Welch eine sagenhafte, detailverliebte Fülle von Gold- und Silberarbeiten! Da zieren Blüten, Akanthusblätter und Engelsköpfe ein Ziborium der Binsfelder Kirche St. Gertrud. Da ist der Deckel des Weinkännchens der Gürzenicher Kirche St. Johannes mit einer auf Weinlaub liegenden Traube versehen, jener des Wasserkännchens mit einem Springbrunnen en miniature. Da schlägt auf einer Hostienmonstranz der Kirche St. Martin Drove ein Engel neben dem heiligen Martin zwei Kesselpauken, während ein anderer Engel Trompete bläst.
Schätze wie diese gehen auf Dürener Goldschmiede zurück, die ein halbes Jahrtausend lang aktiv waren: vom Spätmittelalter, also der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, als das Kunsthandwerk auslief. Früher als in anderen Städten des Rheinlands wurden die Erzeugnisse aus Düren „spätestens seit 1546“, wie Hans J. Domsta in seinem Grundlagenwerk „Dürener Silber“ (vgl. Buchbesprechung) schreibt, mit Garantiezeichen versehen, nämlich dem Meisterzeichen und dem Beschauzeichen der Stadt.
Obgleich ihre Zahl recht klein war und selten mehr als drei Meister gleichzeitig ihr Auskommen fanden, brauchten sich die Dürener Goldschmiede hinter nichts und niemandem zu verstecken. Sie belieferten Kirchen und Klöster der Stadt und des Umlands mit liturgischem Gerät; die Verbreitungsgebiete ihrer Geschäfte reichten bis in die Eifel und an den Niederrhein. Darüber hinaus kauften gut situierte Bürger und Adelige Tafelsilber, während Schützengesellschaften Ketten mit silbernen Vögeln und Schilde für ihre Könige orderten. Dass im Laufe der Geschichte viele Schätze verschwanden, steht auf einem anderen Blatt: ob durch die französische Besatzung, Kriegswirren, Diebstähle oder anderweitig. So schenkte man einen historischen Kelch des Kirchenschatzes von Pier einem südamerikanischen Geistlichen, während eine alte Monstranz aus Arnoldsweiler als Präsent an einen Bischof aus Rom ging. Unter diesen Vorzeichen ist es ein Glücksfall, dass sich von einem der frühesten Dürener Goldschmiede, dem 1568 verstorbenen Hans Jungh, zumindest fünf Arbeiten über die Zeiten gerettet haben. Die wichtigste und mit dem Meisterzeichen versehene ist der sogenannte Dürboslarer Kelch aus vergoldetem Silber.
Laut Buchautor Domsta haben sich in den Kirchen der Dürener Innenstadt aus der Zeit vor 1802 lediglich fünf Stücke von lokalen Goldschmieden erhalten, darunter ein Abendmahlskelch in der evangelischen Christuskirche und ein silberner Christuskorpus in der Annakirche. Dieser wurde 1739 von den Dürener Jesuiten bei Bernhard Arnold Müller in Auftrag gegeben. Ein weiterer Schatz der Annakirche ist eine silberne Reliquienmonstranz zu Ehren von Sankt Martin. Dafür zeichnete Ende des 18. Jahrhunderts Gottfried Wolfgang Reuter verantwortlich, der sein Werk mit einem Strahlenkranz versah. Zugeschrieben werden Reuter auch zwei Reliquienmonstranzen der Oberzierer Kirche St. Martin.
Besonders kunstvoll gestaltete Reuter 1815 eine Hostienmonstranz für die Kirche St. Gangolf in Soller: mit einem Lamm Gottes, der gekrönten Maria, einem Glaszylinder zwischen vier gedrehten Säulen, Kirchenpatron Gangolf mit Lanze und Schild sowie Baldachinen mit musizierenden Engeln darauf; unter Maria und Gangolf hängen zwei Hildesheimer Sedisvakanzmedaillen. Die Kirche von Soller nennt überdies ein Ziborium von Reuter sowie ein ihm zugeschriebenes winziges Ölgefäß ihr eigen. Dem Deckel des Ziboriums sitzt ein Gekreuzigter auf, die Dekors aus Blatt- und Blütengehängen reichen bis an den Fuß des Kelches hinab.
Letzte Höhepunkte im Schaffen der Dürener Goldschmiede setzte Johann Peter Arning (1829–1881) mit Hostienmonstranzen, die sich in der Kirche St. Michael Echtz und im Niederauer Marienkloster der Cellitinnen befinden.