Hauptsache, jemand ist nett

Mit seinem Vielfalt-Projekt will der D-Hof zeigen, wie gutes Zusammenleben aussehen kann

(c) Andrea Thomas
Datum:
10. Okt. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 42/2023 | Andrea Thomas

Menschen sind verschieden und alle gleich wertvoll, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Geschlecht oder sozialem Stand. Wie wichtig diese Vielfalt ist, wie viel Spaß sie macht und wie viel Chance für unsere Gesellschaft darin steckt, möchte der D-Hof im Stadtteil Driescher Hof mit seinem Projekt „Wir sind vielfältig und gemeinsam verschieden“ deutlich machen.

Der Driescher Hof ist ein multikultureller Stadtteil, das spiegelt auch der Wegweiser im Haus wieder. (c) Andrea Thomas
Der Driescher Hof ist ein multikultureller Stadtteil, das spiegelt auch der Wegweiser im Haus wieder.

Der Driescher Hof ist ein multikultureller Stadtteil, mittendrin der D-Hof mit seinen drei Standorten, der Offenen Tür (OT) für Kinder und Jugendliche sowie den Offenen Ganztagsschulen (OGS) Driescher Hof und am Rödgerbach. Dass hier Kinder und Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Erfahrungs- und Lebenswelten zusammenkommen, macht die Einrichtung seit jeher aus. Zusammenleben in Vielfalt ist kein schön klingender Vorsatz, sondern Alltag. Diskriminierung erlebten ihre Kinder und Jugendlichen innerhalb des Hauses wenig, berichtet D-Hof-Leiterin Sandra Jansen. Das liege unter anderem an einem diskriminierungssensiblen Team, das für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang eintrete und den Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien vermittele: „Ihr seid bei uns willkommen und Ihr seid wertvoll.“

Außerhalb dieses Mikrokosmos erlebten ihre Kinder und Jugendlichen leider sehr wohl Benachteiligung wegen ihres Migrationshintergrunds, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder auch, weil sie aus einem Stadtteil mit hohem Armutsanteil kommen oder selbst davon betroffen sind. Mit dem vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familien, Gleichstellung, Flucht und Migration 2022 und 2023 im Rahmen der Initiative „Vielfalt, wir leben sie“ der Arbeitsgemeinschaft Offener Türen NRW geförderten Projekts „D-Hof: Wir sind vielfältig und gemeinsam verschieden“, will die Einrichtung dagegenhalten und ein Zeichen setzen. Die Kinder und Jugendlichen sollen hier erleben, wie Zusammenleben von Menschen in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit funktionieren kann, und diese Erfahrungen in ihre Familien und die Gesellschaft tragen. „Nach unserem Verständnis ist Offene Jugendarbeit immer auch politisch“, sagt Sandra Jansen. 

Teamtag mit allen Mitarbeitenden

Leiterin  Sandra Jansen ist stolz auf den  Erfolg des Projektes und vor allem auf ihr Team und ihre Kinder und  Jugendlichen, die es mit Leben füllen. (c) Andrea Thomas
Leiterin Sandra Jansen ist stolz auf den Erfolg des Projektes und vor allem auf ihr Team und ihre Kinder und Jugendlichen, die es mit Leben füllen.

Das Projekt besteht aus drei Bausteinen. Baustein eins ist die Sensibilisierung und Weiterbildung aller Mitarbeitenden. Und damit sind wirklich alle gemeint, vom pädagogischen Team bis zum Hausmeister, weil auch hier gilt, dass jeder gleich wichtig ist, wenn es darum geht, jungen Menschen ein positives Umfeld zu bieten.

An einem Teamtag haben sich alle gemeinsam mit rassismuskritischer Jugendarbeit und Empowerment, strukturellem Rassismus und Diskriminierungserfahrungen beschäftigt: Wie erkenne ich Rassismus und Diskriminierung? Wie schütze ich andere davor? Wie gehe ich damit um, wenn ich Diskriminierung erlebe? Wo diskriminiere ich selbst (unbewusst) andere? So ist ein Leitbild als gemeinsame Haltung aller Mitarbeitenden im D-Hof entstanden. Baustein zwei sind eine Vielzahl von Angeboten und Aktionen für die Kinder der OGS und der Offenen Tür.

Dazu zählt das Kreativprojekt „Gemeinsam verschieden“, in dem unter anderem eine große bunte Kollage entstanden ist, die nun neben dem Eingang der OT hängt und sich bereits großer Beliebtheit als Fotomotiv in den sozialen Medien erfreut. Ein Lesekreis hat zum Perspektivwechsel eingeladen („Steck mal in meiner Haut“), oder Musik und Kreatives aus aller Welt haben deutlich gemacht, wie viel Spaß Vielfalt macht. Gesund kochen (und der Anbau eigenen Gemüses) zählt schon seit Langem zu den festen Angeboten im D-Hof. Das hat das Team unter den Aspekt „kulinarische Vielfalt der Kontinente“ gestellt und mit den Kindern und Jugendlichen nachgekocht, was bei ihnen zu Hause auf den Tisch kommt.

Plakataktion im Stadtgebiet

Eine der Litfaßsäulen, auf denen die Plakate des D-Hofs in Großformat zu sehen waren. (c) D-Hof
Eine der Litfaßsäulen, auf denen die Plakate des D-Hofs in Großformat zu sehen waren.

Ein weiterer Baustein ist es, die Erfahrungen und die Dinge, die sie entwickelt haben, nach außen zu tragen. Aktuell arbeitet das D-Hof-Team an einer Broschüre für Fachkräfte, die interessierten Einrichtungen der offenen Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden soll als Orientierungshilfe zur Auseinandersetzung mit der Thematik und mit praktischen Anregungen für ihre Arbeit. Nach draußen gegangen ist der D-Hof auch mit seiner Botschaft von Vielfalt. Im Rahmen einer Fotoaktion während der Sommerferienspiele sind drei verschiedene Plakatmotive entstanden, die Ende August bis Anfang September Litfaßsäulen im Stadtgebiet von Aachen sowie in Herzogenrath und Stolberg schmückten. Auf zehn Säulen waren die Motive im Großformat und auf 60 weiteren im Format DIN-A-1 zu sehen. „Ein wahnsinnig tolles Erlebnis. Ganz viele Menschen haben uns ihre Bilder von sich mit einer der Litfaßsäulen geschickt, die wir über Social Media geteilt haben“, erzählt Sandra Jansen.

Auf das Ergebnis sind die Kinder stolz, auch wenn das Foto-Shooting anstrengend gewesen sei, wie Melek (7), Adla (7), Tom (8), Maya (9) und Lara (9) übereinstimmend erklären. An drei Fototerminen sind 900 Fotos entstanden, aus denen drei ausgesucht wurden, aus denen eine Grafikerin die Plakate gestaltet hat. „Es sollte um Freude und Gemeinschaft gehen: Komm, wir machen ein Selfie“, beschreibt Michael Menden, Koordinator der OGS, der das Foto-Shooting betreut hat. Was viel Spaß gemacht habe, aber gar nicht so einfach gewesen: Alle mussten in die Kamera gucken, mit offenen Augen und fröhlich lachen …
Für die Kinder bedeutet Vielfalt, „eine Welt in der man gerne lebt“, wie Maya sagt. Eine Welt, die bunt ist und in der jeder und jede einen Platz hat – so, wie im D-Hof.

„Für die Kinder ist es viel weniger wichtig, woher jemand kommt, als die Tatsache, ob jemand nett ist oder gerne Fußball spielt, im Garten mit anpackt oder in der Küche mit kocht“, sagt Sandra Jansen. Darauf und auf ihren Stadtteil könnten sie stolz sein, weil hier etwas gelinge, was in vielen Teilen der Gesellschaft (noch) nicht funktioniert. In der Einrichtung kämen Menschen zusammen, die sich sonst nie begegnen würden. „Ein Pfund“, ist sie überzeugt, „mit dem wir auch in Kirche wuchern können: Du bist richtig, so wie du bist!“