Gott ist das Licht, das alles durchdringt

Das Buch „Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen“ neu entdecken

(c) Jan Huber/unsplash.com
Datum:
14. Feb. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2024 | Andrea Thomas

„Was ist Gott?“ – Eine Frage, die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt, zum Nachdenken und zum (Hinter-)Fragen angeregt hat. Sie drückt den Wunsch aus, dem größten Geheimnis für sich ein wenig näher zu kommen, zu ergründen wer oder was Gott ist.

Autor Rainer Oberthür erzählt die  Geschichte neu und ergänzt sie um Kindergedanken dazu. (c) Andrea Thomas
Autor Rainer Oberthür erzählt die Geschichte neu und ergänzt sie um Kindergedanken dazu.

Vor fast tausend Jahren tauchte ein unscheinbares und mysteriöses Buch in einer Pariser Bibliothek auf, dass genau diese Frage im Titel trägt: „Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen“. Wie alt genau es ist, woher es stammt und wer es geschrieben hat … All das sei unbekannt, erzählt Rainer Oberthür. „Aber es hat bis heute vielen Menschen beim Nachdenken über Gott und die Welt geholfen.“

Der Aachener Autor, Religionslehrer und Dozent für Religionspädagogik am Katechetischen Institut des Bistums, hat das Buch vor zwölf Jahren für sich entdeckt. Ihn hat dabei nicht nur die Geschichte des Buchs der Philosophen fasziniert („Zu seiner Zeit war es hochmodern und sehr gewagt, weil es von Gott spricht, ihn aber keiner Religion zuordnet, weshalb der oder die Autoren wohl auch anonym geblieben sind.“), sondern vor allem sein Inhalt. Die Frage nach Gott ist für ihn der Dreh- und Angelpunkt aller Fragen. Das Suchen nach Antworten auf die großen Fragen hat ihn bereits in zwei seiner vorherigen Bücher, dem 2020 erschienenen „Seelensucher“ und dem „Friedenssucher“ aus dem Jahr 2023 beschäftigt. Daran schließt sich nun sein neustes Buch „Die Gottsucher“ an, in dem er die Geschichte des mittelalterlichen Buches der Philosophen für die heutige Zeit neu erzählt.

In der ursprünglichen Rahmenhandlung kommen 24 Philosophen zusammen, um gemeinsam über die großen Fragen der Menschheit nachzudenken und zu sinnieren. Eine bleibt am Ende unbeantwortet, die nach Gott. So beschließen sie, sich in einem Jahr wiederzutreffen, um sich auszutauschen. Bis dahin soll jeder eine Beschreibung von Gott in einem einzigen Satz formulieren. Rainer Oberthür ergänzt und erweitert die Rahmenhandlung um Philosophinnen und um zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.

Die beiden Kinder ergänzen jeden der 24 Sätze um ihre eigenen Gedanken und Interpretationen. „Die meisten davon sind original von Kindern, mit denen ich zu diesem Thema im Unterricht gearbeitet habe“, berichtet er. So steht am Anfang immer einer der beschreibenden (Haupt-)Sätze über Gott, gefolgt von jeweils sechs Deutungen und ergänzenden Kommentare der Philosophen, an die sich die Gedanken der Kinder anschließen.

Die stehen denen der erwachsenen Philosophen in nichts nach, im Gegenteil. Sie regen nicht nur zum selbst weiterdenken an, sondern lassen auch über die Gedankengänge der Grundschulkinder, mit denen der Autor dazu gearbeitet hat, und deren Tiefgang staunen. Schon 2012, als er über die kommentierte Übersetzung des deutschen Philosophen Kurt Flasch auf „Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen“ aufmerksam geworden war, ist er damit in den Unterricht einer vierten Klasse gegangen. „Daraus hat sich dann die Idee entwickelt, das für ein Buch aufzugreifen“, berichtet er. Aktuell arbeitet er in einer Unterrichtsreihe mit Kindern der dritten Klasse dazu. Es sei erstaunlich, welche klugen Gedanken sie entwickelten. „Kinder sind einerseits völlig realistisch, aber haben auch eine Seite, die philosophisch ist. In ihrer Art sind sie Mystiker“, beschreibt es der Religionspädagoge. Kinder hätten eine Ader auch für Paradoxes und ließen sich unvoreingenommen auf etwas ein. So wie auf die Sätze, die die Philosophen des Buches über Gott formuliert haben. 

„Nur Gott ist Gott!“

Mit den vorhergehenden Büchern, die nach dem „Ich“ und dem „Wir“ als Gesellschaft fragen, bildet „Die Gottsucher“ nun eine Reihe zum Thema „Suche“. (c) Andrea Thomas
Mit den vorhergehenden Büchern, die nach dem „Ich“ und dem „Wir“ als Gesellschaft fragen, bildet „Die Gottsucher“ nun eine Reihe zum Thema „Suche“.

Da heißt es zum Beispiel: „Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall ist und deren Umfang nirgends ist.“ Die Kinder im Buch, denen Rainer Oberthür die Sätze seiner Schülerinnen und Schüler in den Mund legt, interpretieren das wie folgt: „So wie der Weg auf einer Kugel immer weitergeht, so haben auch die Wege Gottes keinen Anfang und kein Ende.“ „Die Welt ist eine unendliche Kugel. Darin leben wir eine begrenzte Zeit – Gott ist grenzenlos dabei.“ Der letzte Satz lautet „Gott ist das Licht, das alles durchdringt und durch das alles gottförmig, aber niemals Gott wird.“ Auch dazu gibt es zwei kluge Kindersätze: „Alles kann wie Gott werden, Gott ähnlich und ein Bild Gottes, aber niemals Gott selbst.“ „Gott ist so vielfältig: das Über-uns, Unter-uns und In-uns. Gott ist unser Herz, unsere Seele, unser Licht und Universum. Gott ist das alles und ist es auch nicht. Denn nur Gott ist Gott.“

Gedanken, die man sinken lassen muss, um sie für sich weiterzudenken. Hilfreich sind dabei die Illustrationen von Barbara Nascimbeni, die Worte in Formen, Farben und Bildern interpretiert und sie ergänzt und vervollständigt. „Die Gottsucher“ sei eine Zumutung, erklärt ihr Autor, und das im besten Sinn, denn zumuten heiße ja auch, jemand etwas zuzutrauen: frei über Gott nachzudenken, ohne sich von den Vorgaben einer Religion einengen zu lassen und so auch Glaube und Religion unvoreingenommen zu begegnen. Ganz, wie es das Original tut. 

 

Rainer Oberthür „Die Gottsucher. 24 Wege auf der Spur des Verborgenen“, Illustrationen Barbara Nascimbeni, 112 S., gebunden, Kösel-Verlag,  München 2024, Preis 16,- Euro