Wir durchleben seltsame Zeiten: Weniger direkte zwischenmenschliche Kontakte, dafür mehr Zeit mit uns selbst, ein Virus, das omnipräsent ist und trotzdem schwer zu (be-)greifen, Zuversicht mit einer Prise Galgenhumor wechseln mit Sorgen und Ängsten – um uns, die Zukunft, die Menschen, die wir lieben. Das macht was mit uns und es braucht ein Ventil, ehe es uns erdrückt.
Das Coronavirus hat auch die Kirchen in vielen Feldern, von ihrer Sozialkompetenz für die Schwachen in der Gesellschaft bis zu alternativen Gottesdienstformen, vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Gefragt ist jetzt in der Krise aber vor allem auch ihre Grundlagenkompetenz in der Seelsorge. „Bei den Menschen kommen gerade ganz viele Dinge hoch an Sorgen, Ängsten und Problemen“, beschreibt es Pastoralreferent Christian Schröder. Er arbeitet in der Aachener Jugendkirche „Kafarnaum“ vor allem mit jungen Menschen und erlebt über den (zur Zeit nur digitalen) Austausch mit ihnen, aber auch mit seinem Umfeld, einen wachsenden Bedarf an Gesprächen, die tiefer gehen. Erste Ansprechpartner sind zumeist Freunde und Familie, die sich plötzlich in einer Rolle wiederfinden, von der sie sich schnell überfordert fühlen. Ihnen wollte Christian Schröder gerne etwas an die Hand geben, für diese seelsorglichen oder, etwas weniger kirchlich ausgedrückt, Mut machenden Gespräche.
Die Sorge um die Seele sei eine zentrale kirchliche Aufgabe, die nicht allein die Profis angehe. „Nicht nur Menschen aus dem medizinischen Bereich sollten im Notfall helfen können, Erste-Hilfe sollte jeder von uns können“, erläutert er das an einem Vergleich. Jeder könne ein Stück weit Seelsorger sein, wenn er ein paar Grundlagen zur Gesprächsführung kenne, um anderen in diesen Zeiten (und darüber hinaus) hilfreich zur Seite stehen zu können. Gemeinsam mit einer Gruppe Kollegen mit seelsorglicher, pädadogischer oder theologischer Ausbildung aus dem Bistum Aachen, hat er eine Art „Erste-Hilfe-Kurs“ entwickelt, der ermutigen soll, anderen Mut zu machen. Der ist seit Ostern über Facebook, Instagram und eine eigenen Internetseite zugänglich.
Verortet ist das Angebot beim Referat Glaubenskommunikation des Bistums, das es auch unterstützt. Ein offizielles Logo sucht man dennoch vergebens. So sollen sich auch Menschen außerhalb des Bistums und nicht ganz so kirchlich verankerte, angesprochen fühlen. Was sich auch in der verwendeten Sprache niederschlägt, wenn von Mut machen statt Seelsorge die Rede ist. Eine Reihe von „Visuals“ (Bild- und Texttafeln) sowie kurze erklärende Videos führen durch die verschiedenen Phasen der Gesprächsführung und sollen Orientierung und Unterstützung dabei geben.
„Wichtig ist, sich bewusst zu machen, das sind Gespräche unter Freunden. Ich höre als Freund zu. Ich kann und muss das Problem nicht lösen, aber ich kann zuhören“, sagt Christian Schröder. Deshalb sollte man solche Gespräche auch immer für sich selbst reflektieren: Wie nahe geht mir das? Wenn einen etwas zu sehr belastet, ist es in Ordnung, dem anderen das so zu sagen. Immer wieder verweist das Angebot auch darauf, wann und wo man sich professionelle Hilfe suchen soll. So könne es gelingen, einander gegenseitig zu stützen und neuen Mut zu fassen, in Zeiten wie diesen, die seltsam und in vieler Hinsicht belastend sind.
Ein Ventil für all das, was gerade so in Menschen vorgeht, bietet auch ein weiteres Angebot der Glaubenskommunikation: „Raumrauschen“. Begonnen als Projekt der Berufungspastoral, ist der Blog „über Gott und die Welt“ nach einer Pause unter Jonas Zechner als Verantwortlichem hier angedockt. Den Autorinnen und Autoren, die hier regelmäßig schreiben, ist es gerade jetzt, in Zeiten von Corona, wichtig, ihren Lesern ein verlässliches Angebot zu machen. Statt wie bisher zwei Artikel pro Monat haben sie fast täglich Beiträge gins Netz gestellt, mit sehr positiver Resonanz. „Uns war jedoch wichtig, nicht nur Sendende zu sein, sondern auch den Lesenden die Chance zu geben sich in unterschiedlicher Art und Weise selbst einzubringen“, erklärt Jonas Zechner.
Dazu hat die Gruppe zwei Möglichkeiten entwickelt. Sie haben ihre Leser eingeladen, die Seite zu wechseln und ihnen persönlichen „Stay at home“-Berichte von zu Hause oder aus dem Homeoffice zu senden, die sie auf der Seite veröffentlichen. Neu ist zudem die Möglichkeit Bilder zu „Raumrauschen“ bei Instagram hochzuladen. Sie sollen zeigen, an welchem Ort oder bei welcher Tätigkeit zu Hause, es bei jemand im Kopf zu rauschen beginnt, wo er etwas besonderes entdeckt oder er eine spirituelle Erfahrung macht. Auch das mit anderen zu teilen, kann Mut machen und helfen, gut durch verwirrende und seltsame Zeiten zu kommen.