In der heutigen Gesellschaft werden Kirchengebäude nicht mehr nur als gottesdienstliche Räume gesehen, sondern auch als öffentliche Orte und kulturelles Erbe betrachtet. In Bezug auf historische Bauten gibt es zu dieser Ansicht allgemeine Zustimmung. Geringere Wertschätzung aber wird oft Kirchbauten des 20. und 21. Jahrhunderts entgegengebracht.
Dabei gehörte die Errichtung von Kirchen zu den bedeutendsten Bauaufgaben nach 1945. In Nordrhein-Westfalen entstand eine besonders große Zahl neuer Gotteshäuser, darunter auch solche von internationalem Rang. Einige von ihnen möchte die KirchenZeitung in lockerer Reihenfolge vorstellen, um zu zeigen, dass moderne Sakralarchitektur eine ebensolche Qualität wie die Kirchenbauten der Romanik, der Gotik oder des Barock aufzuweisen hat.
Zum selben Thema hat das Deutsche Liturgische Institut mit Sitz in Trier 2015 die „Straße der Moderne“ ins Leben gerufen. Das Projekt begreift sich als ein „Vermittlungsangebot zum Verständnis moderner Architektur und Liturgie und möchte ein Bewusstsein schaffen für die kunst- und liturgiehistorischen Entwicklungen der vergangenen rund 100 Jahre“.
Auf dieser Doppelseite werden Kirchenbauten des Architekten Heinz Döhmen (1927–2019) vorgestellt. In Korschenbroich geboren, studierte Döhmen an der TH Aachen bei Hans Schwippert Architektur. Über viele Jahrzehnte war Heinz Döhmen als selbstständiger Architekt in Viersen und Mönchengladbach tätig. Er pflegte enge Kontakte zu Künstlern und Musikern, engagierte sich für die regionale Kultur und war leidenschaftlicher Keramiksammler.
Die im Jahr 1959 eingeweihte Zeltkirche St. Hubertus in Krefeld war Heinz Döhmens erster Kirchenbau. Da der Bau einer Trasse vorgesehen war, sollte St. Hubertus als demontierbare Kirche mit geringstem Kosteneinsatz verwirklicht werden. Döhmen beschränkte sich auf die Verwendung nur weniger Elemente: ausgreifende Stahlträger, die ein Dreieck bilden; das Eternitdach, das innen und außen sichtbar ist und an zwei Stellen den Boden berührt. Vom Glasmaler Hubert Spierling (1925–2018) stammt das umlaufende Fensterband aus weißen, grauen und blauen Scheiben. Der Bau als Ganzes ist Ausdruck des Bildes von der Kirche als „Zelt Gottes unter den Menschen“.
Zu den Sakralbauten im Bistum Aachen, die Döhmen entwarf, zählen auch
Pax Christi in Krefeld (1979)
Zu sehen ist eine klare reduzierte Architektur aus rauem Backstein, die an einen Industriebau erinnert. Hier gehen Gegenwartskunst und Kirche eine lebendige Verbindung ein. Im Sinne „kultureller Diakonie“ finden aktuelle und kulturbezogene Foren, Kurs- und Bildungsangebote, Konzerte sowie Veranstaltungen rund um Kirche und Kunst statt. Pax Christi ist ein Ort der Begegnung von Menschen und Generationen aus dem Gebiet der Gemeinde mit denen, die ein Interesse an Kunst und Kirche bewegt.
St. Gereon in Brachelen (1963–1965)
Die gotische Pfarrkirche wurde im Dezember 1944 durch deutsche Truppen gesprengt und fast vollständig zerstört. Zwischen 1945 und 1948 erfolgte zunächst die Sicherung der erhaltenen Reste und der Bau einer Notkirche in den Ruinen. Erst zwischen 1963 und 1965 wurde unter Einbeziehung des Turmstumpfes und des Chors nach Plänen von Heinz Döhmen das heutige moderne Kirchenschiff erbaut. Der Aufbau des Turms folgte einige Jahre später. St. Gereon ist eine unregelmäßige dreischiffige Hallenkirche mit einem eingezogenen Glockenturm im Westen. An das Kirchenschiff schließt sich der zweijochige und fünfseitig geschlossene, 1500 erbaute Chor an.
St. Clemens und St. Pankratius in Inden/Altdorf (1996–1998)
Die Kirche wurde als Ersatz für die beiden Pfarrkirchen St. Clemens in Alt-Inden und St. Pankratius in Altdorf errichtet, die dem Tagebau Inden weichen mussten. Der Grundriss ist ein Siebeneck – die Summe aus drei (das Himmlische) und vier (das Irdische) steht für Vollkommenheit. Der Innenraum des Kirchenbaus wird von Blautönen bestimmt; deshalb wird das Gotteshaus im Volksmund auch „die blaue Kirche“ genannt. Heinz Döhmen hat in das moderne Gebäude Elemente aus beiden alten Kirchen integriert, um es den Menschen leichter zu machen, eine neue Heimat zu finden.
St. Andreas und Matthias in Jülich-
Lich-Steinstraß (1986–1988)
Die Kirche ist der Ersatz für die alte Pfarrkirche von Lich, die 1986 dem Tagebau Hambach weichen musste. Es handelt sich um einen einschiffigen Bau aus Beton und Backstein. Den Glockenturm gestaltete Heinz Döhmen freistehend.
Außerdem wurde die neue Klosterkirche Maria Lind in Waldfeucht-Braunsrath 1985 nach Plänen von Heinz Döhmen an die alte Wallfahrtskapelle angebaut.
Besuchen Sie die Kirchen doch einmal und spüren in ihnen dem Geist Gottes nach.
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