der Kohle“ zu Gast. Wie wichtig dieses Thema ist, zeigt sich auch in der Art und Weise, wie die Menschen vor Ort mit der Situation umgehen. Denn nach Jahren des Kampfes um den Erhalt der Dörfer, stehen diejenigen, die in den alten Orten geblieben sind, vor der Herausforderung, wieder ein Dorfleben zu etablieren.

Wie soll man hoffnugsfroh planen?

Im November 2024 eröffnete Manfred Körber (r.) mit anderen Akteuren das Café Nr. 5. (c) Thomas Hohenschue/ Café Nr. 5
Im November 2024 eröffnete Manfred Körber (r.) mit anderen Akteuren das Café Nr. 5.

Aber auch jene, die in die neuen Orte gezogen sind, betrifft, was in ihrer früheren Nachbarschaft passiert. „Es ist sehr schwierig“, beobachtet Körber. „Bei manchen kann man gleich einen Therapeuten mitschicken, wenn sie durch die Dörfer gehen.“ Manche der leerstehenden Häuser werden nicht mehr zu retten sein, weil Feuchtigkeit und Pflanzenwuchs die Bausubstanz zu stark angegriffen haben. Die früheren Eigentümer stehen davor und sehen, dass sie vergebens einen Ort aufgegeben haben, an dem ihr Herz hängt.

Wie soll man da jetzt hoffnungsfroh eine Zukunft planen? „Wir versuchen, das aufzufangen und langfristig eine Quartiersarbeit zu machen“, sagt Körber. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Lebensraum zu gestalten. Sogar im Logo ist das aufgenommen worden.
Das Nell-Breuning-Haus hat zusammen mit der Landeszentrale politische Bildung Nordrhein-Westfalen die Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier ins Leben gerufen. Unterstützt wird das Projekt von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Erkelenz, dem Verein „aber hallo!“, dem Projekt „Geschichten“ des Landesverbands Rheinland (LVR) sowie dem Bistum Aachen.

Café-Atmosphäre, um neue Ideen zu entwickeln: Das ist das neue Begegnungszentrum in Berverath. (c) Thomas Hohenschue/ Café Nr. 5
Café-Atmosphäre, um neue Ideen zu entwickeln: Das ist das neue Begegnungszentrum in Berverath.

Das Café Nr. 5 soll ein öffentlicher Ort werden, an dem Demokratie gestaltet wird. Ein weltoffener Ort, an dem sich Menschen treffen und zusammen an der Zukunft arbeiten, Visionen und Projekte entwickeln können. Körber ist überzeugt davon, dass die Saat, die im vergangenen November gelegt wurde, aufgehen wird. „Ich bin ja immer hoffnungsvoll“, sagt er. „Sonst würde ich so verrückte Sachen nicht machen.“ Wer Demokratie gestalten wolle, brauche öffentliche Orte, an denen auch mit Respekt geführte kontroverse Debatten stattfinden. „Berverath kann eine Keimzelle zur Stärkung der Demokratie werden“, ist er überzeugt.

Öffentliche Räume, in denen sich die Dorfbewohner der fünf Tagebau-Dörfer noch treffen können, waren bis zur Eröffnung des Café Nr. 5 in den alten Dörfern praktisch nicht mehr vorhanden. Die weitaus meisten Gebäude gehören nun RWE. Das gilt auch für die Kirche 
St. Lambertus. Der Konzern hat seine Erlaubnis für das Mitsing-Konzert „Singen für die Zukunft“ im Advent gegeben. An diesem Tag war die Hoffnung auf eine Zukunft der Dörfer bei den Konzertbesuchern zu spüren.

Breites Bündnis

Café Nr. 5 Die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW fördert das Begegnungszentrum. Überdies engagiert sich ein zivilgesellschaftliches Bündnis. Auf der Homepage wird über Veranstaltungen und Projekte informiert: https://cafe-nr5.de/
Demokratiewerkstatt Informationen sind unter der Adresse https://demokratiewerkstatt-rheinisches-revier.de/ abrufbar.