Hauptsache ein Zuhause

Kirchen im Bistum Aachen sind nicht nur Ort des Gebets, sondern auch tierischer Lebensraum

(c) Ulrich Schwenk
Datum:
18. Aug. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 33/2021 | Gerd Felder

Kirchen sind vor allem für Menschen da, die sich in ihnen versammeln, singen, beten und Gottesdienst feiern, so denkt man. Das ist selbstverständlich richtig, doch dabei gerät manchmal aus dem Blick, dass Gotteshäuser auch verschiedenen Tieren Lebensraum bieten können: Falken, Schleiereulen, Fledermäusen, Bienen und Insekten.

Viele Kirchen haben Webcams installiert, um auch Nachwuchs beobachten zu können. (c) Webcam St. Laurentius
Viele Kirchen haben Webcams installiert, um auch Nachwuchs beobachten zu können.

Peter Schmitz aus Kaldenkirchen („letzte Ausfahrt vor der Grenze“) ist eigentlich IT-Techniker, aber wenn er über Falken spricht, gerät er ins Schwärmen. „Seit 2010 haben wir hier am Turm der Pfarrkirche St. Clemens eine Webcam installiert, mit der wir das ganze Jahr hindurch unsere Falken beobachten können“, berichtet er. Gab es zunächst nur Turmfalken in der Kirche, so kamen 2018 auch Wanderfalken hinzu. „Sie sind kleiner als die Turmfalken und waren in den 70er Jahren schon einmal ausgestorben“, weiß der Hobby-Falkenkundler. „Nach und nach sind sie dann wieder eingebürgert worden, und heute gibt es etwa 200 Brutpaare in Nordrhein-Westfalen, meist auf Kirch- und Funktürmen sowie in Industriegebäuden.“

Das Problem: Die Turmfalken passen ins Beuteschema der deutlich größeren Wanderfalken, die ebenfalls im Turm der Kirche St. Clemens leben – hier aber in „friedlicher Koexistenz“. Deren Höhepunkt war im Jahr 2020 erreicht, als  Turm- wie Wanderfalken-Pärchen nisteten und die Wanderfalken-Mutter mit frisch geschlagener Beute auch im Turmfalken-Heim die Jungen fütterten. „Diese ungewöhnliche Geschichte hat uns einen langen Bericht im Heft des Naturschutzbundes und im WDR-Fernsehen eingebracht“, freut sich Schmitz.

Falken sind auch im Turm der Dürener Marienkirche seit bereits zehn Jahren zu Hause. „Sie haben sich dort einen Lebensraum erobert und machen keine Schwierigkeiten“, berichtet Elmar Katzgrau vom Bauausschuss der GdG St. Lukas. „Inwieweit sie ihre Bleibe nutzen, kontrollieren wir nicht.“ Es sei schwierig und auch nicht ganz ungefährlich, wenn man aufs Dach steigen müsse und eine Begegnung mit den Greifvögeln habe, weiß der Dachdecker aus eigener Erfahrung zu berichten. „Die sind da oben ganz in ihrem Element und schlagen unter anderem Spatzen und Tauben in der Luft, aber das ist Natur.“

In der Aachener Pfarrkirche St. Jakob hat der NABU Brutkästen für Wanderfalken  installiert und traf damit ein persönliches Faible vom Kirchenvorstandsvorsitzenden Heinz-Günter Fündling. „Der Kasten entspricht nicht mehr dem normalen Standard, weil er nur verkeilt und nicht verschraubt ist, und auch der Kot kann nicht entfernt werden, weil nur eine Gitterplatte unter dem Kasten ist“, bedauert Fündling. In letzter Zeit sei er persönlich allerdings nicht mehr dort riechen gegangen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, erklärt der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende schmunzelnd. Auch hoffe er, dass die Wanderfalken wieder brüten würden.

Da darf die Mutterkirche des Bistums Aachen natürlich nicht zurückstehen. Auch der Aachener Dom hat Falkenkästen beziehungsweise Horste, die seit 2015 abwechselnd von Turm- und Wanderfalken genutzt werden. „Zwischen St. Jakob und uns gibt es einen kleinen Wettstreit, wohin die Wanderfalken gehen“, meint Dombaumeister Helmut Maintz schmunzelnd. „Wir sind aber wie in diesem Jahr auch mit Turmfalken schon zufrieden. Hauptsache, sie finden ein Zuhause und werden auch in der Stadt heimisch.“ 

Ganz andere Gäste beherbergen Kirchenschiff und Kirchturm von St. Cyriakus. Die Grabes- und Auferstehungskirche in Düren-Niederau bietet seit 60 Jahren Fledermäusen einen Lebensraum, aktuell den beiden Fledermausarten Großes Mausohr und Graues Langohr, von denen letztere vom Aussterben bedroht ist. „Wir haben den Anspruch, Leben zu schützen und die Kirche ökologisch zu führen“, betont Elisabeth Hirt, Geschäftsführerin der Grabes- und Auferstehungskirche. „Deshalb gibt es diese Station schon so lange.“ Schon lange besteht auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Fledermausschutz (Nabu/Bund/LNU) für die Stadt und Städteregion Aachen sowie die Kreise Düren und Euskirchen. Dessen Leiter Holger Körber erinnert auf Anfrage daran, dass Fledermäuse Säugetiere sind, die Ende März kommen und sich ins Dachgebälk hängen, um dann Ende Oktober wieder wegzufliegen.

„Wir alle können uns darum bemühen, die Quartiere der Fledermäuse in Kirchendächern – nicht nur in St.Cyriakus – zu erhalten und Veränderungen in den entsprechenden Gebäudeteilen zu vermeiden“, mahnt er. Co-Leiterin des AK Fledermausschutz, Henriette Körber, ergänzt: „Nicht nur St. Cyriakus, sondern zahlreiche Kirchen entlang der Rur haben Fledermäuse in ihrem Dach, aber um sie zu schützen, verraten wir nicht, in welchen.“ Bei vielen Menschen hätten Fledermäuse nämlich einen schlechten Ruf, was sich in Corona-Zeiten sogar noch verstärkt habe, weil sie als Ursprungs-Überträger des Virus gelten. So viel aber lässt sich verraten: In vier von diesen Kirchen ist die seltene Fledermausart Graues Langohr zu Hause, in zwei von ihnen gibt es die wichtigen „Wochenstuben“, also die Geburts- und Aufzuchtorte der Jungen, in denen nur Weibchen leben. Dort sitzen die Tiere je nach Witterung in dichten Gruppen mit bis zu 15 Tieren oder in kleineren Trupps verteilt an der Decke zusammen. Zwei andere Kirchen sind Einzelquartiere von Männchen, die als erwachsene Tiere den Sommer in der Regel allein verbringen. 

Am Niederrhein werden Wildblumen auf auslaufende Grabstellen gesät

Blühwiesen als Ort für Insekten. (c) Karin Spettmann
Blühwiesen als Ort für Insekten.

Nicht nur kirchliche Gebäude stellen einen Lebensraum für Tiere dar. Die Kirchengemeinde St. Benedikt in Grefrath will als Träger der drei Friedhöfe in Mülhausen, Vinkrath und Oedt einen Beitrag gegen das Insektensterben leisten. „Der Friedhof als letzte Ruhestätte ist einem stetigen Wandel unterworfen“, betont Karin Spettmann von der Friedhofsverwaltung der Gemeinde. „Dadurch ergeben sich viele freie Flächen.“ Vor einiger Zeit habe der Oedter Friedhofsgärtner vorgeschlagen, auf ausgelaufenen Grabstellen Wildblumensamen auszusäen. Das sei inzwischen dort und auch auf dem Vinkrather und dem Mülhausener Friedhof geschehen.

„Wir haben viele positive Rückmeldungen“, bilanziert Karin Spettmann. „Die Friedhofsbesucher freuen sich über die blühenden Flächen auf dem Friedhof.“ Allerdings gebe es auch einzelne Beschwerden über mehr Bienen, die jetzt unterwegs seien. Sehr erfreut über dieses Engagement ist man dagegen beim Bienenzuchtverein Oedt und Umgebung von 1947 e. V., mit dem die Kirchengemeinde zusammenarbeitet. Einige Bienenstöcke befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Mülhausener Friedhof und somit genau im Flugradius der „Honigproduzenten“. „Heutzutage müssen wir Friedhöfe attraktiv gestalten, damit sie parkähnlich wirken und auch der Naherholung dienen“, ist Karin Spettmann überzeugt. 

Tiere, die in Kirchen ein Zuhause haben

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