Große Risse statt „Webfehler“

Beim Ökumenischen Friedensgebet verurteilte Bischof Helmut Dieser sexuellen Missbrauch und Täter scharf

Uwe Werner, Vorsitzender der 1. Community ehemaliger Heimkinder, sprach mit Bischof Helmut Dieser und Münsterpropst Peter Blättler (v. l.). (c) Garnet Manecke
Uwe Werner, Vorsitzender der 1. Community ehemaliger Heimkinder, sprach mit Bischof Helmut Dieser und Münsterpropst Peter Blättler (v. l.).
Datum:
5. Juni 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 23/2023 | Garnet Manecke

Vor dem Friedensgebet in der evangelischen Hauptkirche Rheydt sprach Bischof Helmut Dieser mit den Vertretern der 1. Heimkinder Community über den Umgang der Kirche mit den Opfern sexuellen Missbrauchs.

„Ihr Engagement ist bewundernswert“, sagt Bischof Helmut Dieser zu der Gruppe Frauen und Männer in leuchtend grünen T-Shirts. Ihr Einsatz gilt Menschen, die als Kinder im Heim lebten und dort sexuell missbraucht wurden. In Mönchengladbach gründeten sie die 1. Community ehemaliger Heimkinder NRW, die sich für die Anerkennung des Leids einsetzt – inklusive der Forderungen nach finanzieller Entschädigung und Unterstützung für die Folgen der Taten.

Auch in katholischen Kinderheimen wurde Jungen und Mädchen sexuelle Gewalt angetan. Daran erinnert der Verein. Als der Bischof im Rahmen der Heiligtumsfahrt zum ökumenischen Friedensgebet in die evangelische Hauptkirche kommt, wird er erwartet. Kritik hat Vorsitzender Uwe Werner reichlich: der Umgang mit Betroffenen, das Verfahren für die Anerkennung, die Dauer, bis es zu Zahlungen kommt, die fehlende Anerkennung des Leids. „Das ist unchristlich“, sagt Werner. „Helft uns. Es geht doch auch um Ihre Glaubwürdigkeit.“

Als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich ist Dieser einer der ersten Ansprechpartner. Er weist auf den externen Expertenrat zur Anerkennung des Unrechts hin. Auch das niedrigschwellige Verfahren, bei dem keine Beweislast gilt, sondern die Fälle auf Plausibilität geprüft werden, führt Dieser an.

 

Bischof Helmut Dieser und der evangelische Pfarrer Stephan Dedring (r.). (c) Garnet Manecke
Bischof Helmut Dieser und der evangelische Pfarrer Stephan Dedring (r.).

Aber auch das kann zu einer Re-Traumatisierung der Betroffenen führen. „Das Tischtuch ist zerschnitten“, sagt Werner und spricht damit aus, was Dieser später in seiner Predigt sagt. Sexuellen Missbrauch verurteilt er darin scharf. Er bleibt im Bild des Leitworts „Verwoben“, doch für die Verbrechen findet er deutliche Worte. Anders als im offiziellen Programm nennt er sie nicht „Webfehler“, sondern große Risse und Löcher im Tischtuch, die die Tischgemeinschaft zerstören.

Beim Friedensgebet erwartet die Teilnehmenden eine Überraschung: Zum ersten Mal nach 1000 Jahren hat das Stück Leinentuch, das Teil des Tischtuchs vom letzten Abendmahl sein soll, den Abteiberg verlassen. Es lag in seiner Vitrine in der evangelischen Hauptkirche in Rheydt.