Für Theologen steckt dahinter eine symbolische Bedeutung, für die meisten Betrachter wohl eher, dass auch die Tiere (die Hirten bringen ja noch ihre Schafe mit) als Teil von Gottes Schöpfung Anteil am Wunder der Weihnacht haben durften. Im Alltag werden wir dem nicht immer gerecht, vergessen wir schon mal schnell, dass Tiere unsere Mitgeschöpfe sind und es daher verdienen, gut behandelt zu werden. Tiere werden zum „Produktionsfaktor“ in der Massentierhaltung, weil wir Eier, Schnitzel und anderes möglichst günstig einkaufen wollen. Aus falsch verstandener Tierliebe halten wir Haustiere nicht unbedingt artgerecht und jetzt zum Weihnachtsfest sitzt unter so manchem Weihnachtsbaum ein niedliches Tierbaby, dessen neue Besitzer nicht berücksichtigt haben, dass es mal groß wird, täglich gefüttert, beschäftigt oder Gassi geführt werden will.
Auf dem Gnadenhof in Würselen-Euchen begegnet man Tieren (und Menschen) mit Respekt, aus Überzeugung und einer christlichen Grundhaltung heraus. Hier finden Tiere vorübergehend oder dauerhaft Aufnahme, für die anderswo kein Platz oder keine Verwendung mehr ist, die schlecht behandelt wurden, alt, krank oder schwer vermittelbar sind. „Wir vertreten ihre Interessen, als ob es unsere sind, und kümmern uns gut um sie“, sagt Peter Küppers. Er hat gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth und einigen Tierfreunden Ende der 1970er Jahre den Grundstein für die Tierschutzarbeit gelegt, aus der der Gnadenhof und der Tierschutzverein „Arche Euregio Aachen“ entstanden sind. „Angefangen haben wir in Kall in der Eifel, ehe wir das Gelände hier in Euchen gefunden und gekauft haben, wo wir jetzt auch schon seit über 20 Jahren sind“, berichtet er. An tierischen Bewohnern herrschte seitdem nie Mangel, im Gegenteil. Die meisten sind auf einer großen Fotowand im Aufenthaltsraum verewigt, vergessen sind sie sowieso nicht. Doch auch Tierliebe muss Grenzen ziehen. „Wir können nicht alle Tiere dieser Welt retten. Immer nur so viele, wie wir Platz und Menschen haben, die sie gut versorgen können“, sagt Peter Küppers. Das stoße auch schon mal auf Unverständnis, wenn jemand ein Tier zu ihnen abschieben wolle, weil es ihm nichts mehr nütze, zum Beispiel als Nutztier oder Reitpferd, oder er sich nicht mehr darum kümmern wolle. „Da heißt es dann am Telefon, wenn sie das Tier nicht nehmen, muss es getötet werden“, erzählt Elisabeth Küppers. Wenn jemand sie so ausnutzen oder emotional erpressen will, das kann sie nicht gut haben. Gerade weil sich das kleine Team aus Ehrenamtlichen mit so viel Herzblut für die Tiere auf dem Hof einsetzt.
Zur Zeit leben auf dem zirka 20 000 Quadratmeter-Areal mit Wiesen und Ställen: eine kleine Gruppe Enten, vier Wollschafe, die heimatlos geworden waren, vier Kamerunschafe aus dem Nationalpark Eifel, die dort mit dem Rotwild in Konflikt geraten waren, einige freilaufende Katzen, die sich nicht mehr vermitteln lassen, 45 Hühner und ein Hahn, die aus Legebatterien und Mastbetrieben gerettet wurden, sowie zwei Pferde, der blinde Wallach Roy und sein Führpferd Khan, der Arthrose in den Gelenken hat. Beiden geht es hier gut, niemand erwartet etwas von ihnen, sie dürfen einfach nur Pferd sein. Auch die Hühner werden hier wieder zu „glücklichen Hühern“. Legen sie ein Ei: schön, legen sie keines: auch gut. „Das sind wirklich arme Geschöpfe. Wenn sie zu uns kommen, haben sie kaum noch Federn“, berichtet Claudia Blumberg, die Vorsitzende des Vereins „Arche“, die sich in ihrer Freizeit auf dem Gnadenhof engagiert. Mit genügend Auslauf und Futter erholten sich die Hühner jedoch wieder. Möglich machen das gut 70 Hühnerpaten, die für das Futter der Tiere aufkommen und sich dafür regelmäßig Eier abholen dürfen.
Auch sonst lebt der Gnadenhof von Tierfreunden, die ihn mit Geld- und Sachspenden unterstützen. „Reich waren wir nie, aber wir kommen immer irgendwie über die Runden“, sagt Peter Küppers. Das hat für ihn auch was mit Glauben zu tun und dass Gott vergilt, was man Tier und Mensch Gutes tut. „Wir sind ein christlicher und auf Humanität ausgerichteter Tierschutzverein. Das gilt für alle, die hier mitarbeiten.“ Das spürt man im Umgang mit Tier und Mensch. Gruppen, insbesondere Kinder, die hier Natur erfahren und erleben wollen, wie ein gutes und friedliches Miteinander mit Tieren ausschaut, sind herzlich willkommen. „Wir haben neben unseren Tieren einen Kräutergarten und einen Barfußpfad rund ums Gelände, der im Sommer sehr beliebt ist“, erzählt Claudia Blumberg.
Seit vergangenem Jahr gibt es außerdem eine kleine Kapelle auf dem Gelände. Mit der erfüllte sich Peter Küppers einen Kindertraum. „Der ganze Verein hat mitgeholfen. Die Steine sind von einem Haus, das abgerissen worden ist, das Dach hat uns ein Vereinsmitglied ehrenamtlich gedeckt. Außerdem haben wir eine große Jesusfigur und ein Franziskusbild geschenkt bekommen“, bedankt er sich. Würselens Pfarrer Rainer Gattys segnete sie ein und feierte im Herbst auch eine Tiersegnung auf dem Gelände. „Zur Einweihung hatten wir Papst Franziskus eingeladen“, erzählt Peter Küppers. Der sei verhindert gewesen, doch sie hätten einen schönen Brief aus Rom bekommen, und vielleicht käme er ja ein anderes Mal. Zunächst freuen sich Mensch und Tier auf Weihnachten – eigentlich Tage wie alle anderen, aber auch Gelegenheit, inne zu halten und Danke zu sagen.