Gute Basis für die Zukunft

Streitgespräch“ zur Frage „Wie stehen die christlichen Kirchen heute zueinander?“

Ökumene Nachricht (c) Andrea Thomas
Ökumene Nachricht
Datum:
11. Juli 2017
Von:
Andrea Thomas
Salvatore DiNoia, Referent für Liturgie und Ökumene beim Bistum Aachen, und Superintendent Hans-Peter Bruckhoff haben um diese Frage im besten Sinne miteinander „gestritten“. Fazit: Auf das Gemeinsame lässt sich aufbauen, mit den Unterschieden leben und arbeiten.
Salvatore DiNoia (c) Andrea Thomas
Salvatore DiNoia

 Initiert hatten den von Journalist Peter Pappert moderierten Austausch die evangelische und katholische Gemeinde Kornelimünster. Schauplatz war die Bergkirche St. Stephanus.

 

Mehr Einheit oder Streit?

Hans-Peter Bruckhoff: Die Unterschiede, die noch zwischen den christlichen Kirchen bestünden, hätten eine andere Dimension als noch im 16. Jahrhundert. Das erlebe er gerade in diesem Jahr auch im Austausch mit seinen bischöflichen Mitbrüdern auf katholischer und orthodoxer Seite. „Bischof Dieser lädt zur Ökumene ein, in einer Form, die herausfordert. Das ist eher Anfrage als Streit, auch in der eigenen Kirche.“

Salvatore DiNoia: Im Vorfeld des Reformationsjahres hätte es schon auch Bauchweh aufseiten der katholischen Kirche gegeben. „Wie können wir das mitgehen? Was feiern wir?“ Der Schlüssel insbesondere auf Ebene der Kirchenleitung sei der Gedanke gewesen, es als Christfest zu feiern. „So eröffnet das Jahr eine Plattform für die nächsten Jahre.“

 

Gibt es noch Feindbilder?

Hans-Peter Bruckhoff: „Nicht mehr so, wie noch in jüngerer Vergangenheit.“ Stichwort „Dominus Jesus“. Da habe das Bistum Aachen mit dem damaligen Bischof Heinrich Mussinghoff erfreulicherweise anders reagiert, als es woanders der Fall gewesen sei. „Es gibt das Zweite Vatikanum, auf dessen Basis ist das Schreiben einzuordnen und zu relativieren.“

Salvatore DiNoia: „Dominus Jesus“ sei in seinem Stil schon verletzend gewesen, doch die guten Beziehungen vor Ort hätten die Verletzungen von damals gekittet. Entscheidend sei auch für ihn, das Ökumenedekret des Zweiten Vatikanischen Konzils, hinter das nichts zurückdürfe.

 

Sakramentenverständnis

Hans-Peter Bruckhoff: „Die Ehe wird bei uns nicht so überhöht, ist kein Sakrament, aber das macht sie nicht unverbindlicher.“ Das Vorurteil, seine Kirche gehe lockerer, moderner mit dem Scheitern einer Ehe um, ärgere ihn. „Wir nehmen die Menschen ernst und damit auch ihre biografischen Katastrophen.“ Das die Konfessionen verbindende Sakrament sei die Taufe, weshalb sie die auch in den Mittelpunkt des gemeinsamen Gottesdienstes am 25. Juni gestellt hätten. Zwischen den Stationen habe er mit Bischof Dieser und Bischof Evmenios Predigtnachgespräche geführt. „Davon ausgehend, sollten wir vielleicht noch einmal gemeinsam neu über Sakramente nachdenken, als Geheimnis der verbindenden Gegenwart Gottes.“

Salvatore DiNoia: Die Sicht auf die Ehe sei schon sehr verschieden. Nach katholischem Verständnis sei die Ehe, unabhängig von Religionszugehörigkeit und nach welchen Regeln sie geschlossen worden sei, zwischen einem Mann und einer Frau, und sie sei unauflöslich. „Die orthodoxe Kirche kennt das Ende einer sakramentalen Ehe. Wenn zwei Menschen sich auseinandergelebt haben, dann gilt sie als von Gott aufgelöst.“ Vielleicht ja auch eine Sichtweise für die katholische Kirche. Die Taufe dagegen verbinde. Jeder, der getauft ist, sei auch rechtens getauft und damit vor Gott gerechtfertigt.

 

Was hat die Reformation den Menschen gebracht?

Hans-Peter Bruckhoff: „Luther hat die Kirche vom Kopf auf die Füße gestellt. Der einfache Mensch hat wieder Gott gespürt und seine direkte Verbindung zu Gott.“ Das habe eine ungeheure, weltweite Wirkung gehabt, zu erkennen, was jeden einzelnen in seinem Leben trägt, welche Kraft das Evangelium habe. Die Gewalt und die Spaltung, die die Reformation nach sich gezogen habe, sei nicht in Luthers Sinn gewesen.

Salvatore DiNoia: Sie habe Missstände in der damaligen Kirche angesprochen und bekämpft und „Schätze“ wieder offen gelegt, wie Kirchenlieder oder das Wort Gottes und die Eucharistie als zwei Schwerpunkte in der Messe. Doch die Reformation habe auch viel Leid hervorgerufen, vor allem auch innerhalb von Familien. Das sei aufgearbeitet worden, zum Beispiel im gemeinsamen Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim im März dieses Jahres. „Das wollen wir bei der Nacht der offenen Kirchen im Oktober in Aachen auch für die Region aufgreifen. Das ist mehr als ein Gottesdienst, das ist ein Gesprächsprozess.“

 

Wie sieht die Zukunft der Kirchen miteinander aus?

Hans-Peter Bruckhoff: „Dazu wünsche ich mir ganz viel an gelebter Einheit, wie zum Beispiel in Stolberg, wo Ökumene bereits unter einem Dach stattfindet.“ Wichtig sei, den anderen als eigenständig wahrzunehmen und zu respektieren und sich dennoch nicht auseinanderdividieren zu lassen. „2030 feiern wir 500 Jahre Augsburger Bekenntnis, den letzten Versuch einer Einigung zwischen den Konfessionen. Lassen wir uns doch die Zeit nutzen und sehen, was an gemeinsamer Kirche bis dahin zu erreichen ist.“

Salvatore DiNoia: Für die evangelische Kirche seien 13 Jahre vielleicht lang, für die katholische eher nicht. Aber ganz im ernst: „Wie eine Einheit aussehen soll, wissen wir nicht, nur dass sie nicht von einer Seite vorgegeben werden sollte, sondern sich gemeinsam entwickeln soll.“ Was es bereits heute an Verbindendem und an guter ökumenischer Zusammenarbeit gebe, solle im Herbst mit einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen dem Bistum Aachen und den ihm auf evan- gelischer Seite gegenüberstehenden vier Kirchenkreisen schriftlich bekräftigt werden.

Hans-Peter Bruckhoff (c) Andrea Thomas