Der Weg zum Glück ist der Weg zu sich selbst. „Glück ist eine Einstellungssache“, findet Alexa Deller. Wichtig sei es, Glück in kleinen Dingen zu suchen, um es auch zu finden und zu bewahren. Wer stets dem Glücksbild hinterherlaufe, das uns von der Werbeindustrie oder in den Sozialen Medien vermittelt wird, könne ziemlich sicher sein, vor allem eins zu finden: Unglück. Verursacht durch Überforderung. Bevor wir also auf andere schauen, sollte sich jeder selbst einige zentrale Fragen stellen: Welches Selbstbild habe ich von mir? Welche Erwartung lege ich selbst an? Wann war ich erfolgreich? Gerade für junge Eltern seien diese Überlegungen existenziell wichtig.
Erledigt? Dann kann es ja losgehen. Im Auftrag des Katholischen Forums für Erwachsenen- und Familienbildung Düren-Eifel bietet Alexa Deller Seminare und Gesprächsabende für Eltern in Kitas an. „Mental Load – Das Burnout für moderne Mütter“ ist ein solches Angebot überschrieben, das sich natürlich auch an Väter richtet. Auf der Suche nach dem Glück geht es zunächst darum, zu erkennen, warum das Unglück ganz oft schon auf uns wartet, wenn wir Pläne schmieden, um trotz aller Aufgaben und Belastungen glücklich, ausgeglichen und erfolgreich zu sein. „Wir leben in einer unglaublich komplexen Welt und glauben, zehn Sachen gleichzeitig machen zu können. Machen zu müssen“, sagt Alexa Deller. Ein Fehler, der die Entstehung eines „Mental Loads“ beschleunigt.
Alexa Deller ist diplomierte Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin und hat auch eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin absolviert. Die 37-Jährige beschäftigt sich schon ihr gesamtes Berufsleben von der Kita bis zum betreuten Wohnen mit Menschen mit Handicap. Sie leitet eine Wohnstätte in Düren. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Kinder gut verstehen kann und anderen gut erklären kann, was Kinder brauchen“, schildert sie, wie sie zusätzlich den Weg in die Erwachsenenbildung fand und unter anderem Kurse an Kitas anbietet. Alexa Deller ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Die Hände sind voll, der Kopf noch voller. Während der Nachwuchs im Sandkasten spielt, rattern die Gedanken: Was muss eingekauft werden? Passen die Gummistiefel im Kindergarten noch? Was kochen wir Ostern und was basteln wir Oma zum Geburtstag? Nebenbei noch ein Teil- oder Vollzeitjob, die Kindererziehung, die Partnerschaft und der Haushalt. Und nicht zu vergessen: „Me-Time“, Zeit für sich selbst. Ja geht das überhaupt noch? „Anstatt sich selbst immer mehr Aufgaben aufzuerlegen, sollten wir uns realistische Ziele setzen. Es erfordert viel Selbstdisziplin, wenn wir wirklich in eine Veränderung kommen wollen“, weiß Alexa Deller. Und dennoch: Wer der Überzeugung ist, alle Aufgaben als Mutter/Vater, Partner und Berufsmensch unter einen Hut zu bekommen und zu 100 Prozent erfolgreich ohne Abstriche erledigen zu können, werde vermutlich mittel- und langfristig scheitern.
„In den Sozialen Medien sieht das Leben mit Kindern immer großartig und entspannt aus“, sagt Alexa Deller. Nur sei dies kein Abbild der Realität. Der Versuch, allen und jedem gerecht zu werden, führe schnell zu einem mentalen Dauerlaufen. Wer aber permanent über (Mini-)Aufgaben nachdenkt, verbrennt Energie, die an anderer Stelle schnell fehlt.
Alexa Deller rät nicht nur Eltern, ihre Zeit individuell einzuteilen und die Absenkung von Standards, die andere Menschen von außen oft unausgesprochen vorgeben, als Tabu zu sehen. „Lassen wir andere darüber urteilen, ob wir schlechte Eltern sind, weil bei uns nicht jede Woche Staub gewischt wird oder wir mal die Brotdose für den Waldtag der Kinder vergessen haben? Ich bin auch nicht immer stolz auf mich, aber habe gelernt, mir zu verzeihen. Die Blicke von außen treffen mich nicht mehr“, sagt sie.
Apropos Blicke von außen: „Eltern sollten aufhören, sich zu vergleichen, das Gefühl zu haben, etwas beweisen zu müssen“, sagt Alexa Deller. Wer für sich selbst festlegt, dass der Kindergeburtstag im eigenen Haus gefeiert wird, ohne Hüpfburg und Clown, und damit klarkommt, dass dies vielleicht nicht alle verstehen, sei für sich auf der richtigen Seite. „Ich mache Sachen nicht mehr, wenn sie uns unter Druck setzen“, sagt Alexa Deller aus ihrer eigenen Erfahrung. Das könne ein harter Weg sein, lohne sich aber.
Auch die Frage, ob Geige, Sport und Schach als Förderung reichen – oder jeder weitere Programmpunkt letztlich Eltern und Kind unter Druck setzt, sei eine ganz individuelle Überlegung wert. „Ich glaube, dass Eltern unsicher sind, ob sie ihre Kinder ausreichend fördern“, sagt Alexa Deller. Oft entstehe durch gut gemeinte Aktivitäten aber Stress, emotionaler Ballast, ein schlechtes Gewissen. Gefühle, die auch die Kinder mitbekommen. Alexa Deller: „Wir leben in einer Zeit, in der alles super nachhaltig sein muss. Wir sollten aber mehr Zeit in nachhaltige Beziehungen investieren. Das sorgt für innere Ruhe und Stabilität.“
Denn wirkliches Glück macht für die Sozialpädagogin eine gelungene Beziehung aus, Zeit mit der Familie und emotionale Nähe. Viele der modernen Hilfsmittel wie Smartphones, die uns dabei helfen, die Vielzahl der offenen Aufgaben effizienter zu bewältigen, würden bei genauerem Hinsehen „viel kaputt machen“. Wer mit dem Mobiltelefon in der Hand schon die kommenden Termine sondiert, Aufträge abarbeitet oder auch in der Freizeit „kurz mal mit der Arbeit telefoniert“, während der Nachwuchs im Sandkasten, Garten oder Wohnzimmer spielt, verpasse sehr schnell sehr viel – und erschwere gerade im ganz jungen Altern den Aufbau einer starken emotionalen Beziehung. „Wenn ich dann irgendwann gefrustet und unzufrieden bin, schlägt das auf alle anderen durch“, sagt Alexa Deller: „Wir müssen (wieder) lernen, die Momente, die wir haben, bewusst zu genießen.“
Und Eltern sollten ihren Kinder auch Langeweile zumuten, ja sogar ermöglichen. Nur so könnten Kinder auf eigene Ideen kommen, eigene Lösungen finden. Wer aus sicherlich gut gemeinter Absicht jeden Tag für volles Programm sorge, nehme Kindern unbewusst die Möglichkeit, dass sich Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnisse festigen, setzen und verankern. Und als Quelle für Glück dienen können. Erholungszeit sei mitunter wichtiger als Erlebniszeit.
Betritt ein Kind die Welt, hat dies auf fast alle Ebenen des bisherigen Lebens Auswirkungen. „Ich setze daher voraus, dass sich Eltern bewusst für Kinder entscheiden“, sagt Alexa Deller. Denn die Aufgabe, Kinder zu einer verantwortungsvollen Persönlichkeit zu erziehen, sei im Grunde ein Vollzeit-Job. „Unsere Gesellschaft braucht die Begeisterungsfähigkeit von Kindern, dieses Selbstverständnis von Selbstbewusstsein, diese Lebensfreude, die einen immer wieder ansteckt.
Aufgabe der Eltern ist es, dieses Glücksempfinden zu bewahren, das Kind verantwortungsbewusst zu erziehen und sich nicht zurückzulehnen und zu sagen: Die Kita erzieht mein Kind, die Schule bildet mein Kind.“ Wer ein Kind bekommt, müsse damit rechnen, für eine sehr lange Zeit kaum noch oder deutlich weniger Zeit für die eigenen Interessen aufbringen zu können. Die Frage „Werde ich damit glücklich?“ sollte daher im Vorfeld geklärt werden.
Fiel die Entscheidung für Nachwuchs, sollten Eltern schnell lernen, ihren Kindern auch etwas zuzutrauen, „zuzumuten“ und Kinder in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. „Kinder werden auch doofe Erfahrungen machen, sich wehtun“, sagt Alexa Deller. Vor allem durch eigene und praktische Erfahrungen können sie lernen, ihr eigenes Verhalten anpassen. „Kinder sind lösungsorientierte Wesen, Lernen ist wie ein Experiment. Aufgabe von Eltern ist es, Grenzen und die Leitplanken zu setzen, aber Kinder brauchen auch eigene Erfahrungsräume“, erklärt die Pädagogin.
Eine Regel, die für alle gilt, ist (natürlich altersangepasste) Offenheit. „Zu einem glücklichen Leben gehört dazu, auch das zu sagen, was nicht gut funktioniert hat, was mich enttäuscht hat, worüber ich wütend bin.“
So könnten Kinder lernen, mit den Emotionen, die wir alle in uns haben, umzugehen. „Kinder sollten nicht alles und jedes Thema mitbekommen. Aber ein sachlicher, respektvoller Streit gehört für mich zu jeder normalen Beziehung dazu. Nur so können wir Kompromisse finden. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein und dasselbe Verständnis von Glück haben.“