Handarbeit und Hightech

Orgeln aus Hellenthal für die ganze Welt: ein Blick hinter die Kulissen der Orgelbauwerkstatt Weimbs

Die Doppelspitze des Betriebs vor einer Galerie mit Orgeln, die aus Hellenthal in alle Welt ausgeliefert worden sind: die Orgelbaumeister Friedbert Weimbs (l.) und Frank Weimbs. (c) Andreas Drouve
Die Doppelspitze des Betriebs vor einer Galerie mit Orgeln, die aus Hellenthal in alle Welt ausgeliefert worden sind: die Orgelbaumeister Friedbert Weimbs (l.) und Frank Weimbs.
Datum:
7. Apr. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 14/2021 | Andreas Drouve

Was haben Japans Hauptstadt Tokio, das norwegische Bergen und die Marienkirche in Mönchengladbach-Rheydt gemeinsam? Die Antwort lautet: Überall ist die Eifeler Traditionswerkstatt Weimbs aus Hellenthal mit Orgeln vertreten.

Es riecht nach Holz und Leim. Es zischt und röhrt und schnarrt in der Halle. Dann führt Frank Weimbs in eine stillere Ecke. „Orgelbauer sind zart besaitet“, sagt er, „wir wollen eigentlich nicht im Lärm stehen.“ Der 50-Jährige ist Geschäftsführer der Orgelbauwerkstatt Weimbs, die in vierter Generation aus Hellenthal die ganze Welt beliefert. Der Betrieb beschäftigt 16 Leute, darunter mehrere Auszubildende. Die Kunden sind fast ausnahmslos Kirchen. „Wir arbeiten mit beiden Gebetbüchern“, formuliert Frank Weimbs.

„Wir Orgelbauer nennen uns Kunsthandwerker“, bekräftigt er, der selbst Orgelbaumeister ist wie sein Vater Friedbert, der Seniorchef und verantwortliche Intonateur. In dem Traditionsberuf greifen Handarbeit und Hightech ineinander, Holz- und Metallarbeiten. Die Spanne reiche „vom klassischen Schnitzen des Holzes“ bis zu hochmodernsten Maschinen, vom Gebrauch gewöhnlicher Abrichthobel und Schmiegen bis zum Einsatz von CNC-Fräsen. Der Orgelbau, geadelt als immaterielles Unesco-Weltkulturerbe, sei „keine Serienproduktion“, unterstreicht Frank Weimbs und setzt hinzu: „Wir möchten Instrumente bauen, die andere begeistern. Orgelbau ist Leidenschaft.“


Ein Jahr für eine Orgel

„Das ist zehn Meter hoch“, deutet Weimbs auf ein Holzgerüst im Montageraum. Daraus entsteht im Laufe der nächsten Zeit eine neue, avantgardistische Orgel für die Heilig-Geist-Kirche in Hanau-Lamboy. Vorgesehen sind ein schwebender Spieltisch und eine weitgehende Frontverkleidung aus Blaustahl; die Weihe ist für Advent angesetzt. Ein Auftragsprojekt wie dieses erstreckt sich gewöhnlich über ein Jahr, aber mit all den Planungen „vergehen nicht selten zehn Jahre“, erzählt Weimbs. Dabei sind die Arbeitsschritte ebenso vielschichtig wie der Auf- und Abbau. „Das ist nicht wie bei einem Badezimmerschrank“, sagt Weimbs und schmunzelt. „Wir müssen auch den Klang der Orgel planen, nicht nur einfach eine technische Orgel bauen. Am Ende muss intoniert werden.“

Zudem müsse – „anders als bei einer Geige“ – die Orgel auf den Raum abgestimmt werden. Da gehe es um „die akustischen Eigenarten“ des Umfelds. Der Gesamtklang sei entscheidend, eine Orgel ein Orchester und der Organist der Dirigent. „Applaus ist, wenn der Organist nicht mehr vom Spieltisch weg will“, benennt er den größten Lohn für all die Mühen des Orgelbaus.


Hölzer und Pfeifen

Apropos Lohn: Was kostet eine Orgel? „Eine Kirchenorgel fängt bei 250000 Euro an, es können aber auch zwei Millionen sein“, antwortet Weimbs. Reich werden könne man damit nicht. Schließlich sind Arbeitsaufwand und Materialkosten immens. Allein die Hölzer verlangen nach Perfektion. Fichten und Kiefern kommen aus den Alpen oder Skandinavien, die Eichen aus dem Spessart, Zinnlieferungen aus Indien. Letztgenannte fließen in die hauseigene Gießerei, in der Markus Moutschen alle paar Monate Großkampftag hat. Aus Zinn-Blei-Legierungen gießt er bei glühender Hitze Platten, aus denen später die Pfeifen entstehen; eine Orgel kann 2000 Metallpfeifen haben.

Moutschen, 37, kommt jeden Tag aus Belgien nach hier. Früher war er kurioserweise Lateinlehrer am Gymnasium, nun ist er Orgelbaugeselle – und hat seine Bestimmung gefunden. „Der Orgelklang hat mich immer fasziniert“, begeistert er sich. Daheim in St. Vith begleitet er Gottesdienste als Organist und hat dahingehend seinem Chef Frank Weimbs etwas voraus. Der hat zwar Klavier gelernt, „kann aber nur ein Liedchen spielen, nicht mehr“, räumt er ein. Augenzwinkernd vergleicht sich der Orgelbaumeister mit „einem Automechaniker, der Rennwagen baut, aber keine Rennen fahren kann“.


Überraschende Funde

„Der Orgelneubau ist schwer rückläufig“, reflektiert Weimbs, sieht die Werkstatt durch Schimmelsanierung und Restaurierungen aber breit aufgestellt. Kürzlich ist eine Orgel aus Bonn-Oberkassel eingetroffen, Baujahr 1908 und vor Ort vom Weimbs-Team fein säuberlich in sämtliche Einzelteile zerlegt, sortiert und beschriftet worden. Wird eine alte Orgel auseinander gebaut, kann es zu überraschenden Funden kommen. Da früher Zeitungsseiten als Rissschutz verwendet wurden, treten mitunter historisch wertvolle Artikel zutage. Manchmal hat auch der Orgelbauer von damals eine Inschrift oder Nachricht hinterlassen.


Drei Jahre Lieferzeit

Die Corona-Krise hat im Hellenthaler Betrieb keinen Einfluss auf die gute Auftragslage gehabt. Wer bei Weimbs eine Orgel ordern will, sollte nichts auf die lange Bank schieben. Die Lieferzeit beträgt momentan drei Jahre.

Die Orgelbaufirma Weimbs Hellenthal

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