Wie Maria und Josef sich gefühlt haben, als sie in Betlehem ankamen, können wir nur vermuten. Die hochschwangere Maria war wohl erschöpft von der Reise, Josef voller Sorge um sie und das Kind angesichts der hereinbrechenden Nacht mit der damit verbundenen Kälte. Sie sehnten sich nach einem Platz, an dem sie eine Weile bleiben, sich aufwärmen, neue Kraft finden konnten, und auch nach Menschen, die sie, ohne viel zu fragen, freundlich behandelten.
Einen solchen Ort, eine Herberge, und wenn nur für ein paar Stunden, suchen auch in unserer Zeit Menschen, nicht nur, aber gerade um Weihnachten. Sie sind Gestrandete ohne festes Dach über dem Kopf, ähnlich wie Maria und Josef, die als Reisende nach Betlehem kamen. Warum jemand keinen festen Wohnsitz hat – die Gründe und Geschichten dahinter sind so vielfältig wie die Menschen selbst; und am Ende auch nicht wirklich wichtig. Wichtig ist: Da ist ein Mensch in Nöten, der es verdient, ihn nicht zu übersehen.
In der Stadt Aachen kümmert sich unter anderem der Caritasverband um wohnungslose Menschen, bietet ihnen mit dem Café Plattform eine Anlaufstelle, wo sie Unterstützung finden, eine warme Mahlzeit oder ein warmes Getränk zum kleinen Preis, eine Möglichkeit zum Duschen und zum Wäschewaschen, bei
Bedarf einen Platz für die Nacht und Menschen mit einem offenen Ohr. Ein weiterer solcher „Hafen“ ist das Troddwar am Kaiserplatz, eine niedrigschwellige Einrichtung für Menschen mit Suchterkrankung. Geleitet werden beide von Mark Krznaric, der sich mit einem engagierten Mitarbeiterteam und viel Herzblut und Empathie für diese Menschen einsetzt.
Eine schon in normalen Zeiten anspruchsvolle Arbeit, die die Pandemie nicht einfacher gemacht hat. Sie hat auch die Situation wohnungsloser Menschen noch einmal verschärft. Mark Krznaric macht das an einem einfachen Beispiel deutlich: „Muss jemand in Quarantäne, weil er sich infiziert hat oder Kontakt zu einem Infizierten hatte, heißt das normalerweise, sich zu Hause zu isolieren. Doch wohin, wenn man kein Zuhause hat? Menschen ohne Wohnung sind bei den Coronabeschlüssen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt worden.“
Weil die Räume des Café Plattform und der dortigen Notschlafstelle zu klein sind und die strengen Coronaregeln hier nicht eingehalten werden können, dient das Café Plattform derzeit nur als „Duschstation“, wie Mark Krznaric berichtet. Die Notschlafstelle ist derzeit in den Räumen der alten Förderschule in der Beginenstraße. „In dem Bereich arbeiten wir sehr gut und eng mit der Stadt Aachen zusammen“, sagt er. Bis zu 40 Leuten können sie hier eine Schlafstätte anbieten, und „wir haben einen Extra-Raum für Frauen“. Auch in der Quarantänefrage unterstützt die Stadtverwaltung sie, in dem sie Räume dafür zur Verfügung stellt.
Seit Ende letzten Jahres haben auch die beiden Tagesangebote des Troddwar und des Café Plattform eine der Coronaschutzverordnung genügende „Herberge“. Die Pfarrei Franziska von Aachen und die Gemeinde St. Peter stellen dem Caritasverband die Kirche St. Peter am Bushof zur Verfügung. Mit der Unterstützung der Pfarrei, der Stadt und der Städteregion ist hier eine Anlaufstätte für wohnungslose und suchtkranke Menschen entstanden. Zwischen den Kirchenbänken, die im Halbkreis um den Altar angeordnet sind, sind Tische angebracht, an denen 42 Menschen mit Abstand sitzen können. Hier kann gegessen oder sich mal ausgeruht werden, mit anderen geredet und sich Rat und Unterstützung geholt werden.
„Ganz wichtig ist uns, den Menschen nicht nur einen geschützten Ort anbieten zu können, sondern auch unsere Beziehungsarbeit fortsetzen zu können. Es geht uns nicht nur um Versorgung, sondern um Beziehung, um Inklusion und Integration“, erklärt Mark Krznaric. „Das wir St. Peter haben, ist ein Segen.“ Offiziell darf der Caritasverband die Kirche noch bis Ende Januar 2022 für seine Angebote nutzen, doch mit Blick auf die aktuelle Situation geht Mark Krznaric von einer Verlängerung aus.
Wie in so vielen anderen Bereichen plant auch er mit seinem Team „auf Sicht“. Bislang seien sie mit den beiden Angeboten und den Menschen, die sie darüber begleiten, ganz gut durch die Pandemie gekommen. Über besondere Angebote und Aktionen ist es gelungen, 300 Menschen zumindest einmal zu impfen. Folgeimpfungen seien schwierig. Manche kämen zur zweiten Impfung, andere nicht. Viele seien verunsichert. Schwierig ist auch das Testen, das in den offiziellen Teststellen nur mit gültigen Papieren möglich ist. Um bei Veranstaltungen in der Weihnachtszeit dennoch die 3-G-Regeln einhalten zu können, appelliert das Team an alle Besucher, die einen Ausweis haben, sich bitte vorher testen zu lassen. Wer keinen hat, wird von ihnen vor Ort von geschulten Mitarbeitern getestet.
So bleibt es trotz Pandemie möglich, den Menschen, die übers Jahr kommen, zu Weihnachten etwas Besonderes anzubieten. „An diesen geprägten Tagen machen es sich die Menschen schön, und das wollen wir auch unseren Leuten bieten“, sagt Mark Krznaric. „Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.“ Zu Nikolaus gab es in St. Peter einen Brunch mit einem „richtig feinen Buffet“, an dem 60 Leute teilgenommen haben. An Heiligabend gibt es wie jedes Jahr das Weihnachtsessen, diesmal von Café Plattform und Troddwar gemeinsam ausgerichtet in St. Peter. Auch hier plant das Team mit bis zu 50 Leuten. „Es gibt ein Vier-Gänge-Menü, das wir selbst kochen, die Weihnachtsgeschichte wird vorgetragen, und es wird gesungen.“ So wie in einer Familie. Und mit genauso viel Vorfreude geht das Küchenteam ans Werk: „Wir kochen alle gern und stehen dann auch schon mal bis zum frühen Morgen in der Küche. Das macht allen viel Freude, und das wissen unsere Gäste auch zu schätzen.“
Wer die Arbeit des Café Plattform unterstützenmöchte: www.caritas-aachen.de/angebote/wohnen-existenz/cafe-plattform