Herzblut- Theologin

Annette Jantzen ist immer noch fasziniert von der Vielfalt des Fachs und ihres Berufs

Annette Jantzen (c) Andrea Thomas
Annette Jantzen
Datum:
3. März 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2020

„Theologie – was willst du denn damit?“ Diese Frage hat Annette Jantzen vor und während ihres Studiums häufiger zu hören bekommen. So ganz genau habe sie das da auch nicht gewusst, nur „dass mich die Grundfragen interessiert haben, ich wissen wollte, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Nicht nur über Sinn reden, sondern einen eigenen für sich finden.

Auch heute, mit Anfang 40 und einige berufliche Stationen später, ist sie noch immer von der ungeheuren Vielfalt dieses Faches fasziniert. „Kirchengeschichte ist das schönste Fach überhaupt. Bei Dogmatik habe ich mich immer gefragt: ,Woher wisst ihr das?‘ Geschichte dagegen ist die Geschichte des geglaubten Gottes. Zensurmechanismen gibt es nicht, nur was und wie Menschen geglaubt haben. Und das muss auch gar nicht der eigene Glaube sein.“ 

Studiert hat sie in Bonn, Tübingen und Straßburg, ein Studienjahr in Jerusalem verbracht und über Priester aus Lothringen und dem Elsass im Ersten Weltkrieg promoviert. Was sie dabei erstaunt hat: „Gerechter Krieg, Vorsehung, davon hatten sie ein Konzept, aber nicht vom Frieden.“ Das habe sich erst mit der Theologie nach Auschwitz geändert. Davor habe dazu das Instrumentarium gefehlt. Ähnlich wie es heute sei, wenn es um eine geschlechtergerechte Kirche gehe.

Seit zehn Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Aachen und in dem Bistum, in dem sie aufgewachsen ist. In dessen Dienst sie zunächst nicht ging, auch weil die Finanzkrise des Bistums diese Option nicht mehr zuließ. So arbeitete sie an der RWTH weiter wissenschaftlich, später als Referentin für Kirchenpolitik und Jugendpastoral beim BDKJ, für den sie 2017 auf Diözesanebene die geistliche Verbandsleitung übernommen hat. Für sie ein Glücksfall, denn beim BDKJ hat sie, wie sie sagt, „meine Oase in Kirche, die ich hege, wässere und pflege“, gefunden, einen demokratischen Ort in der Kirche. Ihren „Glaubensakku“ tankt sie auch in der Aachener „Zeitfenster“-Gemeinde auf, wo sie sich seit fast sieben Jahren ehrenamtlich im Leitungsteam engagiert. Es sei eine besondere Art der Glaubenserschließung und -erfahrung, in Gemeinschaft mit anderen, die wie sie spirituelle Heimat für sich suchten und die die Frage umtreibe, wie sich Gemeinde heute in einer Großstadt denken lässt. Annette Jantzen entdeckt darüber für sich die Begeisterung fürs Predigen. Etwas, von dem sie davor gar nicht geahnt habe, dass ihr das liegt, sagt sie. Diverse Zeitfenster-Predigten und erfolgreiche Preacher-Slam-Teilnahmen spiegeln ihre Begeisterung und auch ihr Talent auf dem Gebiet. 

Über „Zeitfenster“ verändert sich ihr Blick auf den Bistumsdienst. Mit der Übernahme der geistlichen Verbandsleitung beim BDKJ Aachen beginnt sie als Quereinsteigerin die Ausbildung zur Pastoralreferentin. Seit 2019 ist sie neben der halben Stelle beim BDKJ mit einer weiteren als Frauenseelsorgerin in Aachen-Stadt und Aachen-Land tätig. Auch hier bringt sich die leidenschaftliche Theologin mit Engagement ein, wobei es ihr „nicht nur um Frauenandachten oder Krawall“ geht, sagt sie, sondern um einen neuen Blick, wie zum Beispiel um eine weibliche Perspektive auf Gottes Wort (www.gotteswort-weiblich.de). „Das patriarchalische Bild in Kirche prägt auch, wie wir Gott sehen. Das ist so allumfassend, dass es uns verschluckt.“ 

Auch „Maria 2.0“ müsse man im Kontext sehen. Auch wenn nicht jede Frau, die protestiert, gern selbst Priesterin wäre – „die Ungleichheit ist schwer wegzuatmen“. Daneben möchte sie verstärkt Frauen ansprechen, für die es wenig bis gar keine Angebote gibt, wie Frauen in der Prostitution, Frauen in Trennung oder Scheidung, mit unerfülltem Kinderwunsch oder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften „Alles irgendwie Konfliktthemen“, sagt sie lächelnd. Was sie aber nicht schreckt. Theologie heiße, Leben so zu erzählen, dass es sinnstiftend sei, auch in und mit seinen Brüchen.