Grundauftrag von Kirche

Am Sonntag, 5. Mai, findet bistumsweit die Solidaritätskollekte für Menschen ohne Arbeit statt

Gemeinsam mit Schirmherr Regionalvikar Hannokarl Weishaupt (Mitte) Flagge zeigen. (c) Andrea Thomas
Gemeinsam mit Schirmherr Regionalvikar Hannokarl Weishaupt (Mitte) Flagge zeigen.
Datum:
23. Apr. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 17/2019 | Andrea Thomas
Florierende Wirtschaft, niedrige Arbeitslosenzahlen, Fachkräftemangel – Stichworte, die darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor Menschen gibt, die keinen Platz finden auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Alois Heinrichs (l.) und Leonhard Höfert werben für die Kollekte, ohne die ihre Arbeit nicht möglich wäre. (c) Sozialwerk Aachener Christen
Alois Heinrichs (l.) und Leonhard Höfert werben für die Kollekte, ohne die ihre Arbeit nicht möglich wäre.

Im Gegenteil geraten besonders Menschen ohne ausreichende berufliche Qualifikation, Jugendliche mit unzureichendem Schulabschluss, ältere Langzeitarbeitslose und Menschen mit durch Behinderung oder Krankheit eingeschränkter Arbeitskraft immer mehr ins gesellschaftliche Abseits. Aufgefangen werden sie in der Städteregion Aachen ganz besonders von den kirchlichen Arbeitsloseninitiativen, die sich aus christlicher Grundhaltung heraus auf die Fahnen geschrieben haben, Menschen nicht zurückzulassen.

Erste Anlaufstellen sind dabei oft die Erwerbslosenberatungsstellen. Sie verstehen ihre Arbeit als diakonisch pastorales Handeln, als eine Pastoral, die nahe bei den Menschen sein will. Hier finden Betroffene nicht nur jemandem, der ihnen bei all den bürokratischen Hürden wie Anträgen und Bescheiden zur Seite steht, hier finden sie vor allem Menschen, die ihnen auf Augenhöhe begegnen. Kein „Dafür bin ich nicht zuständig“ sondern „Wenn ich nicht weiterhelfen kann, dann weiß ich jemanden, der es kann“. Damit sind die Beratungsstellen der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), des Sozialwerks Aachener Christen und AHA 100 auf katholischer Seite und von Piccobella auf evangelischer Seite auch eine wichtige Schnittstelle und Entlastung für das Jobcenter, mit dem die Träger hier in der Region gute Kooperation und Austausch pflegen. Dort werde ihre Erfahrung aus vielen Gesprächen mit Betroffenen geschätzt, dass sie Beratung in anerkannte Qualität und mit entsprechender Zeit leisteten, erläutert Leonhard Höfert vom Sozialwerk Aachener Christen, das in Aachen-Nord die Beratungsstelle „Alte Kaplanei“ unterhält.

 

Herausforderung für Beratungsstellen

Zielgruppe der Beratungsstellen sind erwerbslose und langzeitarbeitslose Menschen sowie Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Wobei innerhalb der Städteregion der Anteil an Migranten, die in die Beratung kommen, derzeit steigt. Der Status vieler ehemaliger Flüchtlinge habe sich inzwischen geändert, immer mehr hätten Anspruch auf Leistungen nach SGB II. „Das ist eine neue Herausforderung in der Beratung“, sagt Erika Lieber, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Christian Kogel für die KAB in der Städteregion als Beraterin tätig ist. Neben der Beratungsstelle in der Stadt Aachen gehören dazu noch die Beratungsstelle in Stolberg sowie die mobilen Beratungsangebote in Alsdorf und Baesweiler. Es seien nicht nur die Sprachbarrieren, die es hier zu überwinden gelte, sondern auch ein anderes Kulturverständnis und der Rucksack an Erfahrungen, den diese Menschen von ihrer Flucht mitbrächten. Vorrangig geht es bei der Beratung um Informationen zu Leistungen, Hilfe bei der Antragstellung, die Überprüfung von Bescheiden, Unterstützung bei Problemen mit dem Jobcenter und Hilfestellung bei der Jobsuche. Doch „da faltet sich dann ein ganzer Blumenstrauß an Sorgen auf“, beschreibt es Alois Heinrichs, Berater in der Alten Kaplanei. Berufliche Perspektiven zu finden, sei erst möglich, wenn die Existenz gesichert ist. Etwas, was seine KAB-Kollegen nur bestätigen können. „Die Menschen kommen mit multiplen Problemen“, sagt Erika Lieber. Bezahlbarer Wohnraum ist rar, schlechte bauliche Gegebenheiten führen zu hohen Energiekosten, die Schulden steigen, Obdachlosigkeit droht. Daraus entwickelt sich dann eine Spirale. Weshalb den Beratern immer wieder auch Lotsenfunktion zukommt. „Eine gute Vernetzung mit anderen Stellen ist wichtig, um Menschen in dieser Situation unterstützen und auffangen zu können“, sagt Alois Heinrichs. „Es bräuchte Knotenpunkte, wo Angebote wie Flüchtlingsberatung, Schuldnerberatung und Familienberatung auch räumlich zusammenkommen“, erklärt Erika Lieber. Denn Arbeitslosigkeit trifft nie nur den einzelnen, sondern immer auch die Familie. Insbesondere Kindern fehlt dadurch von Anfang an Chancengleichheit.

 

Auch Netzwerke untereinander knüpfen

Wichtig sind nicht nur die Netzwerke der Beratungsstellen, sondern auch die Menschen selbst miteinander zu vernetzen. So bietet die Alte Kaplanei zum Beispiel regelmäßig Themenfrühstücke an, bei denen sich Betroffene untereinander austauschen, aus ihrer Isolation herauskommen und sich so gegenseitig stärken. An einem ähnlichen Angebot arbeitet auch Christian Kogel für die KAB-Beratungsstellen. „Wir wollen einen Rahmen schaffen, wo sie zusammenkommen können, ohne Sorge haben zu müssen, ihr Innerstes nach außen zu kehren, wo sie Kontakte knüpfen und sich gegenseitig Tipps geben“, skizziert er. Doch das brauche Zeit, sich zu etablieren, und vertraute Menschen als Brücke. Ohne den Solidaritätsfonds des Bistums Aachen und die Solidaritätskollekte könnte all das nicht realisiert werden. „Das ist eine Aufgabe und Verantwortung, die das Bistum angenommen hat, die von existenzieller Grundlage ist. Da werden Auftrag und Idee von Kirche deutlich“, macht sich Leonhard Höfert dafür stark, dass Kirche hier auch weiter präsent bleibt. Mit der kirchlichen Arbeitslosenarbeit lasse sich das Problem Arbeitslosigkeit nicht lösen, aber sie sei ein Zeichen gegen Hoffnungslosigkeit und Ausgrenzung der von Erwerbslosigkeit bedrohten und betroffenen Menschen. Darin stimmt auch Pfarrer Hannokarl Weishaupt, Regionalvikar für Aachen-Land, mit ihm überein. Ihm ist es ein Anliegen „Menschen Hoffnung, Zukunft und Perspektive zu geben, das ist Grundauftrag von Kirche.“

Das gelte besonders für die Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen wie Menschen ohne Arbeit. Er wirbt nicht nur für die Kollekte, sondern hat in diesem Jahr auch die Schirmherrschaft für das Familienfest des Fördervereins Arbeit, Umwelt und Kultur in der Region Aachen übernommen. Termin ist traditionell und bewusst der Solidaritätskollekten-Sonntag, Veranstaltungsort seit vielen Jahren das Gebrauchtwarenkaufhaus „Patchwork“ in Herzogenrath-Merkstein. Das vor zehn Jahren eröffnete Kaufhaus ist eines der Projekte in den Aachener Regionen, die Menschen ohne Arbeit qualifizieren und beschäftigen, und die neben den Beratungsstellen ein weiterer wichtiger Baustein der kirchlichen Arbeitslosenarbeit sind, den es ohne Fonds und Kollekte nicht gäbe. Der Förderverein hat sein Fest in diesem Jahr unter das Thema „Flagge zeigen“ gestellt. Flagge zeigen für Menschen, die vom Schicksal „nicht so gut bedient wurden“, dafür, dass Menschen in und außerhalb von Kirche nicht wegschauen und sich den gesellschaftlichen Krisen unserer Zeit, von denen Arbeitslosigkeit eine ist, entgegenstellen. „Wir sind mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, unterstreicht es Wilfried Hammers, der Vorsitzende des Fördervereins Arbeit, Umwelt und Kultur. Etwas, das für die kirchliche Arbeitslosenarbeit insgesamt gilt.

Mehr: www.solidaritaetskollekte.de