Hilfsnetz bei Katastrophen

Zum ersten Mal lud das Bistum Aachen Notfallseelsorger und Rettungskräfte zur Fachtagung ein

In Mönchengladbach kamen Notfallseelsorger aus dem ganzen Bistum Aachen zusammen. (c) Garnet Manecke
In Mönchengladbach kamen Notfallseelsorger aus dem ganzen Bistum Aachen zusammen.
Datum:
9. Okt. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 41/2018 | Garnet Manecke
Zum ersten Mal fand die bistumsweite Fachtagung der Notfallseelsorger statt.
Gunnar Klamke zeigt, wie die Einsatzleitung im Katastrophenfall arbeitet. (c) Garnet Manecke
Gunnar Klamke zeigt, wie die Einsatzleitung im Katastrophenfall arbeitet.

Die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Nordrhein-Westfalen, zu denen auch Vertreter von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdiensten gehörten, stellten zwar den Einsatz bei Terroranschlägen in den Mittelpunkt ihrer Tagung, die in Mönchengladbach stattfand. Der größte Teil ihrer Arbeit jedoch besteht aus dem Beistand für Menschen, die unter den Folgen eines Unfalls oder dem plötzlichen Tod eines Angehörigen leiden.

„Hol mal einen Rettungsrucksack raus, wir brauchen ein Pflaster!“, ruft die junge Rettungssanitäterin ihrem Kollegen über den Hof der Bischöflichen Marienschule in Mönchengladbach zu. Ein Mitglied der Jugendfeuerwehr hat sich in den Finger geschnitten, als er gerade Früchte für die Obstbar zubereitete. Das kleine Missgeschick gehört zu den harmlosen Einsätzen für die Rettungssanitäter und ihre Einsatzwagen. Wenn sie gerufen werden, dann geht es für die Verletzten oft um Leben und Tod: Verkehrsunfälle, Massenpaniken oder Ausschreitungen gehören dazu – genauso wie Krankheiten oder Unfälle im Haus. Aber nicht nur die Körper werden bei solchen Ereignissen verletzt, auch die Seelen leiden. Dann werden die Notfallseelsorger dazu geholt.

„Unsere Aufgabe ist es, Räume zu schaffen, in denen Betroffene Ruhe finden“, erklärt Notfallseelsorger Bernhard Krinke-Heidenfels. In ganz Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 45 Notfallseelsorge-Teams, das Bistum Aachen hat in jeder Region ein Team; in Mönchengladbach besteht es aus 30 Frauen und Männern. Es gibt aber auch größere Teams wie das in der Region Viersen, in dem 50 Frauen und Männer aktiv sind. Allein in Mönchengladbach wird das Team zu rund 150 Einsätzen im Jahr gerufen. Obwohl bei der ersten Fachtagung der Notfallseelsorger der Einsatz bei Terroranschlägen im Mittelpunkt stand, sind solche Großeinsätze im Alltag der Seelsorger die Ausnahme. „Der häufigste Fall ist der häusliche Tod, bei dem der Hausarzt sieht, dass die Angehörigen Unterstützung brauchen“, sagt Krinke-Heidenfels. „Der plötzliche Kindstod oder die Übermittlung von Todesnachrichten sind solche Fälle, aber auch der plötzliche Tod des Partners.“ Dann kümmern sich die Notfallseelsorger um die Hinterbliebenen. „Wir sind auch viel an Schulen unterwegs“, sagt Andreas Bodenbenner von der Notfallseelsorge Viersen. Zum Beispiel betreute das Team aus Viersen nach dem Suizid eines Schülers die Mitschüler.

Ob es nun eine Großeinsatzlage ist oder ein kleiner Einsatz, bei dem nur eine Person betreut werden muss: Basis für eine gute Seelsorge ist die Kommunikation mit verschiedenen Einsatzkräften. Darum ist eine solche Tagung auch wichtig, meint Krinke-Heidenfels. „Im Krisenfall, besonders bei Großschadenlagen, ist es wichtig, dass man sich kennt“, sagt er. Denn so sind viele Dinge auf dem kleinen Dienstweg möglich, um eine schnelle Hilfe zu gewährleisten. „Die Notfallseelsorge ist die erste Hilfe“, erklärt Ulrich Meihser von der Notfallseelsorge Mönchengladbach. „Wir sind die erste Station. Es geht danach darum, die Menschen in das Hilfsleistungssystem um sie herum einzugliedern und aufzunehmen. Dazu gehören die Familie, städtische Hilfen, das soziale Umfeld, die Seelsorge, der Opferschutz der Polizei oder der Weiße Ring.“

 

Koordiniertes und strukturiertes Handeln von Polizei, Rettungskräften und Seelsorge

Um schnell die richtige Hilfe anbieten zu können, ist es wichtig, dass die Notfallseelsorger schnell erfahren, um was für ein Unglück es sich handelt. Denn die Opfer eines Terroranschlags werden rechtlich anders behandelt als die Opfer eines Unfalls. Zwar brauchen beide Beistand, doch ob und wie die Notfallseelsorger dann hinzugezogen werden, unterliegt unterschiedlichen Kriterien. Gerade deshalb ist es wichtig, dass sich nicht nur die Notfallseelsorger untereinander kennen, sondern dass sie auch über den eigenen Tellerrand hinaus blicken und gute Beziehungen zu den Rettungsorganisationen unterhalten. Warum das so ist, erläuterte der Flughafenseelsorger Pfarrer Justus Münster aus Berlin. Er war im Einsatz nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 2016. „Mehr als 100 Verletzte hat es an diesem Tag gegeben, als die Notfallseelsorger vor Ort gewesen sind“, berichtete Pfarrer Münster. Drei Betreuungsräume habe das Seelsorge-Team eingerichtet, aber nur zwei konnte es nutzen. „Zu dem dritten ist uns der Zugang von den Polizeibeamten vor Ort verwehrt worden“, sagte Münster.

Eine strukturierte Kommunikation hätte ein koordiniertes Handeln von Polizei, Rettungskräften und Notfallseelsorge möglich gemacht. Die erste Fachtagung der Notfallseelsorge, zu der die Ökumenische Notfallseelsorge-Konferenz West im Bistum Aachen und den Kirchenkreisen der Evangelischen Kirche eingeladen hatte, war ein Pilotprojekt. Das Interesse am Austausch und der damit verbundenen Vernetzung war so groß, dass eine Wiederholung nicht ausgeschlossen ist.

Weiteres unter www.notfallseelsorge-west.de.