Es sind vor allem die Erzählungen von Solidarität, die in diesen Tagen im Corona-Tunnel für Lichtblicke sorgen. Uns verzaubern die Geschichten der Menschen, die im kirchlichen Dienst weiterhin an der Basis aktiv sind. Sie geben Hoffnung, sie machen Mut und sie zeigen, wie stark wir als einzelner sein können. Wir erzählen von denjenigen, die noch da sind.
Christel Bähner-Hox vom Jugendzentrum Café Oje, Sonja Eloo von der Young-Caritas und Jürgen Weiland vom Jugendzentrum Fischeln in Krefeld arbeiten in ihren klassischen Arbeitsbereichen direkt am Menschen: Als Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche leiten sie Jugendtreffs, organisieren Seminare für Ehrenamtler oder veranstalten Freizeitfahrten. In Zeiten der Pandemie hat sich ihre Zielgruppe nun verändert, denn die drei Hauptamtlichen unterstützen jetzt das städtische Projekt „Jugend hilft“ als Schnittstelle für Ehrenamtler und Hilfesuchende. „Menschen, die der Risikogruppe angehören, können sich bei uns melden, und wir ordnen Freiwilligen unterschiedliche Hilfsdienste zu“, erzählt Julia Eloo. „Wir helfen beim Einkauf, aber auch zum Beispiel, wenn Rezepte vom Arzt abgeholt werden müssen oder andere Aufgaben anfallen, die aktuell für Zugehörige der Risikogruppe schwierig sind.“ So schaffen die drei einen wichtigen Angelpunkt für die sich durch Corona verändernde soziale Struktur. „Die Hilfswelle ist gigantisch, und es ist toll, dass wir zeigen können, dass wir da sind“, sagt Jürgen Weiland. „Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, zum Menschen zu stehen.“
Gleichzeitig versuchen vor allem die Jugendzentren auch über andere Kanäle, für ihre Schützlinge da zu sein. Sie haben Telefonsprechstunden eingerichtet, in denen sie Fragen von Eltern und Kindern beantworten, bieten Informationsmaterial rund um Corona auf ihren Social-Media-Kanälen an und versuchen, mit kreativen Ideen weiterhin Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen. „Unser FSJler spielt zum Beispiel über das Web mit einigen Kindern Uno“, erklärt Bähner-Hox. „Das Internet kann auf Dauer nicht den Kontakt zum Menschen ersetzen, aber vielleicht bietet Corona uns die Möglichkeit, in der Digitalisierung neue Chancen zu erkennen.“
Katrin Sengers hat keinen klassischen Beruf. Sie ist Tränentrocknerin, Pastaköchin, Nachhilfelehrerin, Taschengeldverwalterin und Gefühlsspenderin in einem. Als Erzieherin arbeitet sie in einer Außenwohngruppe des Bethanien-Kinderdorfes in Wegberg-Klinkum und betreut gemeinsam mit ihren Kollegen acht Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern leben können. Mit Liebe, einem hohen Grad an pädagogischer Professionalität und mit Verlässlichkeit schafft das Team ein Zuhause. Die aktuelle Situation ist für die Wohngruppe eine besondere Herausforderung: Denn es sind nicht nur der Schulbesuch sowie Freizeitaktivitäten gestrichen, sondern auch der Kontakt zu den leiblichen Eltern ist vorerst untersagt. „Gerade jetzt brauchen uns die Kids, denn ihr Alltag steht Kopf, und das ist für unsere Kinder mit ihrer besonderen Lebensgeschichte eine schwierige Situation“, erklärt die Gruppenleiterin. „Wir geben Struktur und fangen ihre Ängste auf.“ Das verlangt dem Team der Wohngruppe viel ab: Schon zu Beginn der Corona-Ausbreitung treffen sich die Mitarbeiter zu einem Krisentreffen. Sollte die Gruppe in Quarantäne müssen, so steht für das Team fest: Mindestens zwei Pädagogen ziehen dauerhaft in das alte Pfarrhaus ein. „Wie in einer Familie ist es auch hier unser Anspruch, gerade in Krisen Stabilität zu gewährleisten“, erklärt die systemische Familientherapeutin. Dabei sind die Mitarbeiter aber auch in ihren leiblichen Familien vor Probleme gestellt: Da Sengers im Kreis Heinsberg lebt, besuchen ihre zwei eigenen Kinder bereits seit sechs Wochen nicht mehr die Schule. „Auch die Betreuung durch die Großeltern ist für mich tabu. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine beiden manchmal mit zur Arbeit zu bringen“, sagt sie. „Es sind eben besondere Zeiten.“ Im alten Pfarrhaus laufen die Tage derweil außerordentlich strukturiert ab. „So muss das sein, wir sind schließlich viele“, sagt Sengers und lacht. Die Schulschließungen führen dazu, dass sieben Kinder zu Hause unterrichtet werden müssen. Acht Kinder verlangen, im grauen Alltag beschäftigt zu werden. „Gott sei Dank können wir im Kinderdorf beispielsweise nach Anmeldung als einzelne Gruppe das Schwimmbad oder den Spielplatz nutzen“, sagt die Familientherapeutin. „Aber gerade die Unsicherheit darüber, wie lange das alles noch dauert, belastet mich in schwachen Momenten.“
Die Diakonie ist ein wichtiger Angelpunkt für die Schwächeren der Gesellschaft: Schuldnerberatung, psychologische Hilfen, Resozialisierungsprojekte oder Angebote für Obdachlose – die Mitarbeiter versuchen, die Projekte in Zeiten von Corona, so gut es geht, aufrecht zu erhalten. Iris Hilsenitz arbeitet dabei an der Basis, der Notschlafstelle für Wohnungslose. „Die Männer und Frauen haben kein Zuhause, wo sie jetzt bleiben und Schutz suchen können“, erklärt sie. „Wir müssen gerade in der Krise auch für sie dableiben.“ Auch Marvin Bollig, der sonst in der jetzt geschlossenen Bahnhofsmission im Bundesfreiwilligendienst arbeitet, ist weiterhin aktiv, erzählt der junge Mann: „Ich bin in die Straffälligenhilfe gewechselt und unterstütze außerdem den Einkaufsservice der Initiative ,Jugend hilft‘. Als junger Mensch möchte ich mich gerade jetzt engagieren.“
„Ich sehe mich nicht als Heldin, sondern ich mache einfach meinen Job“, betont Bärbel Mosch als Einsatzleitung des Fahrbaren Mittagstisches in der Region Krefeld, Meerbusch und Tönisvorst. „Ich bin dankbar, dass ich jetzt helfen kann.“ Der Service der Caritas sorgt dafür, dass in Zeiten von Unsicherheit und Angst mehr als 320 Senioren und Pflegebedürftige in der Region mit einem warmen Mittagessen versorgt werden. Dabei kommen die Mitarbeiter wie nur wenige Menschen mit der Risikogruppe in Kontakt. „Wir haben die Hygienemaßnahmen verschärft und versuchen, das Mittagessen in der Regel vor der Haustüre abzustellen, sodass es abgeholt werden kann“, erklärt die Caritas-Mitarbeiterin. „Wenn jemand bettlägerig oder erkrankt ist, geht das natürlich nicht, aber wir passen gut auf.“ Für viele der Senioren sind die Mitarbeiter des Mittagstisches der einzige soziale Kontakt am Tag. Die Lieferanten, aber auch die Ansprechpartner im Büro stellen deshalb viel mehr als einen reinen Servicedienstleister dar. „Viele alte Menschen greifen aktuell schneller zum Hörer, um Fragen zu stellen“, schildert Mosch. „Sie suchen den Kontakt. Sie sind einsam und verunsichert.“ Das zeigt auch die Nachfrage rund um den Mittagstisch: In den ersten Wochen der Pandemie verzeichnet der Fahrbare Mittagstisch viele Neuanmeldungen. „Das war zuerst eine logistische Herausforderung“, erinnert sich Mosch. „Aber es stand zu keiner Zeit außer Frage, dass wir diese – gerade jetzt – meistern.“