„Hier zählt nur die Wahrheit“

Konrad Beikircher erzählt vom Christsein, der Aufgabe von Kabarettisten in der Krise und der Kirche als Auftrittsort

Konrad Beikircher in Hochform. (c) palmpictures
Konrad Beikircher in Hochform.
Datum:
15. Juni 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 24/2021

Vom „rechten Glauben“ sprach Kabarettist Konrad Beikircher schon in den 1990er Jahren „zwischen Himmel un Ääd“. Der gebürtige Tiroler und Wahl-Rheinländer ist bekennender Christ und reibt sich gerne am Thema Kirche. Zum 150. Jahrestag der Grundsteinlegung von St. Cornelius Dülken tritt er im Gotteshaus mit seinem neuen Programm „Kirche, Pest und neue Seuchen“ auf. Zeit für ein Gespräch.

Am 16. Juni 1871 erfolgte die Grundsteinlegung zu einem gigantischen Kirchenbauprojekt, das in seinen Dimensionen sogar den Aachener Dom in den Schatten stellte und bis heute unübersehbar das Zentrum Dülkens prägt: die Corneliuskirche im Herzen der Stadt. Gefeiert wird das Jubiläum mit einem fünftägigen Festreigen, zu dem neben Gottesdiensten und Vorträgen auch ein Kulturprogramm von Jazz über Kinderprogramm bis zum Kabarett mit Konrad Beikircher gehört.  Das detaillierte Programm gibt es im Internet unter www.st-cornelius-und-peter.de. (c) Jan Nienkerke
Am 16. Juni 1871 erfolgte die Grundsteinlegung zu einem gigantischen Kirchenbauprojekt, das in seinen Dimensionen sogar den Aachener Dom in den Schatten stellte und bis heute unübersehbar das Zentrum Dülkens prägt: die Corneliuskirche im Herzen der Stadt. Gefeiert wird das Jubiläum mit einem fünftägigen Festreigen, zu dem neben Gottesdiensten und Vorträgen auch ein Kulturprogramm von Jazz über Kinderprogramm bis zum Kabarett mit Konrad Beikircher gehört. Das detaillierte Programm gibt es im Internet unter www.st-cornelius-und-peter.de.

Grüß Gott, Herr Beikircher!

(lacht) Ja, das kommt aus einer Zeit bei den Südtiroler Patres, und die waren schwerstens in Ordnung. Hier ist es etwas anders, da habe ich als Student erlebt, wenn ich ,Grüß Gott‘ sagte, weil das so genetisch drin war, dann hieß es schon mal auf rheinisch: ,Ja, wenn d’n siehst‘.

 

Welches Verhältnis hat der Kabarettist „amfürsich“ zur Kirche?

Es gehört zur mentalen, vielleicht ideellen Ausrüstung eines klassischen deutschen Kabarettisten, links-intellektuell zu sein und Agnostiker – ganz, ganz wichtig. Zum anderen sind Kabarettisten und Kabarettistinnen oft genug Feiglinge, die sich nicht getrauen, sich dazu zu stellen. Wenn Sie sich vielleicht erinnern, wie Hanns Dieter Hüsch geprügelt worden ist, als er sich zum christlichen Glauben bekannt und Predigten gehalten hat. Er war ja Evangelischer, aber ein Herzenskatholik. Als er in Basel Predigten gehalten hat, da haben sich die Frankfurter Schule und die ganze Kollegenschaft so etwas von giftig auf ihn gestürzt, dass man sich gefragt hat: Wo sind denn da die Werte von Toleranz, die sie alle auf der Bühne vor sich hergetragen haben? Wobei vielleicht auch der Neid dazu kam, da es sich um ausgezeichnete Texte handelte. 

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Bekenntnis gemacht?

Wenn ich sage, dass ich bekennender Christ bin, gibt es mittlerweile Applaus. Man findet es richtig, dass ein Kabarettist sich dazu bekennt. Zu anderen Sachen bekennen sich Kabarettisten ja auch. Es ist, glaube ich, eine so ganz typisch links-intellektuelle Schranke im Kopf: Um Gottes willen, das darf man nicht sagen! Drei Tabus gibt es bei Kabarettisten: Sie dürfen nicht sagen, welche Konfession sie haben, das zweite Tabu ist Geld und das dritte ist die Parteizugehörigkeit. Wenn ich zum konfessionellen Bekenntnis zurückkomme: Es ist nichts leichter, als Jesuslatschen zum Thema zu machen oder über Buddha herzuziehen – das ist billigste, unterste Schublade. Da wird sich nicht auseinandergesetzt. Da muss man auch mal Paroli bieten. Das sind Menschen, die haben ihr Leben für ihre Überzeugungen hergegeben.

Ich habe in meinem neuen Programm selbstverständlich den Woelki dazwischen – nicht mal wegen der Gutachtengeschichten, die finde ich natürlich unerträglich. Aber mich hat viel mehr etwas Grundsätzliches aufgeregt: Der eigentliche Feind der Katholiken ist nach wie vor der Protestant. Geht es denn noch? Das finde ich unerträglich. In der Bergpredigt steht nirgends so etwas drin – natürlich ist das eine kabarettistische Verkürzung – , dass man die Protestanten hassen muss. Das ist die Verweigerung von Menschenliebe, und ich finde auch, dass sie damit die Grundüberzeugungen der Katholiken mit Füßen treten. Da bin ich ganz bei Hans Küng, der einen zaghaften Schritt gemacht hat, dass zumindest die Ein-Gott-Glaubenden zusammenhalten sollten. Da sind die Muslime auch drin. 

 

Eine klare Stellungnahme.

Es ist das zweite Mal in der Nachkriegszeit, dass die Kabarettisten eine Funktion übernehmen, Dinge klar auszusprechen, weil sie die Einzigen sind, die das können. Das erste Thema war „Heimat“. In den 60er, 70er Jahren war es undenkbar zu sagen: Ich bin stolz, Deutscher zu sei. Da haben sie dich ja gleich in die NPD projiziert. Ohne Heimatgefühl kann aber niemand leben. Da kamen die Kabarettisten und haben ein neues Heimatgefühl formuliert. Jetzt, so habe ich den Eindruck, haben wir eine ähnliche Situation in Bezug auf den Glauben. Der Glaube ist in der Krise, und jetzt kommen wir Kabarettisten. Ich merke es auch, wenn ich mich aufrege – das unterscheidet Kabarett nicht von einer Predigt im positivsten Sinne –, dann gehen mir manchmal die Gäule durch. „Es ist jetzt gut, Eminenz… Was ist das überhaupt für eine Nächstenliebe?“ Wenn es rüberkommt, dass ich das ernst meine, dass ich dann wirklich zornig bin – so alttestamentarisch –, ist heftiger Applaus angesagt. Das heißt: Du sprichst mit sowas den Menschen auch aus der Seele. 

 

Sie haben sich ja schon eindeutig zu den „Kölner Verhältnissen“ geäußert. Was halten Sie von der apostolischen Visitation?

Ich finde das wunderbar (lacht). Da hat Woelki auch wieder formal reagiert und sich auf den Besuch aus Rom gefreut. Das sagt er allen Ernstes öffentlich! (lacht) Das gibt es überhaupt nicht! Wie soll ich sagen? Wir freuen uns auch, wenn um vier Uhr in der Nacht die Steuerfahndung kommt. Ich finde das allerdings vom Papst sehr gut. Ich habe Hoffnung in den Papst gesetzt, als er gewählt wurde. Er ist, glaube ich, sehr menschlich und kann auf Menschen zugehen. Er ist für mich nur noch vergleichbar mit Johannes XXIII., meinem Lieblingspapst. 

 

Sie treten in St. Cornelius Dülken auf. Kennen Sie die Kirche?

Nein. Ich war noch nie da, obwohl ich von der Narrenakademie Dülken promoviert worden bin zum Dr. humoris causa.

 

Was ist das Besondere daran, in einer Kirche aufzutreten?

Ich mache das ja öfters, und es setzt immer eine ganze Menge Gefühle frei. Ich sag es mal ein bisschen groß. In einer Kirche aufzutreten bedeutet: „Hier zählt nur die Wahrheit.“ Ich habe das Gefühl, da muss wirklich auch alles stimmen. Da geht kein Gag flapsig mal unterm Hirn weg. Ich habe ein Programm „Schiff Ahoi“, da geht es um Kreuzfahrten. Das würde ich nie in der Kirche machen. Ich habe in der Kirche den Luther gemacht, „500 Jahre falscher Glauben“, jetzt den Woelki, und einmal habe ich in Mönchengladbach, glaube ich, ein bisschen vom Unterschied katholischer und evangelischer Humor erzählt – was anderes geht da nicht. Es ist ein besonderer Ort. Außerdem spürt man das. Es gibt Kirchen, die sind quasi mental schon säkularisiert, das sind meist evangelische Kirchen. Tut mir leid, aber bei katholischen Kirchen habe ich das noch nicht erlebt, vielleicht ist es ein Vorurteil von mir. Aber du spürst an anderen Orten direkt: Hier ist viel Herz, das ist ein ernster Ort. Das ist schon interessant. 

Das Gespräch führte Dorothée Schenk.