Hineinhorchen in das Leben

Thorsten Obst, Regionalvikar in Krefeld, über die Bedeutung der Fastenzeit und die Rolle der Zahl 40

Regionalvikar Thorsten Obst sprach mit Chrismie Fehrmann über die vor- österliche Fastenzeit. „Fasten bedeutet zuhören und dabei die innere Dominanz zurücknehmen“, ist seine Meinung. (c) Dirk Jochmann
Regionalvikar Thorsten Obst sprach mit Chrismie Fehrmann über die vor- österliche Fastenzeit. „Fasten bedeutet zuhören und dabei die innere Dominanz zurücknehmen“, ist seine Meinung.
Datum:
2. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2022

Aschermittwoch. Fastenzeit. Vorbereitungszeit. Es dauert nun 40 Tage bis zum größten Fest der katholischen Kirche: Ostern. Diese Zahl hat eine große Bedeutung und eine hohe Symbolkraft. Wir sprachen mit Thorsten Obst, seit 2019 Regionalvikar der Region Krefeld, über die besonderen Tage.

Herr Obst, worin liegt die Symbolkraft der 40 Tage?

Da gibt es viele Überlieferungen. Zum Beispiel fiel 40 Tage und Nächte der Regen der Sintflut auf die Erde. Noach wartete 40 Tage, nachdem die ersten Berge wieder sichtbar wurden. 40 Jahre zog das Volk Israel durch die Wüste. Vor seinem öffentlichen Auftreten verbrachte Jesus 40 Tage fastend und betend in der Wüste. 

 

Das bedeutet?

Die Zahl 40 steht für einen Zeitraum der Vorbereitung und des Übergangs, die zu Buße und Besinnung auffordert, Wende und Neubeginn ermöglicht. Jesus verfolgt eine innere Sammlung auf das, was er machen wird – drei Jahre das Reich Gottes verkünden. Aschermittwoch wird den Gläubigen Asche aufgelegt als Zeichen ihrer Bereitschaft, den Weg der Buße, sprich: Besserung, zu gehen.

 

Was bedeutet die Fastenzeit für die Kirche selbst?

Die Kirche muss sich jetzt vor der „Wüstenzeit“ bewusst sein, viel an Autorität und Glaubwürdigkeit verspielt zu haben. Sie muss nachdenken, mit anderen Machtstrukturen weiterzugehen. Die Vorkommnisse der vergangenen Zeit haben sie dazu gebracht. Fasten bedeutet zuhören und dabei die innere Dominanz zurücknehmen. Was Gott mir sagt, habe ich nicht zu bestimmen. Kirche ist Gesellschaft, doch es geht ein Bruch, ein Riss durch sie hindurch. 

 

Was muss passieren?

Das, was fasten bedeutet: nachdenken, umdenken, alles ergebnisoffen und zusammen; sei es über Sexualität oder Frauen im Leitungsamt. Es gibt keine Antwort ohne das Miteinander. Das geht nicht.

 

Was bedeutet das Fasten für den einzelnen Menschen?

Er kann bewusst hineinhorchen in das eigene Leben. Wenn er einen gewissen Lebensweg gegangen ist, kann er sich fragen, ob er so weitergehen möchte oder – ganz offen – einen neuen beschreiten will, in persönlichen Dingen und auch in der Beziehung zu Gott. Das ist das Eigentliche in der Fastenzeit. 

 

Im herkömmlichen Sinn besteht das Wesen des religiösen Fastens für den Gläubigen auch in der Enthaltung von Speisen und Trank während dieser gewissen Zeit.

Weniger essen hilft, mehr zu sich selbst zu finden, auf den Geist zu horchen, sich über Dinge bewusst zu werden. Die Essensumstellung zeigt, ob ich bereit bin für Veränderungen. Leben ist Veränderung. Der Mensch erreicht eine Offenheit durchs Fasten. Es geht nicht ums Abnehmen.

 

Viele haben Angst vor der Veränderung.

Das ist der springende Punkt, sich der Angst vor der Veränderung zu stellen. Sich ohne Angst auf Gott einzulassen, ist das Befreiende. Durch die Auseinandersetzung entwickle ich mich. Es gibt einen Sprung nach vorne. Menschen brauchen Zukunftsperspektiven. Es gibt jedoch kein Patentrezept, keine Garantie, nur diejenige, geliebt zu werden. Gottes Liebe ist immer bedingungslos.

 

Am Ende dieser Zeit ist Ostern.
Da geschieht etwas Spannendes. Da erkennen wir: Gottes Liebe ist stärker als der Tod.  

Das Gespräch führte Chrismie Fehrmann.