Viele Veränderungen bringt der „Heute bei dir“-Prozess mit sich. Das betrifft selbstredend in besonderer Weise und mit vielen Herausforderungen die Priesterschaft. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich die Interessenvertretung der Priester gegründet. Sie versteht sich als flankierendes Ergänzungsgremium, um auch in und mit der Priesterschaft rechtliche und andere Fragen zu erörtern, gemeinsam zu stellen und zu entwickeln.
„Es ist eine Initiative, die aus dem Priesterrat heraus angeschoben wurde“, berichtet Pfarrer Frank Schürkens, Vorsitzender der Interessenvertretung, über die Entstehungsgeschichte. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Pfarrer Dennis Rokitta sowie Domkapitular em. Pfarrer Franz-Josef Radler, Pfarrer Burkard Kroh und Pfarrer Daniel Wenzel führt Schürkens als gewählter Vorstand die Geschicke der neuen Vereinigung. Ergänzt wird das Gremium um ein „Bindeglied“ in den Priesterrat: Pfarrer Andreas Mauritz.
Warum, so stellt sich den Laien die Frage, ist ein solches Gremium neben dem Priesterrat sinnvoll? „Der Bischof hat noch einmal betont, dass der Priesterrat keine Ständevertretung ist, sondern sein Beratungsgremium in allen Belangen des Bistums“, erläutert Schürkens. Im Findungsprozess war genau das die Schwierigkeit: Wie kann hier eine klare Trenn-
linie in der Bandbreite zwischen Berufung und Beruf gezogen werden?
Ziel der neugegründeten Interessensvertretung ist laut Satzung die Förderung des inhaltlichen Austausches über Fragen des Leben- und Glaubenkönnens und des Dienstes der Priester, aber auch die Kooperation mit dem Arbeitskreis Leben- und Glaubenkönnen des Diözesanpriesterrates sowie die Mitglieder zusätzlich in allen, auch rechtlichen Fragen der Gestaltung ihres Dienstverhältnisses und in den sie betreffenden Personalangelegenheiten zu vertreten.
Inzwischen haben sich über 90 von 300 Priestern im Bistum Aachen dem „Bündnis“ angeschlossen. „Und wir werden immer noch mehr“, sagt der Vorsitzende glücklich. „Vertreten ist jedes Alter, Priester aus Stadt und ‚vom Dorf‘. Ehemalige Universitätsprofessoren gehören ebenso dazu wie Landpfarrer – das macht es spannend. Diese Vielfalt bietet auch eine gute Möglichkeit, um miteinander und mit dem Bischof an wichtigen Themen zu arbeiten und unsere Erfahrungen einzubringen.“ Die Interessenvertretung soll außerdem ein Instrument sein, „um dem schwindenden Sicherheitsgefühl und den Änderungen Rechnung zu tragen,“, sagt Schürkens, und damit man „sich vergewissert, dass man auf der einen und gleichen Seite steht“.
Im Zuge des Bistumsprozesses hätten die vermehrten Regelungen auch die Priesterschaft getroffen, etwa in der Priesterbesoldungs- und -versorgungsordnung, in der es – um ein Beispiel zu nennen – Änderungen in der Wohnungszulage gegeben habe. Die sei nicht allen verständlich gewesen. Die Interessenvertretung hat beim Ehrenvorsitzenden des deutschen Beamtenbundes nachgefragt, und dieser habe erklärt, dass hier der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht beachtet werde.
Ein anderer Punkt betrifft die Emeritierungsordnung. Unklarheit herrscht wohl darüber, welche Kriterien zugrunde liegen müssen, um einen Priester zu emeritieren. Hier kommt §1.3 der Satzung zum Tragen, der besagt, dass die Interessenvertretung „Mitglieder in allen, auch rechtlichen Fragen der Gestaltung ihres Dienstverhältnisses und in den sie betreffenden Personalangelegenheiten vertreten“ kann. „Wir begleiten Mitbrüder auch, wenn es um Konflikte geht“, erläutert Vorsitzender Schürkens. In der Satzung heißt es, dass eine Vertrauensperson benannt werden kann, die bei Gesprächen mit dem Bischof und der Verwaltung unterstützt – natürlich stets unter Beachtung der geltenden Diözesanordnungen. „Es ist für die Brüder noch sehr ungewohnt, dass die Möglichkeit besteht, nicht alleine dazustehen.“
Bereits im Frühjahr 2020 fand eine erste Vollversammlung von Priestern des Bistums Aachen mit Unterstützung von Bischof Helmut Dieser in St. Anna in Düren statt. 78 Priester stimmten für einen Zusammenschluss, der die Kommunikation und Solidarität untereinander befördern sollte. Nach vielen Gesprächsrunden und Versammlungen wurde im November 2022 die Satzung auf den Weg gebracht. Abgestimmt ist sie in allen rechtlichen Fragen mit Offizial Gregor Huben, der die Interessensvertretung als Vereinigung von Gläubigen nach Codex Iuris Canonici Canon 215 einordnet. Sie besagt, dass es den Gläubigen unbenommen ist, Vereinigungen für Zwecke der Caritas oder der Frömmigkeit oder zur Förderung der christlichen Berufung in der Welt frei zu gründen und zu leiten und Versammlungen abzuhalten, um diese Zwecke gemeinsam zu verfolgen. Auf Wunsch des Bischofs ist das Gremium unabhängig.
Der deutsche Katholizismus habe die große Stärke, Gespräche in eine Regel zu gießen, sagt Frank Schürkens. Anlassbezogene Kommunikation dagegen gehört wohl nicht zum üblichen Kanon. Darum sei der Gedanke so wichtig gewesen: „Wir brauchen eine ‚Standleitung‘, einen guten geregelten Dialog, der auf Augenhöhe stattfinden kann.“ Mit Freude, sagt Pfarrer Schürkens, nähmen beispielsweise die Priester in der Altersklasse über 80 Jahre auch den Mitgliederbrief als Kommunikationsorgan wahr. Mit Überschreiten dieser Altersgrenze darf kein Subsidiaramt mehr wahrgenommen werden, und der Informationsfluss aus dem Bistum käme zum Erliegen. „Darum war es eine gute Idee, die der Bischof mit uns hatte, dass es etwas braucht, über das wir miteinander in Kontakt bleiben”, unterstreicht der Vorsitzende. Früher hätten diese Aufgabe die Konveniats übernommen, die es aber nicht mehr in allen Bereichen gebe. „Wir merken, dass diese Initiative auf fruchtbaren und guten Boden fällt.“